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News4teachers-Podcast von Kati Ahl: Gemeinschaft, Innovationskraft… Was deutsche Schulen sich in Dänemark abgucken können

FRANKFURT/MAIN. Kati Ahl kennt sich mit dem Thema Bildung aus. Sie war Lehrerin, Ausbildende für Lehramtsreferendar*innen und Schulleiterin. Heute ist sie Schulentwicklungsberaterin, Buchautorin – und Podcast-Produzentin. In ihrer neuen Reihe „Schule, lass mal reden!“ (ab sofort auch auf News4teachers!) unternimmt sie Reisen, um sich Bildungssysteme außerhalb Deutschlands anzuschauen. Die erste hat sie nach Dänemark geführt.

Kati Ahl gehört zu den renommiertesten Bildungsexpertinnen in Deutschland. Foto: Oliver Steller / Kati Ahl

Kati Ahls erste Bildungsreise hat ihr interessante Eindrücke in Dänemark beschert, wie sie im Podcast dem Interviewer – Micha Pallesche, Schulleiter der Ernst-Reuter-Schule in Karlsruhe und Preisträger des Deutschen Lehrkräftepreises 2021 – verrät. Pallesche selbst kennt das dänische Schulsystem und sagt, dass sich dort die Schule unterscheidet, auch in ihrem Selbstverständnis. Was bedeutet das? Die dänischen Schulen entwickeln Bildung gemeinsam mit den Kommunen – und das mit großen Freiheiten. „Es gibt nur einen groben Masterplan und was konkret passiert, entscheidet sich vor Ort“, erläutert Kati Ahl.

Um zu ergründen, was den Unterschied ausmacht, hat Kati Ahl zunächst mal einen außerschulischen Lernort besucht: Tech X nahe Kopenhagen. Dort entwickeln Lehrkräfte und Kommunale – der Chef von Tech X ist bei der Kommune angestellt – gemeinsam Curricula für unterschiedliche Inhalte.

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Tech X stellt dafür die Räume: ob Maker Space, Podcast-Studio oder Computer-Räume zum Programmieren. Lehrkräfte und ihre Schülerinnen und Schüler dürfen sich dort ausprobieren. Der Grundsatz dabei sei, so Kati Ahl: „Wir nehmen das, was wir haben, und machen Neues daraus. Wir nutzen Spiele und Materialien auch mal anders.“ In Dänemark frage man weniger nach, was denn im Unterricht erlaubt ist, als es in Deutschland üblich sei, ergänzt Kati Ahl. Dort werde einfach mal losgelegt, und dabei komme moderne Technik vom Laser Cutter bis hin zum 3D-Drucker zum Einsatz.

Wichtig allerdings, damit nicht jeder das Rad von Neuem erfindet: ein enges Miteinander. Nötig sei ein anderes Kooperationsverständnis als in Deutschland, wo Lehrkräfte eher als Einzelkämpfer agierten, meint Kati Ahl. Sie nennt als dänisches Prinzip: „Ich kopiere Dir mal was mit.“ Ein dänischer Schulleiter habe ihr verraten: „Ich glaube, wir hier in Dänemark haben ein anderes Verständnis von Teilen.“ Eben auch in der Bildung. In dänischen Schulen sei alles für alle da, es gebe nicht mal fest zugeteilte Klassenräume. Die würden wechselweise genutzt und untereinander getauscht. Auch bei Tech X gehöre Teilen zum Programm, digitale Materialien stelle man sich hier gegenseitig zur Verfügung. Erfahrungen teile man auch. Kooperation entstehe dann leicht daraus, nämlich dann, wenn gemeinsam Neues entwickelt werde – einen Unterrichtsinhalt oder ein Spiel.

In Deutschland hingegen, so weiß Kati Ahl, herrsche eher das Prinzip der „Flurschule“ – heißt: alle Türen geschlossen. Das Lehrmaterial wird dann oft von den einzelnen Lehrkräften angeschafft und zusätzlich vom eigenen Budget bezahlt. Gemeinschaft? Allzu oft Fehlanzeige. Aber auch in Dänemark gibt es noch Luft nach oben: Beim digital unterstützten Lernen könne die Kollaboration noch verbessert werden, hätten ihr einige dänische Schulleiter berichtet, so Kati Ahl. Allerdings: Für diese Form von Kooperation muss ja auch ein zeitlicher Rahmen vorhanden sein, wendet Schulleiter Micha Pallesche ein.

Gibt es denn für deutsche Schulen eine ernsthafte Chance zur Umsetzung? „Ich glaube, dass für Deutschland die Ganztagsschulentwicklung eine Riesenchance ist“, erläutert Kati Ahl. „Da tun sich ganz neue Zeiträume für den Nachmittag auf.“ Dort biete sich die Möglichkeit, attraktive Angebote zu schaffen, damit die Schüler*innen ihre Talente entwickeln können – auch außerhalb der tradierten Fächerstrukturen.

Kati Ahl führt aus, dass es in Dänemark zwei wichtige Werte im Schulsystem gebe: Innovation und „Wellbeing“, also das Wohlbefinden aller Beteiligter. So werde alljährlich eine Umfrage erstellt, in der die Beziehung zwischen den Lehrkräften und der Schülerschaft unter die Lupe genommen wird. Fühlt sich ein Schüler nicht wohl, werde besonders genau hingeschaut und versucht, die Situation zu verbessern. Das gibt es hierzulande auch: Micha Pallesche berichtet, dass es an seiner Schule jedenfalls in der fünften Klasse das Fach „Leben“ gibt. Dort kümmern sich die Kinder umeinander und entwickeln so das Wohlergehen in der Schulgemeinschaft. In einem Stimmungsbarometer wird regelmäßig das Wohlergehen in der Schule abgefragt.

Welche Rolle spielt Schule, wenn man sie öffnet? „Ich habe den Eindruck, dass Schule in Dänemark stärker in den Alltag einbezogen ist für viele Menschen. Dadurch, dass Schule ein offener und vernetzter Ort ist, bekommen auch mehr Menschen von außen etwas davon mit“, antwortet Kati Ahl. Schule und Kommune rücken eng zusammen. Micha Pallesche stimmt zu, dass die Schule ein Ort sein sollte, wo Gemeinschaft gelebt wird – nach innen und nach außen. Hier sollten die Kinder und Jugendlichen Demokratie lernen. Aushandlungsprozesse sollten stattfinden, eine Streitkultur solle entstehen. Dabei sei es aber auch wichtig, dass die Schüler*innen Autonomie erleben und lernen, dass man ihnen einerseits etwas zumutet, aber andererseits auch etwas zutraut, ergänzt Kati Ahl.

Mehr Gemeinschaft – das ist es, was Kati Ahl nach ihrer Dänemarkreise den deutschen Regelschulen wünscht. Neue Themen müssen ihrer Ansicht nach gemeinsam entwickelt und Kollaboration auf einer ganz anderen Stufe gedacht werden. Innovation im Bildungsbereich sei dann etwas, dass gemeinsam entstehe. Kati Ahl: „Wir brauchen andere Formen von Offenheit und teilen. Wenn wir wollen, dass Lernende etwas anderes erleben, müssen Lehrende das anders vormachen.“ Nina Odenius

Hier geht’s zur Homepage von Kati Ahl.

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