BERLIN. Die Landesschüler:innenvertretungen (LSVen) aus Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben in einem gemeinsamen Papier deutliche Forderungen zur Verbesserung der politischen Bildung an Schulen formuliert – um extremistischen Tendenzen entgegenzuwirken. „Damit politische Bildung im Unterricht und im Schulfeld gelingen kann, braucht es aufgeklärte, sensibilisierte und qualifizierte Lehrkräfte. Die politische Bildung muss als Querschnittsthema in allen Fächern Bestand haben. Im Unterricht muss Bezug auf aktuelle Ereignisse in der Politik sowie die dazugehörigen Ereignisse im digitalen Raum genommen werden“, so heißt es darin.
Im Vorwort des Papiers heben die LSVen hervor, dass das zunehmende Erstarken extremistischer Gruppen und die damit verbundenen Wahlergebnisse bei den jüngsten Landtagswahlen in Ostdeutschland ein Alarmsignal seien. „Unsere Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Politische Bildung setzt das Fundament, auf dem unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung aufbaut“, heißt es darin. Die Vertreter:innen kritisieren, dass diskriminierende und verfassungsfeindliche Positionen durch eine mangelnde Behandlung aktueller Themen in den Schulen begünstigt würden. Im Wortlaut: „Extremistische Narrative schließen die Lücke, die mangelnde politische Bildung hinterlässt.“
„Ohne ein tieferes Bewusstsein für Europas Bedeutung als Garant für Frieden und Wohlstand droht ein schwindendes europäisches Verständnis“
Die Landesschüler:innenvertretungen fordern eine deutliche Erhöhung der Unterrichtsstunden im Fach politische Bildung. Diese solle nicht nur theoretisch, sondern vor allem praxisnah gestaltet werden. Die LSVen argumentieren, dass die bisherigen Inhalte oft unzureichend seien, um Schüler:innen ein kritisches und faktenbasiertes Reflexionsvermögen zu vermitteln. Ein besonderer Schwerpunkt solle auf aktuellen politischen Entwicklungen sowie der europäischen Integration liegen. Es werde beklagt, dass antieuropäische Einstellungen unter Jugendlichen zugenommen hätten. Dies führe dazu, dass Parteien, die die Auflösung der Europäischen Union forderten, bei jungen Wähler:innen zunehmend an Zuspruch gewännen.
„Ohne ein tieferes Bewusstsein für Europas Bedeutung als Garant für Frieden und Wohlstand droht ein schwindendes europäisches Verständnis“, heißt es in dem Papier. Die LSVen fordern daher eine umfassende Integration von Europabildung in die Lehrpläne sowie eine Stärkung von Schüleraustauschen und interkultureller Bildung. Es müsse ein wertebasierter Raum geboten werden, in dem Schüler:innen ihre Meinung frei bilden können und ermutigt werden, miteinander in den Diskurs zu treten.
Ein weiterer zentraler Punkt ist die Forderung, Demokratie für Schüler:innen erlebbar zu machen. Die LSVen setzen sich für eine konsequente Förderung von Planspielen wie „Model United Nations“ oder „Schule als Staat“ ein. Diese Formate hätten sich als wirkungsvolle Mittel erwiesen, um demokratische Prozesse praxisnah zu vermitteln. „Nur durch das Erleben demokratischer Verfahren können junge Menschen die Komplexität und Relevanz demokratischer Entscheidungen verstehen“, heißt es in dem Papier. Die Umsetzung solcher Projekte sei jedoch auf eine solide organisatorische und finanzielle Grundlage angewiesen.
„Die Mitwirkungsrechte von Schüler:innen sind häufig symbolischer Natur und haben keinen echten Einfluss auf schulische oder bildungspolitische Entscheidungen“
Darüber hinaus betonen die LSVen die Bedeutung von Workshops und Kooperationen mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, um demokratische Werte im schulischen Alltag zu vermitteln. Demokratie dürfe keine bloße Theorie bleiben. Junge Menschen müssten die Möglichkeit haben, ihre Rolle in der Gesellschaft aktiv wahrzunehmen.
Die LSVen kritisieren, dass die Strukturen der Schüler:innenvertretungen auf schulischer und überregionaler Ebene oft unzureichend seien. „Die Mitwirkungsrechte von Schüler:innen sind häufig symbolischer Natur und haben keinen echten Einfluss auf schulische oder bildungspolitische Entscheidungen“, schreiben die Autorinnen und Autoren. Die Schüler:innenvertretungen sollten daher institutionell gestärkt und mit erweiterten Rechten ausgestattet werden. Auch die Bereitstellung von Beratungslehrkräften und anderen Begleitpersonen sei notwendig, um die Arbeit der Schüler:innenvertretungen nachhaltig zu unterstützen.
Ein weiterer zentraler Punkt des Papiers ist die Forderung nach einer umfassenden Medienbildung. Soziale Medien spielten eine zentrale Rolle in der politischen Willensbildung, würden jedoch oft von Desinformation und populistischen Narrativen geprägt. „Schüler:innen sind täglich mit einer Informationsflut konfrontiert und müssen lernen, zwischen Fakten, Meinungen und Desinformationen zu unterscheiden“, erklärt das Papier.
Die LSVen fordern, Medienbildung als fächerübergreifendes Thema in den Schulunterricht zu integrieren. Dazu gehöre nicht nur die Bereitstellung digitaler Grundausstattung, sondern auch die regelmäßige Fortbildung von Lehrkräften. Es sei essenziell, dass Schüler:innen die Funktionsweisen von Algorithmen und die Entstehung von Echokammern verstehen, um soziale Medien reflektiert und verantwortungsvoll nutzen zu können.
Im Schlusswort des Abschlusspapiers betonen die LSVen die Dringlichkeit ihrer Forderungen. „Unsere Demokratie steht vor nie dagewesenen Herausforderungen. Populismus, Desinformation und politische Polarisierung drohen, die Grundfesten unserer Gesellschaft zu erschüttern“, warnt das Papier. Politische Bildung sei keine Nebensache, sondern die Grundlage für eine gerechte und demokratische Zukunft. „Die Zeit zu handeln ist jetzt! Was heute in den Klassenzimmern passiert, entscheidet über die Gesellschaft von morgen“, heißt es. Der Anspruch dabei lautet: „Schule ist ein zentraler Ort für Wertevermittlung und Bildung, der junge Menschen zu selbstbewussten, reflektierten und engagierten Demokrat:innen formen sollte.“ News4teachers
Hier lässt sich das vollständige Papier herunterladen.
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