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Alarmierende Studie: “Eigentlich ständig in einem Rollenkonflikt” – Warum kaum noch jemand Schulleitung werden will

ESSEN/DÜSSELDORF. Schulleitungen in Nordrhein-Westfalen stehen massiv unter Druck – das zeigt eine aktuelle Erhebung der Bildungsgewerkschaft GEW NRW in Kooperation mit Arbeitsforschenden. Die Ergebnisse machen deutlich: Wer eine Schule leitet, arbeitet oft über das Limit hinaus – emotional wie zeitlich.

Job gefällig? Illustration: Shutterstock

Viele Schulleitungen stehen unter permanentem Druck. Der tägliche Spagat zwischen Verantwortung, Konfliktmanagement und hoher Erwartungshaltung ist, im Vergleich zu anderen Berufsgruppen, emotional besonders herausfordernd. Auch ausufernde Arbeitszeiten und das Gefühl rund um die Uhr verfügbar sein zu müssen, führen zu Überlastung.

Erstmalig stehen psychosoziale Belastungen im Fokus

In Zusammenarbeit mit dem GEW-Hauptvorstand und der Freiburger Forschungsstelle für Arbeitswissenschaften (FFAW) ist die GEW NRW erstmalig den psychosozialen Belastungen von Schulleitungen auf den Grund gegangen. In NRW haben sich knapp 1.300 Personen an der Umfrage beteiligt. Mit dem breit erprobten Fragebogen „Copenhagen Psychosocial Questionnaire“ (COPSOQ) lässt sich nicht nur die Belastung von Schulleitungen sichtbar machen, sondern sie lässt sich auch mit anderen Berufsgruppen vergleichen.

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Demnach fühlen sich Schulleitungen von ihrer Tätigkeit deutlich stärker gefordert als der Durschnitt der Beschäftigten aller Berufsgruppen aus der COPSOQ-Datenbank. Im Vergleich dieser beiden Gruppen schätzen Schulleitungen sowohl die Menge an Aufgaben als auch die emotionalen Anforderungen deutlich höher ein. Hinzu kommt, dass sie eher das Gefühl haben, ihre Emotionen verbergen zu müssen. Sie beurteilen außerdem die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben als unvorteilhafter und berichten häufiger von einer Entgrenzung zwischen Beruf und Privatleben.

Gesundheitliche Auswirkungen

Die in den Ergebnissen ersichtliche Belastung schlägt sich vermutlich auf ihre Gesundheit nieder: So nehmen Schulleitungen laut Befragung häufiger als der Berufsgruppen-Durchschnitt Burnout-Symptome wahr, sie gehen häufiger krank zur Arbeit und haben größere Schwierigkeiten, abzuschalten. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die befragten Schulleiter*innen ihren allgemeinen Gesundheitszustand ebenfalls schlechter einschätzen.

Trotz allem zeigen sich die Schulleitungen aber mit ihrer Arbeit ähnlich zufrieden wie der Durchschnitt aller bisher mit der Methode befragten Beschäftigten. Eventuell steht dieses Ergebnis in Verbindung mit den Ergebnissen aus dem Bereich „Einfluss und Entwicklungsmöglichkeiten“. Gegenüber dem Querschnitt aller Berufsgruppen aus der COPSOQ-Datenbank empfinden Schulleiter*innen in einem erkennbar höheren Maße, dass sie Einfluss auf ihre Arbeit haben. Ebenso schätzen sie die Entwicklungsmöglichkeiten insgesamt wesentlich besser ein. Hinzu kommen, dass sie nicht nur die Bedeutung ihrer Arbeit positiver wahrnehmen, sondern auch eine viel größere Verbundenheit mit dem Arbeitsplatz verspüren.

Regelmäßige Arbeit an Wochenenden, abends und nachts

„Die Studie gibt in vielerlei Hinsicht Antworten darauf, warum es in NRW so viele unbesetzte Schulleitungsstellen gibt“, sagt die Landesvorsitzende der GEW NRW, Ayla Çelik. „94 Prozent der befragten Schulleitungen haben angegeben, regelmäßig am Wochenende zu arbeiten. 88 Prozent arbeiten auch abends oder nachts. Es gibt keine klare Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben: Hier werden die strukturelle Überlastung und das Erwartungsniveau besonders deutlich. Das sind Rahmenbedingungen, die mit einem wirksamen Gesundheitsschutz nicht vereinbar sind.“

Auch die emotionalen Anforderungen an Schulleitungen seien alarmierend, erklärt Ayla Çelik: „Schulleitungen haben eine enorme Verantwortung und stehen dabei oft zwischen den Stühlen. Sie sind Puffer zwischen Kollegium, Eltern, Schülern und Schulaufsicht. Sie sind Manager*innen, Streitschlichter, Psycholog*innen und Pädagog*innen in einer Person und eigentlich ständig in einem Rollenkonflikt.“

„Eine Schule zu leiten, darf keine Zumutung sein.“

Nicht ohne Grund sei laut GEW aktuell jede zehnte Schulleitungsstelle in NRW unbesetzt, bei den stellvertretenden Schulleitungen sogar fast jede Fünfte. Besonders dramatisch sei die Lage an Grundschulen. Gleichzeitig gingen in den kommenden fünf Jahren hunderte Leitungskräfte in den Ruhestand.

„Diese Entwicklung gefährdet nicht nur die Führungskultur an unseren Schulen, sondern auch die Qualität von Bildung und Schulentwicklung. Eine Schule zu leiten, darf keine Zumutung sein. Viele Schulleitungen leisten deutlich mehr, als offiziell anerkannt wird. Aber solange diese Mehrarbeit unsichtbar bleibt, wird sich nichts ändern. Wir müssen sichtbar machen, was geleistet wird. Nur so können wir echte Entlastung und faire Bedingungen schaffen. Als GEW NRW fordern wir, dass die Leitungsämter durch eine deutliche Entlastung aufgewertet werden. Zusätzliche Verwaltungsassistenzen, multiprofessionelle Teams und mehr Leitungszeit könnten die Belastung und die komplexe Aufgabendichte abfedern!“ News4teachers

Hier geht es zu einer ausführlichen Zusammenfassung der Studienergebnisse. 

Fast alle Schulleitungen fühlen sich und ihr Kollegium vom System ausgebremst – die meisten überschreiten deshalb Vorgaben

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