Website-Icon News4teachers

Bildungsoffensive für mehr Medienkompetenz gefordert – gegen Internet-Hass

BERLIN. Hass im Netz ist alltäglich – und gefährdet die Demokratie. Was bislang lediglich ein Gefühl war, bestätigen die repräsentativen Ergebnisse einer Befragung von Internetnutzer*innen ab 16 Jahren in Deutschland. „Junge Menschen müssen verstehen, wie Hass im Netz zu einer Gefahr für unsere demokratischen Strukturen wird“, schreiben die Herausgeber der Erhebung, das „Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz“. Sie fordern dafür Unterstützung von der Politik – in Form einer nationalen Bildungsoffensive Medienkompetenz mit einer Fördersumme in Milliardenhöhe.

Hass im Internet trifft besonders häufig junge Frauen sowie Menschen mit vermeintlich sichtbarem Migrationshintergrund. Symbolfoto: Shutterstock/F01 PHOTO

„Das Internet ist einer der wichtigsten öffentlichen Debattenräume unserer Zeit. Umso besorgter blicken wir auf die Erkenntnisse aus der Studie“, so das Statement des Kompetenznetzwerks gegen Hass im Netz zur Veröffentlichung der Befragungsergebnisse. Die repräsentative Studie „Lauter Hass – leiser Rückzug“ zeigt, wie alltäglich Hass im Netz tatsächlich ist und mit welchen Folgen diese Angriffe einhergehen.

Fast jeder zweite Internetnutzer in Deutschland (49 Prozent) wurde der Erhebung zufolge schon einmal online beleidigt. Ein Viertel (25 Prozent) der Befragten wurde mit körperlicher Gewalt und 13 Prozent mit sexualisierter Gewalt konfrontiert. Besonders häufig betroffen sind nach eigenen Angaben Personen mit sichtbarem Migrationshintergrund (30 Prozent), junge Frauen (30 Prozent) und Menschen mit homosexueller (28 Prozent) und bisexueller (36 Prozent) Orientierung. Fast jede zweite junge Frau (42 Prozent) erhielt bereits ungefragt ein Nacktfoto.

Anzeige

„Es bedroht unsere Demokratie“

Das hat – so zeigt die Studie weiter – auch Einfluss auf die freie Meinungsäußerung im Netz. Mehr als die Hälfte der Befragten bekennt sich aus Angst im Netz seltener zur eigenen politischen Meinung (57 Prozent), beteiligt sich seltener an Diskussionen (55 Prozent) und formuliert Beiträge bewusst vorsichtiger (53 Prozent). 82 Prozent der Befragten fürchten, dass Hass im Netz die Vielfalt im Internet gefährdet. Mehr als drei Viertel (76 Prozent) sind besorgt, dass durch Hass im Netz auch die Gewalt im Alltag zunimmt. Der Großteil (89 Prozent) stimmt zu, dass Hass im Netz in den letzten Jahren zugenommen hat.

„Ob toxische Kommentare, Drohungen, beängstigende Kampagnen: Hass im Netz ist allgegenwärtig. Viele Menschen sind davon abgestoßen oder eingeschüchtert, halten sich zurück oder schweigen“, sagt Bundesministerin Lisa Paus (Grüne), deren Ministerium über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ das „Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz“ fördert. Dieser Rückzug gebe wiederum denen Raum, die laut und aggressiv sind. Hass im Netz „bedroht unsere Demokratie“, bewertet Paus und ergänzt: „Wir können gemeinsam etwas dagegen unternehmen.“

Empfehlungen für die Politik

Was genau? Darüber haben sich die herausgebenden Organisationen bereits Gedanken gemacht und Handlungsempfehlungen für politische Maßnahmen erarbeitet. Dabei setzen sie unter anderem auf Bildung: Schulisch sowie außerschulisch sei beispielsweise die Stärkung von Informations-, Nachrichten- und Meinungsbildungskompetenz gegen Desinformation notwendig. Sie empfehlen, kritische Medienbildung mit politischer Bildung zu verzahnen, um politische Medienbildung strukturell zu verankern. Diese soll zu einem tiefgreifenden Verständnis der gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Auswirkungen von Digitalisierung führen. „Das Ziel ist, Kritik und Urteilsfähigkeit in der mediatisierten Gesellschaft zu stärken, politische Handlungs- und Beteiligungsmöglichkeiten zu eröffnen und einen Prozess der Meinungsbildung in Gang zu setzen“, schreibt das Kompetenznetzwerk in seiner Veröffentlichung.

An anderer Stelle heißt es dazu: „Junge Menschen müssen verstehen, wie Hass im Netz zu einer Gefahr für unsere demokratischen Strukturen wird und was Begriffe wie Meinungsfreiheit und Zensur in Deutschland bedeuten.“ Fortbildungen sollten Pädagoginnen und Pädagogen daher in die Lage versetzen, „digitale Innovationen und damit verbundene soziale Praktiken aufzugreifen und daran angepasste Bildungsangebote zu entwickeln“.

Realisieren soll dies die Politik mit einer nationalen Bildungsoffensive Medienkompetenz, so die Forderung des Kompetenznetzwerks. „Dafür müssen Mittel in mindestens gleichwertiger Höhe des Digitalpakts von Bund und Ländern zur Verfügung gestellt werden.“ Sprich: 6,5 Milliarden Euro. „Die aktuelle Studie bestätigt: Hass im Netz destabilisiert die Grundfesten unserer Demokratie. Die Politik muss dringend handeln, um dieser Entwicklung etwas entgegensetzen zu können.“ News4teachers

Hier geht es zum vollständigen Ergebnisbericht.

Die Studie im Überblick
Die Studie „Lauter Hass – leiser Rückzug“ wurde 2023 von den zivilgesellschaftlichen Organisationen Das NETTZ, Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur, HateAid und Neue deutsche Medienmacher*innen als Teil des Kompetenznetzwerks gegen Hass im Netz in Auftrag gegeben. Ziel der Erhebung ist es, einen aktuellen Stand zu Hass im Netz für Deutschland abzubilden.

Im Auftrag des Kompetenznetzwerks befragte die Meinungsforschungsagentur pollytix strategic research GmbH im Zeitraum von Oktober bis November 2023 mehr als 3.000 Internetnutzer*innen in Deutschland ab 16 Jahren. Von Juli bis August 2023 führte zudem das Marktforschungsinstitut Bilendi GmbH eine Vorerhebung durch.

„Speed-Radikalisierung junger Menschen“: Bildungsstätte Anne Frank warnt vor Flut von Antisemitismus und Rassismus auf TikTok

Die mobile Version verlassen