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AfD-naher Oberbürgermeister zum Schulfest eingeladen – Gymnasiasten protestieren

PIRNA. Der Pirnaer OB Tim Lochner steht der AfD nahe, auch wenn er selbst kein Mitglied der Partei ist – er war deren Kandidat. Jetzt wehren sich Gymnasiasten in der sächsischen Stadt dagegen, dass Lochner zu ihrem Schulfest eingeladen wird. Sie erinnern daran, dass der Verfassungsschutz den Landesverband der AfD im Freistaat als «gesichert rechtsextremistisch» einstuft.

«Typische völkisch-nationalistische Positionen»: Anti-AfD-Protest (in Braunschweig). Foto: Shutterstock / geogif

Schülerinnen und Schüler des Pirnaer Friedrich-Schiller-Gymnasiums wehren sich gegen eine Teilnahme von Oberbürgermeister Tim Lochner (parteilos) an einem Schulfest an diesem Mittwoch. In einem am Wochenende veröffentlichten Brief wird die Schulleitung aufgefordert, das Stadtoberhaupt wieder auszuladen. Lochner (54) hatte im vergangenen Dezember für die AfD das Rathaus in Pirna erobert. Er war von der Partei als Kandidat aufgestellt worden, nachdem er ihrer Fraktion beigetreten war.

In ihrem Schreiben erinnern die Gymnasiasten daran, dass Lochner als Kandidat einer Partei antrat, deren sächsischer Landesverband vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird. Lochner vertrete Positionen, die sich in keiner Hinsicht mit dem erst vor wenigen Monaten beschlossenen Leitbild der Schule vereinbaren ließen, hieß es unter anderem. Der Brief ist von etwa 100 Schülerinnen und Schülern sowie von vielen Eltern und Absolventen des Gymnasiums unterzeichnet.

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“Eine derart rassistische Ausprägung des Volksbegriffs, wie ihn die AfD Sachsen öffentlich vertritt, hat seine Wurzeln im historischen Nationalsozialismus”

Hintergrund: Dem sächsischen Verfassungsschutz zufolge richten sich zahlreiche inhaltliche Positionen des AfD-Landesverbands gegen die Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Menschen mit Migrationshintergrund würden als Menschen zweiter Klasse angesehen und pauschal verächtlich gemacht. «Eine derart rassistische Ausprägung des Volksbegriffs, wie ihn die AfD Sachsen öffentlich vertritt, hat seine Wurzeln im historischen Nationalsozialismus», heißt es. Der AfD-Landesverband vertrete «typische völkisch-nationalistische Positionen» und bediene sich zudem gängiger antisemitischer, zumeist verschwörungsideologischer Positionen, die regelmäßig auch von Rechtsextremisten und Reichsbürgern verwendet werden. (Hier geht es zu einer Erklärung des Verfassungsschutzes.)

Lochner selbst will dennoch am Fest teilnehmen – «auch um medial und auf andere Weise angereicherte Vorurteile und Fehlwahrnehmungen abzubauen», wie es aus dem Büro des Oberbürgermeisters hieß. «Denn im Gespräch zu bleiben, auch zu kontroversen Themen, liegt im Interesse der gesamten Stadtgesellschaft. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass immer stärker hervortretende Tendenzen zur Verächtlichmachung und Dehumanisierung politisch Andersdenkender um sich greifen» (womit offenbar die Kritik an der AfD gemeint ist, nicht die Hetze der Partei selbst). Lochner sei bewusst, dass sein Erscheinen beim Schulfest «zwar nicht auf einhellige Zustimmung» stoße, aber als «nützlicher Beitrag zum fairen Miteinander» verständlich gemacht werden könne.

Dabei provoziert Lochner selbst. Erst vor wenigen Wochen hatte er die evangelische Kirchgemeinde und ihren Pfarrer öffentlich mit einem NS-Vergleich belegt, weil die eine Regenbogenflagge gehisst hatte. «Wenn wir ganz tief recherchieren, werden wir Belege finden, dass auch Fahnen mit Kreuz und Haken an der Marienkirche hingen… Kurz: es war Staatskirche, es ist Staatskirche», so behauptete Lochner auf Facebook.

“Nun gibt es mehrere Wege des Umgangs miteinander und ich habe mich für den schwierigeren Weg entschieden”

Der Kirchenvorstand erklärte dazu: «Dies ist schwer erträglich und inhaltlich falsch. Die evangelische Kirche hat die Fehler von Teilen ihrer Institution während der Jahre zwischen 1933 und 1945 erkannt und bereut. Sie hat sich dazu in der Stuttgarter Schulderklärung am 19. Oktober 1945 bekannt und darin formuliert: ‚Wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.‘ Eben diesen Fehler wollen wir heute nicht wieder begehen und wollen ‚mutig bekennen‘, dass Offenheit und Toleranz zu unserem Grundverständnis gehören.»

Aber offenbar nicht zum Grundverständnis des Oberbürgermeisters. Schulleiter Kristian Raum verteidigt trotzdem die Einladung, räumt dabei aber Diskussionen um die Person des Politikers ein. «Nun gibt es mehrere Wege des Umgangs miteinander und ich habe mich für den schwierigeren Weg entschieden, weil er aus meiner Sicht der richtige ist: miteinander reden, einen Diskurs anbieten und den Oberbürgermeister als den für Pirna Verantwortlichen in die Verantwortung nehmen. Der Besuch der Schulen der Stadt Pirna gehört zu seinen Dienstpflichten», argumentiert er. News4teachers / mit Material der dpa

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