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Trotz Verpflichtung zur Inklusion: CDU und FDP für “Stärkung” der Sonderschulen

MAGDEBURG. Sollen Kinder mit und ohne Behinderungen verstärkt gemeinsam lernen? Im Landtag von Sachsen-Anhalt gibt es dazu – 15 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention – unterschiedliche Positionen.

Ausgesondert: Jeder 15. Schüler besucht in Sachsen-Anhalt eine Förderschule (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Mehrere Fraktionen im Magdeburger Landtag drängen darauf, dass Kinder mit Behinderungen besser in das Bildungssystem in Sachsen-Anhalt integriert werden. «Sachsen-Anhalt ist verpflichtet, ein inklusives Bildungssystem zu schaffen», sagte Susan Sziborra-Seidlitz. Förderschulen seien nicht Teil eines inklusiven Schulsystems. «Kein anderes Bundesland schickt so viele Kinder in Förderschulen wie Sachsen-Anhalt.» Der gemeinsame Unterricht müsse zur Regel werden, so die Grünen-Politikerin.

Auch die Linke forderte Änderungen. Seit mehr als 15 Jahren bestehe die Verpflichtung, die Rechte von Menschen mit Behinderungen auf eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe um- und durchzusetzen, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Thomas Lippmann. «Auf keinen Fall darf es so schlecht bleiben, wie es im Moment ist.»

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Die SPD sieht ebenfalls Handlungsbedarf. «Es ist unverständlich, dass das Bildungsministerium plant, Kinder bereits in der 1. Klasse an einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen einzuschulen, ohne dass sie zuvor die Förderung in der flexiblen Schuleingangsphase erhalten haben», so SPD-Fraktionschefin Katja Pähle.

Feußner: Elternwille von großer Bedeutung

Bildungsministerin Eva Feußner sagte, die UN-Behindertenrechtskonvention mache keine Vorgaben, auf welche Weise gemeinsames Lernen zu realisieren sei, auch nicht zur Gliederung des Schulwesens. Der Elternwille sei von großer Bedeutung, so die CDU-Politikerin. Man könne eine Förderschule oder allgemeine Schule wählen. «Eltern sind die Experten für ihr Kind.»

Die CDU- und die FDP-Fraktion sprachen sich für eine «Stärkung der Förderschulen» aus. Es gebe eine Vielzahl an Schülern, deren individueller Förderbedarf an Regelschulen nur unzureichend adressiert werden könne, sagte der Abgeordnete Jörg Bernstein (FDP). An Förderschulen könne dagegen gezielt auf die Bedürfnisse eingegangen werden. Ähnlich sah das Carsten Borchert (CDU). «Ziel muss es sein, allen Schülerinnen und Schülern nach ihren persönlichen Potenzialen und Voraussetzungen zu einem Schulabschluss zu führen und das funktioniert niemals ausschließlich an Regelschulen», sagte er.

In Sachsen-Anhalt besucht schon jetzt jeder 15. Schüler – insgesamt rund 12.000 Kinder und Jugendliche – eine Förderschule, wie in vielen Bundesländern die Sonderschulen genannt werden. Bisher gingen Förderschüler in Sachsen-Anhalt in der Regel ohne Abschluss von der Schule und zählten als Schulabbrecher. Sie konnten nur im Rahmen eines Berufsvorbereitendenden Jahres (BVJ), des Besuchs einer sogenannten Kooperationsklasse oder durch einen Wechsel an eine allgemeine Schule den Hauptschulabschluss erwerben. An landesweit zehn Förderschulen sollen ab dem neuen Schuljahr nun «Besondere 10. Klassen» eingerichtet werden, in denen der Hauptschulabschluss als Ziel gesetzt ist. Förderschulen können allerdings selbst entscheiden, ob sie «Besondere 10. Klassen» anbieten wollen.

Hintergrund: 2009 hat der Bundestag die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert und damit zum Gesetz in Deutschland gemacht. Sie schreibt in Artikel 24 ein «integratives Bildungssystem auf allen Ebenen» vor. Weiter heißt es: «Bei der Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaaten sicher, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben.» Im vergangenen Jahr wurde Deutschland von den Vereinten Nationen wegen der «Verbreitung von Sonderschulen» gerügt (News4teachers berichtete). News4teachers / mit Material der dpa

Kein Grund zum Feiern: Seit zehn Jahren herrscht Stillstand bei der Inklusion (wie das Beispiel Sachsen-Anhalt zeigt)

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