Website-Icon News4teachers

Gewalt gegen Lehrkräfte: Was tun? “Schulleitungen werden im Stich gelassen”

DÜSSELDORF. Beleidigungen, Drohungen, körperliche Angriffe: Lehrkräfte werden oft mit Gewalt konfrontiert, wie unlängst eine Umfrage des VBE unter Schulleitungen ergab – in Nordrhein-Westfalen sogar besonders oft. Die Politik dort streitet um Lösungen.

In NRW gibt es überproportional viele körperliche Angriffe auf Lehrkräfte oder Schulleitungen. (Symbolfoto) Foto: Shuttertock

Angesichts der überdurchschnittlich zunehmenden Gewalt gegen Lehrkräfte an den Schulen fordern die Oppositionsfraktionen in Nordrhein-Westfalen ein entschiedeneres Durchgreifen der Landesregierung. Es müssten schärfere Ordnungsmaßnahmen an den Schulen und ein schärferes Durchgreifen gegen die Täter durchgesetzt werden, sagte die FDP-Abgeordnete Franziska Müller-Rech in einer Aktuellen Stunde im Landtag. Die Maßnahmen dürften nicht ins «Spektrum der Kuschelpädagogik» fallen.

Als Folge der steigenden Gewalt an Schulen sinke die Attraktivität des Lehrerberufs, und der Lehrkräftemangel werde immer noch schlimmer. Schulleitungen und Lehrkräfte seien zunehmend überfordert und fühlten sich allein gelassen. «Eine zweistündige Infoveranstaltung und ein Aktenordner reichen aber eben nicht aus», kritisierte Müller-Rech die Maßnahmen des Schulministeriums. Viele Schulleitungen hätten Angst vor gewalttätigen Schülern und vor Klageverfahren. «Da sitzen manche Schulleitungen wie das Kaninchen vor der Schlange.»

Anzeige

Trend zu mehr Gewalt an Schulen

Laut einer aktuellen repräsentativen Erhebung für den Verband Bildung und Erziehung (VBE) berichten 73 Prozent der Schulleitungen in NRW, dass es in den vergangenen fünf Jahren zu Fällen kam, in denen Lehrkräfte an ihren Schulen Gewalt ausgesetzt waren. Bundesweit liegt dieser Wert bei 65 Prozent (News4teachers berichtete). Besonders gravierend sind die überdurchschnittlichen Fallzahlen demnach bei körperlichen Übergriffen.

Besonders gravierend seien die überproportionalen Fallzahlen bei körperlichen Übergriffen, berichtete der VBE-Landesverband: 43 Prozent der Schulen in NRW meldeten solche Vorfälle, während der Bundesdurchschnitt bei 35 Prozent liege. Im Vergleich zur Erhebung von 2022 bleibe «das Niveau der Gewalt an Schulen zu hoch». Aus Sicht von 66 Prozent der in NRW befragten Schulleitungen hat die Gewalt an ihrer Schule in den letzten fünf Jahren «eher zugenommen». Deutschlandweit schätzten das 60 Prozent so ein.

Attacken unkontrollierter Eltern

Die Umfrage zeige, dass körperliche Gewalt meist von Schülerinnen und Schülern ausgehe (97 Prozent). Psychische Gewalt und Cybermobbing würden hingegen häufig auch von Eltern verübt. «Besonders direkte psychische Gewalt trifft Lehrkräfte überwiegend durch Eltern (82 Prozent), aber auch durch Schülerinnen und Schüler (70 Prozent)», bilanzierte die Lehrergewerkschaft.

«Kommt es zu Gewalt, darf es hierfür keine Toleranz geben – egal, durch wen die Gewalt ausgeübt wird», betonte die VBE-Landesvorsitzende Anne Deimel. «Eine der wichtigsten Voraussetzungen, um Gewalt angemessen begegnen zu können, ist eine ausreichende Personalausstattung.» Damit verbunden seien kleinere Lerngruppen und individuelle Förderprogramme. 82 Prozent der Schulleitungen in NRW hätten dem zugestimmt.

SPD-Fraktionschef Jochen Ott fragte nun im Landtag nach den Ursachen der Gewalt. Die Corona-Pandemie habe über Jahre soziale Kompetenzen verkümmern lassen, sagte er. Kinder hätten keine Möglichkeit gehabt, Konfliktlösungen zu erlernen. Regeln und Gemeinschaft würden infrage gestellt. Fluchterfahrungen mit Traumafolgen und ein Mangel an psychologischer Unterstützung kämen hinzu. Und es gebe Gewalt in sozialen Netzwerken, die man nicht sofort sehen könne. «Unsere Schulen sind Brennpunkte dieser Entwicklung, aber sie sind damit allein», so Ott. «Schulleitungen werden im Stich gelassen, Lehrkräfte stehen unter Dauerstress.»

Auch bei Gewalt in Elternhäusern intervenieren

Schulministerin Dorothee Feller (CDU) widersprach dieser Darstellung. Die Landesregierung unterstütze die Lehrkräfte mit einer Vielzahl an Maßnahmen zur Eindämmung und Prävention von Gewalt. Dazu gehörten etwa Handreichungen, Notfallordner, Online-Veranstaltungen, spezielle Programme und Fachkräfte für Schulsozialarbeit. Alle seien aber auch aufgefordert, Zivilcourage zu zeigen und die Augen nicht vor der Gewalt zu verschließen.

Der CDU-Abgeordnete Christos Katzidis forderte mehr Intervention schon bei häuslicher Gewalt. Darauf müsse der Fokus gerichtet werden, und zwar nicht nur mit freiwilligen Beratungsangeboten. «Wenn es offen bekannt ist, dass Gewalt in Familien an der Tagesordnung ist, dann muss da viel, viel stärker interveniert werden.» News4teachers / mit Material der dpa

Gewalt an der Schule: „In den Pausen demütigen sich Schüler auf den Toiletten, alles wird gefilmt” – eine Lehrerin berichtet

Die mobile Version verlassen