Kinderpornografie-Vorwurf: Verfahren gegen Lehrerin (endlich) eingestellt

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Montabaur/Mainz. Es war eine absurde Farce: Eine Lehrerin wollte einer Schülerin helfen, von der ein intimes Video an der Schule kursierte, und wurde angeklagt, wegen Verbreitung, Erwerb und Besitz von Kinderpornografie. Eine Gesetzesänderung kam für sie gerade noch rechtzeitig – das Strafverfahren wurde nun vor Prozessbeginn eingestellt.

Der Gerichtsbeschluss kann nicht angefochten werden, das Strafverfahren ist dem Gericht zufolge abgeschlossen. Foto: Shutterstock

Ein Jahr lang musste eine Lehrerin aus dem Westerwald fürchten, sich vor Gericht wegen Verbreitung, Erwerbs und Besitzes von Kinderpornografie verantworten zu müssen. Ihr drohte ein Jahr Haft – alles nur, weil sie einer Schülerin helfen wollte (News4teachers berichtete). Nun hat die Tortur ein Ende gefunden: Das Strafverfahren gegen sie wurde eingestellt, wie das Amtsgericht Montabaur mitteilt. Der Gerichtsbeschluss kann nicht angefochten werden, das Strafverfahren ist dem Gericht zufolge abgeschlossen.

Staatsanwaltschaften fehlte Spielraum

Alles begann mit dem Versuch der Lehrerin, einer 13-jährigen Schülerin zu helfen, die intime Aufnahmen von sich gemacht und ihrem Freund geschickt hatte. Dieser soll das Video anschließend verbreitet haben. Die Lehrerin bekam dies mit und besorgte es sich, um es an die Mutter des Kindes weiterzuleiten und das Mädchen so zu schützen. Was sie nicht wusste: Nach einer Gesetzesänderung aus dem Sommer 2021 machte sie sich damit bereits strafbar. Seitdem galten jeglicher Besitz und die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte als Verbrechen. Mindeststrafmaß: ein Jahr Freiheitsstrafe. Staatsanwaltschaften und Gericht hatten dadurch keinen Spielraum mehr, um Verfahren einzustellen.

Dieses Problem hat nun die am 28. Juni in Kraft getretene Neufassung des Bundesgesetzes zur Senkung des Strafmaßes für die Verbreitung, den Abruf und Besitz kinderpornografischen Materials gelöst. Die Reform der Reform habe die Einstellung des Verfahrens ermöglicht, heißt es von Seiten des Amtsgerichts.

Justizminister hatte sich für eine schnelle Reform starkgemacht

Der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin hatte sich für die Gesetzesänderung starkgemacht. Schon in der Vergangenheit hatte der FDP-Politiker darauf hingewiesen, dass Lehrkräfte durch die Gesetzesreform von 2021 befürchten müssten, wegen eines Verbrechens verurteilt zu werden, wenn sie lediglich die Eltern betroffener Kinder warnen oder eine weitere Verbreitung des Materials verhindern wollten. «Ich bin froh, dass Bundesregierung und Bundestag erkannt haben, dass der Justiz in diesen besonderen Fällen wieder mehr Spielraum eingeräumt werden musste», so Mertin. Der Minister betonte aber gleichzeitig: «Die konsequente Verfolgung schwerster Straftaten zulasten von Kindern ist für mich unverhandelbar.» Dem widerspreche die Gesetzesänderung nicht.

Die Staatsanwaltschaft Koblenz und die Angeklagte hätten der Verfahrenseinstellung zugestimmt, berichtet das Gericht. Selbst, wenn in einer Hauptverhandlung ein Tatnachweis festgestellt worden wäre, wäre dem Beschluss des Schöffengerichts zufolge die Schuld der Lehrerin als so gering anzusehen, dass kein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung bestünde. Die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen der Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt. News4teachers / mit Material der dpa

Kinder begehen deutlich mehr Straftaten (darunter: Verbreitung von Kinder-Pornografie)

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RainerZufall
9 Monate zuvor

Glückwünsche an diese engagierte Frau. Ich hoffe, diese Erfahrung zerstörtr Ihre Hilfsbereitschaft gegenüber Kindern in Notfällen nicht!
(Better save than sorry my ass!)

Niemand sollte glauben, das Urteil hätte diese Regelung untermauert, es hat noch größeren Schaden knapp abgewendet. Eine Nachbesserung hat Priorität!

Realist
8 Monate zuvor

Können wir nur hoffen, das ein übereifriger Ministerialbeamter nicht noch ein Disziplinarverfahren anstößt…

vhh
8 Monate zuvor

Selbst geringe Schuld ist Schuld, das ist eine Verfahrenseinstellung mit einer Hilfskonstruktion. Es wird nicht festgestellt, dass ihr Handeln angemessen war, nur dass es falsch war, aber nicht bestraft wird. Verständlich, dass alle zustimmen, aber eine etwas wegweisendere Begründung (rechtfertigender Notstand, darum keine strafbare Handlung) wäre mutiger und würde nicht alle anderen im Unklaren lassen.

Jan
8 Monate zuvor
Antwortet  vhh

Spricht doch klar dafür, dass das Gesetz geändert werden muss, damit solche juristischen Winkelzüge nicht nötig sind.

Rainer Zufall
8 Monate zuvor
Antwortet  vhh

Ich meine das Gesetz dazu ließ das ursprünglich nicht zu. Da war eine Mindeststrafe vorgesehen…

vhh
8 Monate zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Notwehr, Notstand und Nothilfe haben wenig mit Mindeststrafen zu tun. Ich glaube eher, eine möglichst ruhige Verfahrenseinstellung war hier sehr wichtig. Ein Amtsgericht will sicherlich keinen Shitstorm à la ‘Verbreitung von Kinderpornographie kann gerechtfertigt sein’ nach seinem Urteil. Auch wenn das natürlich auf diesen Einzelfall bezogen völliger Quatsch wäre, aber wer interessiert sich heute schon für Details, wenn die Pauschalisierung Aufmerksamkeit bringt. Auch die Kollegin ist sicherlich froh, dass alles vorbei ist, mehr als verständlich.
Vielleicht hätte es hier eine Gelegenheit gegeben, dass Staatsanwaltschaft, Richter und Anwalt mal eine sinnvolle Absprache treffen, vielleicht gibt es auch keinen Weg, aber die Einstellung ist nur ein Ausweg.

Unfassbar
8 Monate zuvor
Antwortet  vhh

In diesem Fall leider nicht. Trotz Warnungen von juristischer Seite aus wurde das Gesetz zunächst verabschiedet.

Lazy boy
8 Monate zuvor
Antwortet  vhh

“…nur dass es falsch war, aber nicht bestraft wird.” Eben- und das hat zur Folge, dass die Kollegin auf einem großen Batzen an Anwalts- bzw. Anwältinnen- und Gerichtskosten sitzen bleibt.

A.M.
8 Monate zuvor
Antwortet  Lazy boy

“Die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen der Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt.” Siehe oben!

MIchaelMD
8 Monate zuvor

Sie hätte dem Kind auch helfen können, ohne dass sie sich das Video auf ihr eigenes Gerät hätte weiterleiten müssen! Die Mutter hätte auch ohne das Video informiert werden können. Mit Hilfsbereitschaft hat das also nichts zu tun, vielmehr mit unprofessionellem, überstürztem Handeln.

Die Aussage “Die Lehrerin bekam dies mit und besorgte es sich, um es an die Mutter des Kindes weiterzuleiten und das Mädchen so zu schützen.” sorgt bei mir daher für große Fragezeichen: wieso wird das Mädchen durch die Weiterleitung des Videos an die Mutter geschützt? Das war völlig unnötig und kann künftig dazu führen, dass es Personen gibt, die diese Argumentation als Vorwand verwenden werden, um an kinderpornographisches Material zu gelangen.

Hätte die Lehrerin im Kollegium um Rat gefragt, wie sie vorzugehen hat, wäre der ganze Vorfall sicherlich nicht passiert.

A.M.
8 Monate zuvor
Antwortet  MIchaelMD

Hätte die Lehrerin im Kollegium um Rat gefragt, wäre das dem Mädchen vielleicht gar nicht recht gewesen. Und es wäre vielleicht nicht so schnell gehandelt worden und das Bild wäre zwischenzeitlich im Netz weiterverbreitet worden.

Mein_Senf
8 Monate zuvor

Wie ist nun das richtige Vorgehen bei solchen Fällen? Mir ist so etwas selbst schon einmal passiert – allerdings konnte ich die Mutter des betroffenen Mädchen zum Gang zur Polizei überzeugen.

RainerZufall
8 Monate zuvor
Antwortet  Mein_Senf

Selbst auf keinen Fall das Video ansehen, sich schicken lassen, verschicken!
Ggf. Schulsozialarbeit einschalten, um das Material noch irgendwie einzufangen.
Eltern – aus gegebenen Anlass – zum Einsehen der Handys ihrer Kinder auffordern. (Schüler ggf. vorher darauf hinweisen)
Am End Haus des Jugendrechts/ Polizei einschalten, um zunächst vielleicht noch eine straffreie Lösung zu finden…

Fußballtor
8 Monate zuvor

Danke. Richtig so.

Ulrika
8 Monate zuvor

Ruiniert ist die Kollegin trotzdem- Anwält:innen arbeiten nicht gratis.

A.M.
8 Monate zuvor
Antwortet  Ulrika

Siehe oben:
“Die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen der Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt.”

Ruiniert ist die Kollegin durch das Ganze also keineswegs und selbst wenn ihr Zahlungsverpflichtungen auferlegt worden wären, kann niemand von uns wissen, ob dies sie “ruiniert” hätte. Da Lehrkräfte gar nicht sooo schlecht verdienen, würde ich mal eher davon ausgehen, dass dies nicht der Fall gewesen wäre.