Montabaur/Mainz. Es war eine absurde Farce: Eine Lehrerin wollte einer Schülerin helfen, von der ein intimes Video an der Schule kursierte, und wurde angeklagt, wegen Verbreitung, Erwerb und Besitz von Kinderpornografie. Eine Gesetzesänderung kam für sie gerade noch rechtzeitig – das Strafverfahren wurde nun vor Prozessbeginn eingestellt.
Ein Jahr lang musste eine Lehrerin aus dem Westerwald fürchten, sich vor Gericht wegen Verbreitung, Erwerbs und Besitzes von Kinderpornografie verantworten zu müssen. Ihr drohte ein Jahr Haft – alles nur, weil sie einer Schülerin helfen wollte (News4teachers berichtete). Nun hat die Tortur ein Ende gefunden: Das Strafverfahren gegen sie wurde eingestellt, wie das Amtsgericht Montabaur mitteilt. Der Gerichtsbeschluss kann nicht angefochten werden, das Strafverfahren ist dem Gericht zufolge abgeschlossen.
Staatsanwaltschaften fehlte Spielraum
Alles begann mit dem Versuch der Lehrerin, einer 13-jährigen Schülerin zu helfen, die intime Aufnahmen von sich gemacht und ihrem Freund geschickt hatte. Dieser soll das Video anschließend verbreitet haben. Die Lehrerin bekam dies mit und besorgte es sich, um es an die Mutter des Kindes weiterzuleiten und das Mädchen so zu schützen. Was sie nicht wusste: Nach einer Gesetzesänderung aus dem Sommer 2021 machte sie sich damit bereits strafbar. Seitdem galten jeglicher Besitz und die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte als Verbrechen. Mindeststrafmaß: ein Jahr Freiheitsstrafe. Staatsanwaltschaften und Gericht hatten dadurch keinen Spielraum mehr, um Verfahren einzustellen.
Dieses Problem hat nun die am 28. Juni in Kraft getretene Neufassung des Bundesgesetzes zur Senkung des Strafmaßes für die Verbreitung, den Abruf und Besitz kinderpornografischen Materials gelöst. Die Reform der Reform habe die Einstellung des Verfahrens ermöglicht, heißt es von Seiten des Amtsgerichts.
Justizminister hatte sich für eine schnelle Reform starkgemacht
Der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin hatte sich für die Gesetzesänderung starkgemacht. Schon in der Vergangenheit hatte der FDP-Politiker darauf hingewiesen, dass Lehrkräfte durch die Gesetzesreform von 2021 befürchten müssten, wegen eines Verbrechens verurteilt zu werden, wenn sie lediglich die Eltern betroffener Kinder warnen oder eine weitere Verbreitung des Materials verhindern wollten. «Ich bin froh, dass Bundesregierung und Bundestag erkannt haben, dass der Justiz in diesen besonderen Fällen wieder mehr Spielraum eingeräumt werden musste», so Mertin. Der Minister betonte aber gleichzeitig: «Die konsequente Verfolgung schwerster Straftaten zulasten von Kindern ist für mich unverhandelbar.» Dem widerspreche die Gesetzesänderung nicht.
Die Staatsanwaltschaft Koblenz und die Angeklagte hätten der Verfahrenseinstellung zugestimmt, berichtet das Gericht. Selbst, wenn in einer Hauptverhandlung ein Tatnachweis festgestellt worden wäre, wäre dem Beschluss des Schöffengerichts zufolge die Schuld der Lehrerin als so gering anzusehen, dass kein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung bestünde. Die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen der Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt. News4teachers / mit Material der dpa
Kinder begehen deutlich mehr Straftaten (darunter: Verbreitung von Kinder-Pornografie)
