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Genderverbote: Bayerns Kultusminister Anna Stolz setzt nun sogar Paarformen (“Schülerinnen und Schüler”) auf den Index

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MÜNCHEN. Der Kulturkampf geht weiter: Die bayerische Staatsregierung bereitet eine Ausweitung ihrer Genderverbote an Schulen und Hochschulen vor. Nun sollen auch Lehrmittel unter die Vorgaben fallen – dies sieht eine Neufassung der Zulassungsverordnung vor, an der das Kultusministerium arbeitet. Sogar Paarformen wie „Schülerinnen und Schüler” kommen damit auf den Index. Die GEW hält das für abstrus.  

Neue Entwicklung: Kehrwende bei Genderverboten: Paarformen (auch „übertriebene“) bleiben jetzt doch in Lehrmitteln erlaubt

Will eine “einheitliche Schreibweise an Schulen” durchsetzen: Die Juristin Anna Stolz (Freie Wähler – ohne “innen”) führt das bayerische Kultusministerium. Foto: Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus

„Jeder Bewohner Bayerns hat das Recht, seine Meinung durch Wort, Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger Weise frei zu äußern.“ Das garantiert die Bayerische Verfassung. Sie legt auch fest: „Vorzensur ist verboten.“

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Die aber scheint die Staatsregierung vorzuhaben – aus Sicht der GEW jedenfalls. Der Anlass: Das Kultusministerium will in der Folge des von CSU und Freien Wählern erlassenen Genderverbots in Schulen, Hochschulen und Behörden nun auch den Schulbuchverlagen und anderen Anbietern verbieten, Sonderzeichen wie Gendersterne in Schulbüchern und allen anderen Lehrmaterialien zu verwenden. „Dass es hier nicht nur um die bloß formale Beachtung von Rechtschreibregeln geht, sondern um das Äußern von inhaltlichen Standpunkten, sprich Meinung, ist offensichtlich“, so stellt die GEW Bayern in einer Pressemitteilung fest.

Das von der Freie-Wähler-Politikerin Anna Stolz geführte Kultusministerium wolle die sogenannte Zulassungsverordnung ändern und hier „sprachliche Vorgaben“ (so der Originalton in den Unterlagen zur Verbändeanhörung) machen: „Lernmittel …werden…nur zugelassen, wenn sie… keine mehrgeschlechtlichen Schreibweisen durch Wortbinnenzeichen wie Genderstern, Doppelpunkt, … enthalten sowie übertriebene Paarformbildung vermeiden“, heißt es im Wortlaut. Ziel sei, so die Begründung, „eine einheitliche…Schreibweise an Schulen.“

Pikant: Paarformen („Schülerinnen und Schüler“) werden selbst vom Rat der Deutschen Rechtschreibung verwendet, auf den sich die bayerische Landesregierung bei ihren Genderverboten beruft. Der Rat hatte unlängst noch bekräftigt, dass Wortbinnenzeichen wie der Genderstern „nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie“ gehören. Gleichzeitig betonte er nochmal seine Auffassung, dass alle Menschen mit geschlechtergerechter Sprache angesprochen werden sollen.

Zu den Plänen der Staatsreigerung sagt Florian Kohl, stellvertretender Vorsitzender der GEW Bayern: „Dies wäre ein eindeutiger gesellschaftlicher, emanzipatorischer und menschenrechtlicher Rückschritt. Das hier fortgeführte und ausgeweitete Genderverbot soll offenbar allein den regierenden Verbotsparteien CSU und FW dienen, als durchsichtiges rechtspopulistisch ausgerichtetes wahltaktisches Manöver.“ Die GEW Bayern und der DGB Bayern lehnten in der Anhörung des Ministeriums diese Änderung der Zulassungsverordnung ab und forderten, die geplante Ausweitung des Genderverbots zu unterlassen.

Die unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung stellt in ihrer Broschüre „Rechtliche Einschätzung staatlicher Genderverbote“ fest: „In einem freiheitlich-demokratisch ausgestalteten Gemeinwesen können Schulen offen für unterschiedliche Meinungen sein, so das Verwaltungsgericht Berlin in einer Entscheidung 2023. Die Benutzung genderneutraler Sprache in Lehrmaterialien und Arbeitsblättern sei legitim, da genderneutrale Sprache selbst Gegenstand von Unterrichtseinheiten sei. Das Gericht führt aus, dass ‚auch durch die Nichtverwendung von genderneutraler Sprache eine politische Zuschreibung in Betracht kommen‘ kann. Vom Lehrpersonal könne daher auch unter dem Aspekt des ‚Neutralitätsgebotes‘ kein Verzicht auf geschlechtergerechte Schreibweisen verlangt werden.” (News4teachers berichtete.)

Dazu Martina Borgendale, Vorsitzende der GEW Bayern, betont: „Es sollte den Autor*innen und den Verlagen überlassen bleiben, wie sie geschlechtergerechte Sprache in ihren Lehrmitteln verwirklichen. Überflüssige Verbote sind nicht zielführend. Der leicht nachvollziehbaren gerichtlichen Begründung steht die vorgelegte Änderung der Staatsregierung vollkommen entgegen. Diese droht sinnvolle und geradezu gebotene Aufbereitung von Lehrmitteln zu verhindern.“

„Ich frage mich schon, wie weit es die Staatsregierung noch treiben will. Das Argument der besseren Lesbarkeit ist damit nun endgültig entzaubert und der Willkür Tür und Tor geöffnet”

Besonders verärgert zeigt sich Borgendale darüber, dass Klaus Holetschek, Fraktionsvorsitzender der CSU, in einem Antwortschreiben auf den „Offenen Brief“ der GEW und anderer Organisationen vom Februar 2024 gegen das „Genderverbot“ noch formuliert: „Unsere Haltung ist und bleibt, dass grundsätzlich jedes Geschlecht in gleicher Weise angesprochen werden soll. Dies kann insbesondere durch Paarformeln oder geschlechtsneutrale Formulierungen erfolgen“.

Nun sollen Lehrmittel mit „übertriebener Paarformbildung“ aber auch nicht zugelassen werden können. „Ich frage mich schon, wie weit es die Staatsregierung noch treiben will. Das Argument der besseren Lesbarkeit ist damit nun endgültig entzaubert und der Willkür Tür und Tor geöffnet. Wie genau definiert sich ‚übertrieben‘ denn?“, fragt Borgendale.

Zudem nimmt die GEW an, mit dem Genderverbot für Lehrmittel werde ein eindeutiges Signal an die bayerischen Lehrkräfte gesendet: Benutze nichts, was nicht dem bayerischen Genderverbot entspricht! „Daher ist zu befürchten, dass dadurch gutes und sinnvolles Unterrichtsmaterial, beispielsweise von ‚Schule ohne Rassismus‘, von der Bundeszentrale für politische Bildung oder von anderen Organisationen, die in ihrem Material gendersensible Schreibweisen benutzen, nicht mehr zum Einsatz kommt“, so Borgendale. News4teachers / mit Material der dpa

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