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Studie: Sozioökonomischer Status prägt elterliches Förderverhalten (nur nicht, wie gedacht)

ROSTOCK. Eltern reagieren einer aktuellen Studie zufolge unterschiedlich auf die Schulleistungen ihrer Kinder. Während diejenigen aus höheren Einkommensschichten Kinder mit schlechteren Schulnoten tendenziell stärker unterstützen, machten Eltern mit niedrigem Einkommen keine Unterschiede.

Eltern aus höheren und niedrigeren Einkommensschichten reagieren unterschiedlich auf die Schulleistungen ihrer Kinder. Das hat möglicherweise soziale Folgen. Foto: Shutterstock

Ob ein Kind gute oder schlechte Schulnoten mit nach Hause bringt, kann Einfluss darauf haben, in welchem Maß Eltern ihre Kinder unterstützen. Diese auf den ersten Blick zumindest teilweise selbstverständlich erscheinende Feststellung ist in der Vergangenheit breit erforscht worden. In einem Großteil der bisherigen Forschung wurde angenommen, dass Eltern mit höherem sozioökonomischem Status eher das Kind mit schlechteren Schulnoten unterstützen als das Kind mit guten Schulnoten zusätzlich zu fördern. In Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status steht dagegen die Annahme im Raum, dass eher nur das Kind mit den besten Aufstiegschancen gefördert wird.

Philipp Dierker vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) und Martin Diewald (Universität Bielefeld) haben genauer hingesehen. Anhand von Daten aus der deutschen Längsschnitt-Zwillingsfamilienstudie TwinLife haben die beiden Soziologen untersucht, wie sich das Unterstützungsverhalten von Eltern gegenüber ihren Kindern je nach schulischer Leistung in Form von Schulnoten verändert. „Im Gegensatz zur bisherigen Forschung haben wir uns nicht auf die kognitiven Fähigkeiten der Kinder konzentriert. Wir haben untersucht, wie Eltern ihre Kinder unterstützen – gemessen an den Schulnoten, die von Eltern objektiv als gut oder schlecht eingeordnet werden können – und die Reaktionen der Eltern auf diese Schulnoten ihrer Kinder ausgewertet“, erklärt Dierker.

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Zwillingsstudie als Datengrundlage
Dierker und Diewald verwendeten Daten aus den ersten drei Erhebungswellen der TwinLife-Studie. Dabei werteten sie die Ergebnisse der Kohorten der Geburtsjahrgänge 2003 und 2004 für eineiige und zweieiige gleichgeschlechtliche Zwillinge aus. Zum Zeitpunkt der ersten Befragung waren die Kinder im Durchschnitt 11 Jahre alt, in der dritten Befragungswelle durchschnittlich 13 Jahre. „Besonders vorteilhaft ist, dass hier die Kinder direkt gefragt wurden, wie stark sie von ihren Eltern unterstützt werden. So können wir ausschließen, dass Eltern ihre eigene Unterstützung für die Kinder beschönigen, um in ihrer eigenen Wahrnehmung kein Kind zu vernachlässigen“, so Dierker.

Die Forscher ermittelten anhand der Befragung der Jugendlichen, in welcher Form Eltern ihre Kinder unterstützten:

Über drei Erhebungswellen hinweg werteten die Forscher aus, wie sich diese drei Formen im Zusammenhang mit den Schulnoten der Zwillingskinder veränderten. Die Untersuchung von Zwillingspaaren bringe zwar einige Einschränkungen mit sich, räumt Philipp Dierker ein. So könnten etwa systematische Unterschiede darin bestehen, wie Eltern von Zwillingen und Eltern von Nicht-Zwillingen ihre Kinder behandeln. In der bisherigen Forschung seien diese Bedenken, die darauf abzielten, dass Zwillinge von ihrem engsten Umfeld anders behandelt werden als Geschwister, jedoch nicht bestätigt worden, „weswegen wir unsere Ergebnisse für generalisierbar halten, auch über Zwillingsfamilien hinaus“, so der Soziologe.

Elterngruppen fördern ihre Kinder unterschiedlich
Im Hinblick auf die Förderung der Kinder aus Familien mit niedrigem oder hohem Einkommen bringt die Studie besonders zwei Erkenntnisse. Aus den Ergebnissen ihrer Studie hätten sie schließen können, dass in Familien mit einem niedrigeren sozioökonomischen Status die Eltern keine Unterschiede in der Förderung ihrer Kinder mache, stellt Dierker fest. „Die Vermutung, dass Familien mit niedrigerem sozialem Status die Kinder mit den besten Aufstiegschancen besonders fördern, wird durch unsere Studie nicht bestätigt“.

Allerdings belegten die Untersuchungen, dass in Familien mit höherem sozioökonomischem Status die Eltern tatsächlich das Kind mit den schlechteren Schulnoten stärker förderten. Mutmaßlich spiele hier die Angst vor einem sozialen Abstieg eine besondere Rolle. Eine solche Motivation sei bei Familien mit höherem sozialem Status größer. „Hier beobachten wir, dass mehr Unterstützung bei den Hausaufgaben und der schulischen Kommunikation geleistet wird und auch mehr Erwartungen und Ermutigungen formuliert werden. Unsere Annahme ist, dass hoch gebildete Eltern versuchen, ihr möglicherweise weniger begabtes Kind auch durch solche Formen der Unterstützung zu fördern, die nicht direkt auf die Förderung kognitiver Fähigkeiten abzielen.“

Ob diese Unterstützung Wirkung zeigt und ob diese Bemühungen erfolgreich sind, könne die aktuelle Studie noch nicht zeigen. Dazu müssten in Zukunft laut Dierker und Diewald weitere Erhebungswellen untersucht werden. Dennoch sei die vorliegende Untersuchung für die soziale Mobilitätsforschung von Bedeutung, so die Forscher: „Leistungsstarke Kinder aus unteren sozialen Schichten verfügen nicht über dieselben Ressourcen, Netzwerke und Unterstützungsmaßnahmen wie Kinder aus höheren sozialen Schichten, die von ihren Eltern vor dem sozialen Abstieg geschützt werden. Es bleibt die Frage, wie stark diese Unterschiede in der elterlichen Unterstützung der eigenen Kinder zu einer geringen sozialen Mobilität beitragen“, denn Eltern leistungsstarker Kinder aus unteren sozialen Schichten verfügten in der Regel nicht über die gleichen Ressourcen und Strategien, wie die Eltern weniger leistungsstarker Kinder aus höheren sozialen Schichten. (zab, pm)

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