
Die Integration von Einwanderern hat sich in Deutschland im internationalen Vergleich in vielerlei Hinsicht gut entwickelt – das zeigt ein Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Laut der Länderstudie sprechen fast zwei Drittel der Eingewanderten, die seit mindestens fünf Jahren in Deutschland leben, fließend Deutsch.
Aufgeholt hat Deutschland überraschenderweise bei den schulischen Leistungen von in Deutschland geborenen Kindern eingewanderter Eltern. Sie sind den Angaben zufolge in den zurückliegenden 20 Jahren deutlich gestiegen. Aktuell seien sie besser als in den meisten anderen Hauptzielländern von Migranten. Dies zeigt eine Sonderauswertung von PISA-Daten für den Bericht. Verglichen wurde Deutschland dabei mit Australien, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Kanada, Neuseeland, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Schweden, der Schweiz, Spanien, Großbritannien und den Vereinigten Staaten.
“Unser Bildungssystem ist noch nicht auf die Einwanderungsgesellschaft ausgerichtet, die wir längst sind”
Wörtlich heißt es in der Studie: «Obwohl in Deutschland ein starker Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund und dem Bildungserfolg besteht, erzielen im Inland geborene Kinder eingewanderter Eltern dort bessere Bildungsergebnisse als in den meisten vergleichbaren Ländern. Seit Anfang der 2000er Jahre haben sich ihre Schulleistungen deutlich verbessert. Zudem verzeichneten sie nach den langen bundesweiten Schulschließungen während der Coronapandemie nur einen leichten Leistungsrückgang.»
Doch der Bericht – der mit Förderung der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), entstanden ist – benennt auch Probleme. «Für Schüler*innen, die selbst nach Deutschland eingewandert sind, stellt sich die Situation allerdings ganz anders da. Ihre Bildungsergebnisse sind – unabhängig vom Alter bei der Einreise – ungünstiger als die vergleichbarer Schüler*innen in anderen Hauptzielländern. Außerdem hat sich der bereits bestehende Leistungsabstand gegenüber den im Inland geborenen Schüler*innen in den letzten Jahren weiter vergrößert, was eine Folge der Schulschließungen während der Coronapandemie sein könnte.»
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zählen das fehlende förderliche Lernumfeld zu Hause, die begrenzten Möglichkeiten des Home Office für ihre Eltern, um ihren Kindern zur Seite zu stehen, sowie bereits vorhandene Lerndefizite zu den Gründen, die es den betroffenen zugewanderten Kindern und Jugendlichen erschwerten, dem Lehrplan per Fernunterricht zu folgen. Sprachbarrieren und die geringere Vertrautheit mit dem Schulsystem seien weitere Faktoren, die diese Probleme möglicherweise noch weiter verschärft hätten.
Nur die Hälfte der Migranten, die höchstens eine Grundschulbildung haben, sei erwerbstätig, und nur ein Viertel von ihnen erreiche nach mindestens fünf Jahren Aufenthalt ein fortgeschrittenes Deutschniveau. Da diese Gruppe mehr als ein Sechstel der Einwanderungsbevölkerung ausmache und ihr Anteil in den letzten zehn Jahren gestiegen sei, müsse dieser Gruppe mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Unter den Hauptzielländern von Migranten haben demnach nur die Niederlande einen noch höheren Anteil von Einwanderern mit niedrigem Bildungsniveau.
Zudem sei der Anteil der Eingewanderten mit Hochschulabschluss mit knapp über einem Viertel weiter gering – auch, wenn dieser in den letzten zehn Jahren gestiegen ist. Er ist nach Angaben der Autoren der Studie niedriger als in allen anderen Hauptzielländern von Migranten, mit Ausnahme von Italien. Die Fluchtbewegung aus der Ukraine ist hier allerdings bislang nicht berücksichtigt. Ursache ist der relativ hohe Geflüchtetenanteil unter den Migrantinnen und Migranten in Deutschland. «Viele Geflüchtete hatten vor der Migration keinen oder nur begrenzten Zugang zu Bildung, weil ihre Herkunftsländer von langen Kriegen und Konflikten zerrüttet sind.»
Dazu komme: «Die große Bedeutung, die in Deutschland formellen Befähigungsnachweisen beigemessen wird, erschwert Eingewanderten mit ausländischen Qualifikationen den Zugang zu qualifizierten Tätigkeiten. In reglementierten Berufen sehen sich Migrant*innen, die ihre Qualifikationen im Ausland erworben haben, Einschränkungen bei der Berufsausübung gegenüber, wenn ihre Qualifikationen nicht anerkannt wurden.»
“Es braucht eine große, gemeinsamer Kraftanstrengung für Integration von Anfang an, schnelle Regelbeschulung und Teilhabe und Chancengleichheit für alle”
«Die Integration in Deutschland funktioniert viel besser als ihr Ruf», sagt aber die Integrationsbeauftragte Alabali-Radovan etwa mit Blick auf die Arbeitsmarktintegration von Eingewanderten. Bei der Erwerbstätigenquote erreiche Deutschland einen Wert von 70 Prozent. Das ist mehr als in den meisten anderen EU-Vergleichsländern und der höchste bisher in Deutschland erreichte Wert.
Weiter betont sie: «Ebenso schneiden in Deutschland geborene Kinder von Eingewanderten viel besser in der Schule ab als noch vor einigen Jahren, wir liegen hier über dem OECD-Schnitt. Trotzdem bleibt viel zu tun, vor allem bei der schulischen und beruflichen Bildung der ersten Generation der Eingewanderten. Der Bericht legt den Finger in die Wunde: Unser Bildungssystem ist noch nicht auf die Einwanderungsgesellschaft ausgerichtet, die wir längst sind. Es braucht eine große, gemeinsamer Kraftanstrengung für Integration von Anfang an, schnelle Regelbeschulung und Teilhabe und Chancengleichheit für alle.»
Der Bericht könne mehr Sachlichkeit in das emotional aufgeladene Thema Integration bringen. «Die Ergebnisse sind Bestärkung für eine mutige, konstruktive Integrationspolitik für unser Land.» News4teachers / mit Material der dpa
Hier geht es zu dem vollständigen Bericht.