STENDAL. Damit weniger Unterricht ausfällt, müssen Lehrkräfte in Sachsen-Anhalt eine Stunde pro Woche mehr unterrichten. Eine Grundschullehrerin aus der Altmark weigerte sich und wurde gekündigt. Auf ihre Klage dagegen folgt nun das Urteil. Sie verliert.
Das Land Sachsen-Anhalt hat einer Grundschullehrerin zurecht gekündigt, nachdem sie die verpflichtende Zusatzstunde pro Woche nicht leisten wollte. Das Arbeitsgericht Stendal wies ihre Klage gegen die Kündigung nun ab, wie ein Sprecher mitteilte. Das Gericht verwies auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom März 2024, mit der die Vorgriffsstunde bestätigt wurde.
Um für weniger Unterrichtsausfall zu sorgen, müssen Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen-Anhalt seit den Osterferien 2023 eine Stunde pro Woche zusätzlich vor der Klasse stehen. Diese Stunde können sie sich auszahlen lassen oder auf einem Arbeitszeitkonto ansammeln. Im konkreten Fall am Arbeitsgericht Stendal ging es um eine Grundschullehrerin, die laut Gericht seit 1991 beim Land beschäftigt ist. Das Land hatte die Frau zunächst abgemahnt, nachdem sie die angeordnete Vorgriffsstunde ab April 2023 nicht leisten wollte. Bei der weiteren Weigerung wurde der Frau gekündigt.
Das Landesschulamt hatte die Kündigung zuvor verteidigt. Die betreffende Lehrkraft habe sich seit geraumer Zeit und mehrmals geweigert, die Vorgriffsstunde zu leisten. Dies stelle eine Arbeitspflichtverweigerung dar, die Konsequenzen nach sich ziehe. Alle milderen Mittel, darunter ein Personalgespräch und eine Abmahnung, seien ausgeschöpft worden, hieß es. „Der Personalrat hat darum letztlich auch keine Einwände gegen die Kündigung erhoben.“ Die Lehrerin habe genau gewusst, „zu welchen Konsequenzen ihr Handeln führen wird“.
Die Maßnahme des von der CDU-Politikerin Eva Feußner geführten Bildungsministeriums hatte wütende Proteste in der Lehrerschaft ausgelöst (News4teachers berichtete). So kündigte die GEW an, das Land deshalb mit einer Klagewelle überziehen zu wollen. Tatsächlich waren zwei – offenbar von der Gewerkschaft unterstützte – Normenkontrollverfahren beim Oberverwaltungsgericht von Sachsen-Anhalt anhängig (News4teachers berichtete auch darüber). Sie zielten darauf ab, Regelungen zur Einführung eines Langzeitarbeitskontos für Lehrkräfte und zur Änderung arbeitszeitrechtlicher Vorschriften im Schuldienst für unwirksam zu erklären, wie eine Gerichtssprecherin erklärte.
Allerdings: vergeblich. Anfang März lehnte das Gericht in Magdeburg die beiden Normenkontrollanträge einer verbeamteten Lehrerin aus Magdeburg und eines angestellten Lehrers aus Haldensleben ab. Aus Sicht des Gerichts ist die entsprechende Verordnung des Bildungsministeriums nicht zu beanstanden. Sie sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Es handele sich nicht um eine Erhöhung der Regelarbeitszeit für die Lehrer, so der Vorsitzende Richter. Vielmehr sei es eine Arbeitszeitverschiebung, die Unterrichtsstunden würden vorgezogen. Das Ziel des Landes, zusätzliche Unterrichtseinheiten zu generieren, werde erreicht. Auch gegen Arbeitszeitrichtlinien werde aus Sicht des Gerichts nicht verstoßen. Dass Teilzeitkräfte einbezogen werden, hält das Gericht ebenfalls für unproblematisch.
Die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Eva Gerth, erklärte seinerzeit, sie sei tief enttäuscht und mit ihr Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen. Die Belastung der Kollegen sei hoch – der Krankenstand der alternden Lehrerschaft werde sich weiter erhöhen. Zu erwarten sei darüber hinaus eine weitere Fluktuation aus dem Beruf, «da Lehrkräfte eben nicht dauerhaft am Limit arbeiten können». Das Thema Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte bleibe. Sie gehe davon aus, dass es viele Einzelklagen an den Arbeitsgerichten geben werde. Gerth verwies auf erhebliche Probleme bei der Auszahlung der geleisteten Vorgriffsstunden.
Auch die Lehrerin der Grundschule Henningen bei Salzwedel wehrte sich einem Bericht des MDR zufolge gegen die vom Bildungsministerium verfügte Zusatzstunde. Von Anfang an habe sie in ihrem Kollegium erklärt, dass sie damit nicht einverstanden sei – und ihre Ablehnung mit den hohen Belastungen im Schuldienst begründet. Zu unterrichten sei nicht mit früheren Zeiten zu vergleichen, sagt die 60-Jährige gegenüber dem Sender: Klassen mit 27, 28 Schülern, Kinder mit unterschiedlichsten Voraussetzungen und Ansprüchen. Manchen Mädchen und Jungen fehle der Wille zu lernen, andere seien in ihrer Aufmerksamkeit und ihren Aufnahmefähigkeiten eingeschränkt.
Manche ihrer Kollegen hätten mit Unverständnis reagiert, andere ihre Bewunderung für ihren Mut ausgedrückt. Auch ein Personalgespräch und eine Abmahnung hätten sie von ihrer Meinung nicht abgebracht. Daraufhin erfolgte die Kündigung aus dem Schuldienst – fristlos. „Durch Ihr Verhalten haben Sie das Vertrauensverhältnis zu Ihrem Arbeitgeber nachhaltig und unwiederbringlich zerstört“, so heißt es in dem Schreiben des Schulamts, das dem Sender vorliegt. News4teachers / mit Material der dpa
