FRANKFURT/MAIN. Vor den anstehenden Verhandlungen über den Bundeshaushalt 2025 mahnt die GEW eine Versachlichung der Debatte in der Regierung und «eine Abkehr von einer vergifteten Vorwahlkampfrhetorik» an. Insbesondere einen nimmt die Gewerkschaft in die Pflicht. Unterdessen streitet die Koalition weiter öffentlich um die Kindergrundsicherung.
«Es ist nicht nachvollziehbar, wie gestandene Politikerinnen und Politiker in Zeiten multipler Krisen versuchen, die schwächsten Gruppen in der Gesellschaft gegeneinander auszuspielen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) treibt ein gefährliches Spiel, wenn er glaubt, die Attraktivität seiner Partei dadurch zu steigern», sagte GEW-Vorsitzende Maike Finnern. Im Zuge der anstehenden Haushaltsverhandlungen wurden Pläne öffentlich, sowohl den quantitativen Ausbau als auch die qualitative Weiterentwicklung der Kindertagesstätten nicht länger durch Bundesmittel mitzufinanzieren.
Deshalb begrüße die GEW den Vorstoß des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) sowie der Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK), die sich in der vergangenen Woche mit einem Letter of Intent erneut zu dem bereits 2014 begonnenen Prozess für ein bundesweites Kita-Qualitätsgesetz bekannt haben. «Die Länder und das Familienministerium haben durch den gemeinsamen Vorstoß zur qualitativen Weiterentwicklung der Kitas gezeigt, wer die Verantwortung dafür trägt, dass die Vereinbarung des Koalitionsvertrags eingehalten wird. Jetzt beweist sich, ob die Forderung nach der ‚besten Bildung‘ für die FDP mehr ist als Wahlkampfrhetorik», betonte Finnern. Es müsse ein ganzheitlicher Diskurs über Bildung geführt werden.
«Wir können die Frage nach der Zukunft der Bundesrepublik nicht beantworten, wenn wir nicht die Bildungsinfrastruktur so aufstellen, dass diese zukunftsfähig ist»
Der Besuch einer Kindertageseinrichtung sei eine weichenstellende Etappe in der Bildungsbiografie eines Kindes. Kitas seien neben der Familie der wichtigste Bildungsort der Kinder. «Wir können die Frage nach der Zukunft der Bundesrepublik nicht beantworten, wenn wir nicht die Bildungsinfrastruktur so aufstellen, dass diese zukunftsfähig ist», hob Finnern hervor. «Es ist unerträglich, ansehen zu müssen, wie versucht wird, einen Keil zwischen die effektive Bekämpfung von Armut und das Recht der Kinder auf Bildung, Betreuung und Erziehung zu treiben. Beides gehört unbedingt zusammen. Gerade die Pädagoginnen und Pädagogen müssen sich dafür stark machen, dass die Bundesregierung die Prioritäten richtig setzt und ihre Stärke als eine der größten Volkswirtschaften der Welt nutzt.»
Die Bundesregierung müsse nachsteuern und mit nachhaltigen Investitionen sowie einer groß angelegten Fachkräfteoffensive die Schieflage im Bildungsbereich gemeinsam mit den Ländern mit Priorität beseitigen. «Die GEW erwartet von den zuständigen Ministerien und der Bundesregierung ein schnelles und abgestimmtes Handeln. Bei den kommenden Haushaltsverhandlungen muss der Bundeskanzler mit seiner Richtlinienkompetenz eine klare Ansage machen, um im nächsten Schritt die Investitionen in die Zukunft einer gerechteren Gesellschaft nachhaltig im Bundeshaushalt zu verankern», sagte die GEW-Vorsitzende.
Die FDP-Spitze lässt unterdessen mit ihrer Kritik an den Plänen von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) zur Kindergrundsicherung nicht locker. Die ursprüngliche Idee sei es gewesen, die bereits vorhandenen Angebote zu bündeln und die Zugangsmöglichkeiten zu erleichtern, sagte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in Berlin. «Kinder aus der Armut zu holen, ist unser Ziel. Aber es ist niemals unser Ziel gewesen, eine neue Behörde zu schaffen und in Bürokratie und Verwaltung zu investieren.»
Der FDP-Politiker wies auch die Auffassung von Paus zurück, es gebe bei Sozialleistungen eine Bringschuld des Staates. «Diese Auffassung teile ich nicht», betonte Djir-Sarai. «Meine Vorstellung ist, dass wir auf Eigenverantwortung setzen und die Eigenverantwortung an der Stelle stärken.» Kern von Kinderarmut in Deutschland sei in der Regel die Erwerbslosigkeit der Eltern. «Da müssen wir ran und die Anreize schaffen, damit die Menschen zurückkehren können zum Arbeitsmarkt.»
Hintergrund: Mit der Kindergrundsicherung sollen bisherige Leistungen wie das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder der Kinderzuschlag in einer einzigen Leistung gebündelt werden. Sie gilt als das sozialpolitische Prestigeprojekt der Grünen. Laut dem dazu bislang vorliegenden Entwurf umfasst die Kindergrundsicherung drei Bestandteile: einen einkommensunabhängigen Garantiebetrag, der das bisherige Kindergeld ablöst, einen einkommensabhängigen und nach Altersklassen gestaffelten Zusatzbetrag, der den Kinderzuschlag ablöst sowie ein pauschales Schulbedarfspaket und weitere Beträge für Bildung und Teilhabe.
«Es braucht keine neue Behörde, die ein System nur weiter bürokratisch aufbläht, das insgesamt nicht zielführend wirkt»
Die FDP hatte zuletzt vor allem kritisiert, dass für die Umsetzung der Kindergrundsicherung bei den örtlichen Familienbehörden 5000 zusätzliche Stellen geschaffen werden sollen – und Paus‘ Gesetzentwurf als nicht zustimmungsfähig bezeichnet.
Die bemühte sich am Wochenende um Deeskalation. «Ich bin mir sicher, dass unter anderem durch Synergieeffekte und konsequente Digitalisierung die Gesamtzahl der Stellen noch reduziert werden kann», sagte Paus. «Ich kann verstehen, dass die Zahl, die im Umlauf ist, Diskussionen verursacht. Es handelt sich dabei um Prognosen der Bundesagentur für Arbeit. Natürlich schauen wir uns sehr genau an, wo es Möglichkeiten zur Reduzierung des Verwaltungsaufwandes gibt.»
Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Gyde Jensen äußerte dennoch Bedenken und forderte eine gründliche Überarbeitung der Pläne der Familienministerin. Sie sagte: «Es braucht keine neue Behörde, die ein System nur weiter bürokratisch aufbläht, das insgesamt nicht zielführend wirkt.» Auf die Äußerung von Paus reagierte Jensen mit den Worten: «Wir verhandeln deshalb auch nicht in der Öffentlichkeit über die Anzahl der Bürokratiestellen.» Und weiter: «Der Arbeitsauftrag für die Familienministerin ist klar. Bis jetzt ist sie ihm nicht nachgekommen.» News4teachers / mit Material der dpa
Kindergrundsicherung: Ampel zofft sich wieder – Lindner nennt Paus‘ Vorstellungen „verstörend“