Website-Icon News4teachers

“Offen gezeigte Hitlergrüße”: Schülervertretungen fordern mehr Engagement gegen Rechtsextremismus an Schulen

BERLIN. Die Schülervertretungen der sechs ostdeutschen Bundesländer haben zunehmenden Rechtsextremismus an Schulen beklagt – und ein entschiedenes Gegensteuern gefordert. «Völkische Narrative, antisemitische Verschwörungstheorien und extremistisches Gedankengut treten auch im Raum Schule immer häufiger zutage und treffen dabei auf eine Schulgemeinschaft, die personell, materiell und vom Wissen her schlecht vorbereitet ist», heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten gemeinsamen Erklärung der Landesschülerräte in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Provokationen mit rechtsradikalen Symbolen nehmen in Schulen zu (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Die Oberschule Burg im Spreewald war im vergangenen Jahr bundesweit in die Schlagzeilen geraten, weil zwei Lehrkräfte in einem Brandbrief geschildert hatten, dass sie an der Schule täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert seien. Danach waren sie rechten Anfeindungen ausgesetzt und sahen sich gezwungen, die Schule zu verlassen (News4teachers berichtete). In der Folge meldeten zahlreiche Schulen der Region Vorfälle mit rechtsextremem Hintergrund.

Im Netz kursiert dieses Foto, das Schüler der Oberschule im brandenburgischen Burg zeigen soll. Foto: Screenshot

«Rechtsextremismus ist ein aktuell steigendes Problem der Gesellschaft, bei dem wir feststellen müssen, dass es keinen Halt vor den Toren der Schulen macht», so heißt es nun in dem Papier der Schülervertretungen. «Tische und Wände, welche mit Hakenkreuzen versehen sind, Klassen- oder Jahrgangsgruppen gefüllt mit verfassungsfeindlichen Symbolen oder auch offen gezeigte Hitlergrüße im Schulumfeld sind an manchen Stellen keine Randphänomene mehr.» Zwar könne nicht bei jedem Auftreten solcher Aktionen von Jugendlichen sofort auf eine tief verankerte rechte Gesinnung geschlossen werden. «Klar ist aber, dass die Hemmschwelle an vielen Stellen sinkt, das Bewusstsein für die Bedeutung solcher Taten wird geringer und die Bereitschaft, verfassungsfeindliche Aussagen als legitime Meinungsäußerung einzustufen, höher.»

Anzeige

“Wir müssen feststellen, dass moderner Rechtsextremismus mittlerweile in anderen, meist verschleierten Formen auftritt”

Deutschland trage aufgrund seiner Vergangenheit nicht nur eine besonders große Verantwortung dafür, dass Rechtsextremisten «nie wieder” an die Macht gelangen dürften, sondern besitze eben auch einen konkreten historischen Hintergrund besitzt, der beim Kampf gegen verfassungsfeindliche Gesinnungen genutzt werden müsse. «Durch das Einbeziehen von konkreten geschichtlichen Beispielen können so abstrakte gesellschaftliche Entwicklungen greifbarer dargestellt und durch das entsprechende Bewusstsein dafür ein wirksamer Schutz aufgebaut werden. Offensichtlich ist aber auch, dass die Taten vom Nazi-Deutschland immer weiter in der Vergangenheit liegen und die jungen Menschen dadurch immer weniger direkten Bezug zu der Zeit spüren. Gespräche mit Zeitzeugen werden immer seltener und auch in den Familien liegen mittlerweile mehrere Generationen zwischen der Kriegsgeneration und der heutigen Gen Z.»

Folglich müsse auch an dieser Stelle die Institution Schule ein ausreichend großes Wissen über die Vergangenheit sicherstellen. Erreicht werden könne das durch eine Stärkung des Geschichtsunterrichts.

«Wir müssen aber auch feststellen, dass moderner Rechtsextremismus mittlerweile in anderen, meist verschleierten Formen auftritt. Besonders im digitalen Raum beeinflussen Algorithmen, teils durch KI generierte Fake News und breitgefächerte Propaganda, immer stärker die Meinungsbildung der Gesellschaft. Besonders junge Menschen, welche nicht den Umgang mit modernen Informationsquellen erlernen, sind dafür anfällig, sich über das Netz zu radikalisieren und Grundprinzipien einer Demokratie zu hinterfragen», so schreiben die Schülervertretungen.

«Umso wichtiger ist es, in der Schule den Umgang mit diesen Medien zu lehren und gleichzeitig über die Methoden der modernen Rechte aufzuklären. Auch sollten die Fächer wie Politik oder Sozialkunde ausgebaut und im Wahlpflichtbereich attraktiver gemacht werden. Auch in der Sekundarstufe II müssen entsprechende Fächer angeboten und gefördert werden.»

“Im Unterricht sollte fächerübergreifend der demokratische Streit, eine fundierte politische Urteils- und Meinungsbildung sowie ein wertschätzendes Miteinander erlernt werden”

Weiter heißt es: «Dabei sollte im Unterricht fächerübergreifend der demokratische Streit, eine fundierte politische Urteils- und Meinungsbildung sowie ein wertschätzendes Miteinander erlernt werden. Lehrkräfte sollen dabei die Rolle von Mentoren einnehmen, welche die richtigen Methoden an die Hand geben, bei der Informationsbeschaffung unterstützen und für einen gerechten Diskurs sorgen. Dadurch soll in der Schule ein Umfeld entstehen, in dem offen und quellenkritisch diskutiert werden kann. Dafür sollten Pädagogen entsprechend ausreichend weitergebildet und ausgestattet werden. Auch sollten Fortbildungsmöglichkeiten für den Umgang mit rechtem Gedankengut und Radikalisierungen bei Lernenden angeboten werden, sodass das Personal mit dem aktuellen Problem nicht allein und unvorbereitet gelassen werden.»

Außerdem sollten Projekte gefördert werden, die die Vorteile einer pluralistischen Gesellschaft hervorheben und interkulturellen und internationalen Austausch als Ziel hätten – Schulpartnerschaften beispielsweise. «Auch müssen mittelbare Faktoren, welche eine Extremisierung begünstigen, erkannt und abgeschafft werden. Dazu zählt die Schaffung einer flächendeckenden Chancengerechtigkeit, der Ausbau von Resilienzen innerhalb der Schülerschaft und die Verringerung von Einsamkeitserfahrungen bei jungen Menschen.» News4teachers / mit Material der dpa

GEW-Chefin Finnern fordert Lehrkräfte auf, „die Auseinandersetzung mit der AfD auch im Klassenraum zu suchen“

Die mobile Version verlassen