DÜSSELDORF. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen plant die Streichung des Förderunterrichts an den Grundschulen, um die bereits erfolgte Aufstockung der Stundentafel in Deutsch und Mathematik zu finanzieren. Die Lehrergewerkschaften schlagen Alarm. In einer Zeit, in der eine Bildungsstudie nach der nächsten bestätigt, wie dringend notwendig die Stärkung der Basiskompetenzen ist, halten es GEW und VBE für fatal, ausgerechnet auf die Förderung in kleinen Lerngruppen zu verzichten.
Nordrhein-Westfalens Schulministerin Dorothee Feller hatte zum Start des Schuljahres 2024/25 neue Maßnahmen vorgestellt, um die Basiskompetenzen der Schülerinnen und Schüler weiter zu stärken und Lehrerinnen und Lehrer zu entlasten. „Auch im neuen Schuljahr stellen wir unsere Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt“, versprach sie. „Unsere Schulleitungen, Lehrkräfte und die vielen weiteren Berufsgruppen, die in unseren Schulen tätig sind, werden wir weiter gezielt unterstützen, damit sie die Basiskompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen gezielt fördern können“, erklärte die Ministerin – und kündigte an: In den Grundschulen des Landes soll künftig mehr Unterricht in den Fächern Deutsch und Mathematik erteilt werden.
Mehr Fachunterricht für Deutsch und Mathematik in der Grundschule – aber…
Dazu beabsichtige das Schulministerium, die Stundentafel anzupassen und für die beiden Fächer in jeder Jahrgangsstufe jeweils eine Stunde mehr vorzusehen, wie es in einer Pressemitteilung im August 2024 hieß. „Dazu sollen bisher variable Förderstunden verbindlich den beiden Fächern zugeordnet werden. Damit werden von Klasse 1 bis 4 fast durchgehend sechs Stunden Deutsch und fünf bis sechs Stunden Mathematik pro Woche unterrichtet.“ Zum Start des neuen Schuljahres werde das erforderliche Beteiligungsverfahren zur Änderung der Ausbildungsordnung für die Grundschule eingeleitet mit dem Ziel, dass die Änderung zum zweiten Schulhalbjahr umgesetzt werden kann – also jetzt. So bleibe den Schulen ausreichend Zeit, um sich auf die Neuregelung vorzubereiten.
Feller kommentierte das so: „Mit der Lesezeit von 3×20 Minuten haben wir bereits im vergangenen Schuljahr begonnen, diese Basiskompetenzen gezielt zu stärken. Auf diesem Weg gehen wir konsequent weiter voran und erhöhen dazu in einem weiteren Schritt in der Grundschule die Stundenzahl in den Fächern Deutsch und Mathematik. Mit dem Lesen, Schreiben und Rechnen werden die unverzichtbaren Grundlagen für alle weiteren Bildungs- und Lebenswege unserer Schülerinnen und Schüler gelegt.“
„Wer ernsthaft Bildungs- und Teilhabegerechtigkeit sichern will, darf nicht bei den Förderstunden sparen“
Aus Sicht der Lehrergewerkschaften GEW und VBE stellt sich die Situation allerdings anders dar. „Ohne eine rechtliche Grundlage für eine Förderung in Kleingruppen verlieren gerade Kinder, die besondere Unterstützung brauchen, den Anschluss. Statt Chancengleichheit zu fördern, werden auf diese Weise vorhandene Ungleichheiten weiter verschärft“, so heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung.
Laut dem aktuellen Bildungsbericht Ruhr erreicht in der Region jedes dritte Grundschulkind ein Jahr vor dem Wechsel in die weiterführende Schule nicht die Mindeststandards in Deutsch und Mathematik. „Wer ernsthaft Bildungs- und Teilhabegerechtigkeit sichern will, darf nicht bei den Förderstunden sparen“, sagt die GEW-Landeschefin Ayla Çelik. „Die stattdessen versprochene zusätzliche Unterrichtsstunde in Deutsch und Mathematik in Klassen mit bis zu 28 Schüler*innen kann nicht das auffangen, was ein gezielter Förderunterricht zur Stärkung der Basiskompetenzen leistet.“
Und weiter: „Unsere Lehrkräfte kämpfen täglich für die bestmögliche Bildung aller Kinder. Doch damit das gelingen kann, brauchen sie Zeit, Ressourcen und gute Arbeitsbedingungen. Die Streichung des Förderunterrichts nimmt ihnen ein zentrales Instrument, um individuelle Lernbedarfe gezielt zu unterstützen.“
Anne Deimel, Landesvorsitzende des VBE, stößt ins gleiche Horn. „Wenn man Kinder, Eltern und Lehrkräfte fragt, was in den Schulen verbessert werden muss, wird mit an erster Stelle der Wunsch nach Lernen in kleineren Klassen genannt. Den Grundschulen soll nun die einzige Möglichkeit in der Woche hierfür genommen werden. Das kann doch nicht sein“, meint sie. „Dabei zeigt die Realität, dass es in Zukunft noch wesentlich mehr Zeit für individuelle Förderarbeit in kleineren Lerngruppen geben müsste.“
GEW und VBE zeigen sich einig: „Gute Bildung braucht gute Rahmenbedingungen und dazu gehört auch der Förderunterricht. Wer ernsthaft Qualität sichern und Bildungsgerechtigkeit fördern will, streicht nicht die Mittel, die genau das ermöglichen!“ News4teachers
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