DÜSSELDORF. Als wäre der Mangel an Nachwuchslehrkräften nicht schon schlimm genug, verweisen aktuelle Zahlen aus Nordrhein-Westfalen auf ein zusätzliches Problem, das den Personalbedarf verschärfen dürfte: Immer mehr Lehrende verlassen nach Recherchen des WDR frühzeitig den Schuldienst. Aus Sicht von Schulministerin Dorothee Feller (CDU) ist das allerdings kein Grund zur Sorge.
Die Zahl der Dienstaustritte in NRW hat sich nach Informationen, die dem WDR exklusiv vorliegen, innerhalb der vergangenen zehn Jahre mehr als verdreifacht: Sie stieg von 299 im Jahr 2013 auf 930 im Jahr 2023. Allein im Vergleich zum Jahr 2022 entschieden sich 2023 knapp 17 Prozent mehr Lehrkräfte, ihren Job aufzugeben. Nordrhein-Westfalens Schulministerin Dorothee Feller (CDU) schreckt das jedoch nicht. Sie sieht darin lediglich ein Zeichen eines grundsätzlichen gesellschaftlichen Wandels. „Es sei heute so, dass junge Menschen nicht mehr auf Dauer bei einem Arbeitgeber bleiben würden. Das sehe man auch in der Privatwirtschaft“, zitiert der WDR Feller.
VBE fordert Beratungsmöglichkeiten
Ganz anders bewertet allerdings der Verband Bildung und Erziehung (VBE) NRW die Lage: „Es reicht in dieser Situation nicht, darauf hinzuweisen, dass es sich wahrscheinlich um natürliche Fluktuationen in der Arbeitswelt handelt. Einige Gründe liegen nah: Viele Kolleginnen und Kollegen an den Schulen fühlen sich überlastet und alleingelassen. Sie können der Individualität der Schülerinnen und Schüler in den viel zu großen Lerngruppen nicht gerecht werden. Die Personalausstattung ist zu klein und an vielen Schulen fehlen immer noch multiprofessionelle Teams. Anforderungen und Erwartungen an das, was Schule zu leisten hat, werden jedoch immer größer statt kleiner“, kommentiert VBE-Landesvorsitzenden Anne Deimel.
Hinzu komme, so Deimel, dass auch die schlechten Ergebnisse der jüngsten Bildungsstudien wie IQB, IGLU, PISA und Co. nicht zu besseren Rahmenbedingungen an den Schulen geführt hätten. „Den Beschäftigten in den Schulen wird immer wieder Entlastung versprochen, jedoch spüren sie diese in ihrem Alltag nicht. Stattdessen müssen sie beispielsweise darum kämpfen, ihre Teilzeit genehmigt zu bekommen oder nicht gegen ihren Willen abgeordnet zu werden.“ Die Landesregierung sei gefordert, Dienstaustritte nicht einfach hinzunehmen, sondern Beratungsmöglichkeiten für Kolleginnen und Kollegen anzubieten, die überlegen, den Schuldienst zu verlassen.
„Es ist eine hohe psychosoziale Belastung“
Erfahrung mit Lehrkräften, die sich vorstellen können, aus dem Lehrerberuf auszusteigen, hat Isabell Probst – sie berät Lehrerinnen und Lehrer, die mit diesem Gedanken spielen. Das Problem sei relativ vielschichtig, sagt sie gegenüber News4teachers (hier geht es zum vollständigen Interview). Ausschlaggebend sei etwa die hohe psychosoziale Belastung von Lehrkräften. „Das war auch schon vor dem Lehrermangel so. Das ist einfach ein Kontaktberuf, der einem sehr viel Präsenz abfordert und der emotional sehr belastend ist. Also es ist eine hohe psychosoziale Belastung, eine Überfrachtung mit Aufgaben, und das aber gepaart mit mangelnder Wertschätzung für die erbrachte Leistung.“ Aus dem Lehrerberuf auszusteigen, sei allerdings eine große Weichenstellung im Leben. „Das macht man in der Regel nur, wenn sich viele komplexe Gründe über einen längeren Zeitraum akkumuliert haben“, sagt Probst. Sie widerspricht der Einschätzung Fellers: „Das macht niemand aus einer spontanen Laune heraus.“ News4teachers
Zahl der verbeamteten Lehrkräfte, die den Schuldienst quittieren, verdreifacht sich