Website-Icon News4teachers

Schlafforscher fordern: Schüler besser aufklären, welche Folgen Schlafmangel fürs Lernen hat

ESSEN. Um erfolgreich lernen zu können, brauchen Schülerinnen und Schüler guten Schlaf. Deshalb sollten Eltern und Lehrkräfte, aber vor allem die Jugendlichen selbst etwas mehr davon wissen, um den Schlaf besser zu verstehen und ihn mehr wertzuschätzen – meinen jedenfalls Schlafforscherinnen und -forscher. Wie das gelingen kann, darüber sprechen die über 1.800 Expertinnen und Experten, die vom 14. bis 16. November in der Messe Essen zur 32. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) erwartet werden.

Morgenstund’ hat Gold im Mund? Geht so. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Das Problem: Gut vernetzte Jugendliche halten sich gegenseitig vom Schlafen ab (zum Beispiel durch diverse Chatgruppen mitten in der Nacht). Die Bildschirmstunden nehmen zu. So verschiebt sich die Phase des Zubettgehens, die Teenager schlafen oft sehr spät und unruhig ein. Gleichwohl klingelt zu früher Stunde der Wecker – gefühlt noch in biologischer Nacht. Die Schülerinnen und Schüler werden so zwar munter, sind aber keineswegs wach.

Viele Teenager schlafen zu kurz und häufen „Schlafschulden“ an, wie es Thea Herold nennt. Sie ist Mitgründerin des Expertennetzwerkes Schlafakademie Berlin. Sie und ihr Team leisten Aufklärungsarbeit rund um den gesunden Schlaf, seine Funktionen und Aufgaben und machen auf die Hindernisse aufmerksam, die sich ihm im „24/7-Zeitalter“ entgegenstellen.

Anzeige

„Die Schüler gehen müde zur Schule und kommen müde nach Hause“

Gerade für Jugendliche im Alter zwischen 12 und 17 Jahren fehlen fundierte Information in den Schulen und Lehrplänen, mahnt sie an. „Die Schüler gehen müde zur Schule und kommen müde nach Hause. Sie haben nirgends gelernt, wie gut es sich anfühlt, zur Erholung am Tage für wenige Minuten ein Nickerchen zu machen, um Schlafdruck abzubauen“, so Thea Herold.

Körperliche Regeneration, Zellerneuerung, Wachstum, geistige und mentale Erholung – all das findet im Schlaf statt. Auch Jugendliche brauchen ein Bewusstsein für den Wert dieser Abläufe, die nur während des Schlafes stattfinden und die entscheidend für ihre körperliche und geistige Entwicklung sind. Dieses Bewusstsein vermittelt ihnen jedoch niemand.

Stichwort: neuronale Plastizität. Menschen speichern das, was sie lernen, im Schlaf ab. Oder vergessen das weniger Wichtige. „Der Schlaf hilft also, das zu lernen, was ich brauche. Diese Info fehlt dem überwiegenden Teil der Schüler und Schülerinnen. Gerade im Hinblick darauf, dass es das Thema Nachtschlaf während der Pubertät ziemlich schwer hat, ist es wichtig, dies zu wissen. Wer lernt, ‘überschläft’ das am Tag Gelernte. Deshalb brauchen auch und gerade Jugendliche einen Schlaf, der ausreichend lang und ausreichend tief ist“, so die Dozentin.

Die Schlafaufklärung gerade für Jugendliche hat aber noch immer zu wenig Rückhalt – wohl auch deshalb, weil das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz – PrävG) des Bundesgesundheitsministeriums dem Schlaf nach Ansicht der DGSM noch nicht den angemessenen Platz einräumt. „Seine extrem wichtige Rolle als Quelle stabiler Gesundheit spiegelt das aktuelle Präventionsgesetz noch nicht wirklich wider. Die Schlafakademie Berlin arbeitet dafür, dass auch aus dem bislang noch stummen Bereich Schlafaufklärung für Kinder und Jugendlich ein klar umrissenes Präventionsthema gemacht wird, welches genauso selbstverständlich für sich steht, wie gesunde Ernährung und Bewegung der Kinder und Jugendlichen. Die Zeit drängt. In den Wartezimmern der Schlaflabore werden die Patienten immer jünger. Junge Menschen kommen schon als Insomniker in die Sprechstunden von Schlafmedizinern. Diesen Teufelskreis können wir nur durch mehr Schlafaufklärung in jungen Jahren durchbrechen“, sagt Thea Herold.

„Der Unterricht beginnt flächendeckend zu früh, insbesondere in den höheren Klassen”

Praktisch wäre das umsetzbar durch die Schlafexpertinnen und -experten, die es schon heute bundesweit in der Präventionsarbeit gibt. Deren Seminare könnten in den Unterricht integriert werden und so Aufklärung bieten. Die Finanzierung könnte laut DGSM über die Bildungsministerien der einzelnen Bundesländer laufen. Die eigentliche Hürde sei aber die Wertschätzung des Themas. „Belege hierfür sind der immer noch flächendeckend zu frühe Schulbeginn, insbesondere in den höheren Klassen, Prüfungen zu Uhrzeiten, an denen die Prüflinge noch gar nicht leistungsfähig sind oder die noch immer skeptische, abwertende Einstellung zum Thema Powernapping in unserer Gesellschaft“, so heißt es in einer Pressemitteilung des Verbands.

Ein Anfang für die erforderliche Veränderung wäre, mit Aufklärung über die gesundheitsfördernde Leistung des Schlafes bei Jugendlichen und damit die Implementierung eines positiven Schlafselbstbewusstseins so früh wie möglich in den Schulen zu beginnen. „Das ist mein Schlaf – ich kenne meinen Chronotyp – sich auszuschlafen ist cool: Das sollten die Schülerinnen und Schüler aufgeklärt und selbstbewusst sagen können!“, erhofft sich Thea Herold. Dann sei auch breiter bekannt, dass es durchaus ein Hilfsmittel gibt, das Schlafdefizit schnell auszugleichen: der Power Nap (bekannt auch als Nickerchen, Inemuri oder Mittagsschlaf) – er sei gerade in unserer 24/7-Gesellschaft ein kraftspendender Vorschuss auf den nächtlichen Schlaf. News4teachers

Ausschlafen? Nein danke! Schlafforscher fordern späteren Unterrichtsbeginn. Aber: Die Schüler wollen den gar nicht

Die mobile Version verlassen