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Scheitert die Grundschule beim Vermitteln der Rechtschreibung? Eine Grundsatz-Debatte unter Lehrkräften

DÜSSELDORF. Was läuft schief beim Schreibenlernen? In einem aufschlussreichen Austausch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutierten Grund- und Gymnasiallehrkräfte, was wirklich hinter der zunehmend schwachen Rechtschreibleistung vieler Schülerinnen und Schüler steckt – und wo die Verantwortung liegt. Es geht um überfrachtete Curricula, fehlende Zeit für Übung, fragwürdige Methoden und Missverständnisse zwischen Schulformen. Die Kommentare zeigen: Es wird beim Thema Rechtschreibförderung schnell grundsätzlich. Wir dokumentieren einen Auszug aus der Debatte im Wortlaut.

Orthografie? Nein, danke. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Gymnasiallehrerin: „Wir erhalten am Gymnasium halbe Analphabeten aus den Grundschulen. Das mangelhafte Curriculum, das Kompetenzen vor Fachwissen stellt, ist hierfür die eine Ursache. Es fehlt die Zeit für praktische Übungen. Überfüllte Klassen mit zahlreichen ,,verhaltensoriginellen” Kindern (dieses Wort wirkt schon von sich aus ironisch) leisten ebenfalls ihren Beitrag zu dieser Problematik. Selbstverständlich sind Schüler gelegentlich von einer LRS betroffen. Das ist jedoch nicht das von vielen Eltern erhoffte Massenphänomen, weil das eigene Kind noch nicht die Grundlagen des Schreibens erlernt hat. Die Testerei hierzu soll bitte an anderer Stelle vorgenommen werden. Noch mehr zusätzliche Arbeit halse ich mir mit Sicherheit nicht auf.“

Rechtschreibung zielgenau fördern

Rechtschreibförderung – aber wie? Diese Frage stellt sich insbesondere an der weiterführenden Schule in den 5. und 6. Klassen immer wieder neu. Das Lernserver-Institut von Prof. Friedrich Schönweiss und seinem Team unterstützt Lehrkräfte mit einem wissenschaftlich fundierten, in der Praxis leicht einsetzbaren Konzept für die Rechtschreibförderung.

Das Prinzip: Auf eine einfach durchzuführende Testung (auf der Grundlage der Münsteraner Rechtschreibanalyse) folgen eine ausführliche Fehleranalyse und die Ermittlung des Förderbedarfs. Daraus erstellt das Tool, begleitet und überwacht von Sprachwissenschaftlern und Lerntherapeuten, individuelle Förderpläne mit konkreten Materialien; diese können dann von Lehr- und Förderkräften an der Schule, aber auch in der Nachhilfe oder zuhause gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen umgesetzt werden.

Mit den Lernserver-Materialien arbeiten Kinder ab der 1. Klasse bis hin zu Jugendlichen im Ausbildungsalter. Das Besondere: Die Materialien setzen genau dort an, wo der Schüler oder die Schülerin zuerst Unterstützung braucht – falls nötig noch vor dem orthographischen Bereich. Dadurch wird das notwendige Grundlagenwissen (auch für Kinder mit geringen Deutschkenntnissen oder Deutsch als Zweitsprache) sichergestellt.

Interessiert? Hier gibt es alle Informationen – schauen Sie vorbei: www.lernserver.de/deutsch.html

Eine Grundschullehrerin aus Niedersachsen antwortet: „Das hat weniger mit ‚Kompetenzen vor Fachwissen‘ zu tun, sondern damit, dass die Kerncurricula völlig überfrachtet sind. Die Kompetenzen (aka Lernziele) sind gar nicht alle erreichbar, wenn das Schuljahr normal lang ist, von kurzen Schuljahren ganz zu schweigen. Eine Kollegin sagte beim Erscheinen der letzten Curricula treffend ‚die Kinder präsentieren sich zu Tode‘. Alle diese wunderbaren Präsentations- und Sicherungsformen (Schattentheater, Hörspiel, Buchvorstellung im Karton/ mit Leserolle/ als Lapbook etc.) sind aber im Alltag Zeitfresser. Anstatt sich mit schwerpunktlichen Inhalten des Fachs zu beschäftigen, geht viel Zeit für Basteln oder Dauerstreit in einzelnen Gruppen drauf.

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Ich sehe das als Nicht-Deutschlehrerin zwar nur aus ‚der Ferne‘, erlebe das aber durchaus auch in meinen Fächern. Und wir haben ein gutes Einzugsgebiet mit Topp-Lehrkräften, die auch in Uni, Studienseminar bzw. in Fachberatung arbeiten. Getestet wird übrigens auch bei uns regelmäßig (z. B. durch die Hamburger Schreibprobe) – aber die Zeit reicht halt für all das, was Deutsch an der GS leisten soll, nicht mehr. Als Ausgleich gibt‘s jetzt ‘ne Stunde ‚sichere Basis‘, in der irgendwas fächerübergreifend für Basiskompetenzen gemacht werden soll. Keine Richtlinien, keine Arbeitsgrundlagen, nur ein freundliches ‚macht mal!‘. Das ist so unorganisiert, dass die Fachberatungen bei ihren Treffen 4 Monate nach Schulbeginn auf den FK-Leitungstreffen erst mal gesammelt haben, was an den Schulen da überhaupt so gemacht wird…“

Eine Grundschullehrerin aus Baden-Württemberg (antwortet auf Gymnasiallehrerin): „Das mag in manchen Fällen richtig sein. Meine Erfahrung sagt aber auch, dass Gymnasiallehrer im Prinzip fertige Rechtschreiber erwarten, die abgesehen von ein paar Sonderfällen fehlerfrei schreiben. Wenn man sich klarmacht, dass der Rechtschreibrahmen in BW bis zur 10. Klasse geht und diese Kinder insofern gerade mal 3 Jahre ihres Rechtschreibprozesses hinter sich und noch ca. 6 Jahre vor sich haben, frage ich mich manchmal schon: mit welchem Recht?

Genauso sind Gymnasiallehrer nicht bereit, endlich von dieser sinnlosen Diktatschreiberei Abstand zu nehmen. Was für eine Lebenskompetenz soll damit bitte trainiert werden? Eine Bewerbung oder Semesterarbeit zu schreiben und ohne Korrektur abgeben und bewerten zu lassen? – Es wäre wirklich schön, wenn Gymnasiallehrer endlich gemeinsam mit den Grundschullehrern auf die veränderte Lebenswirklichkeit (wie Sie ja schon schreiben) eingehen und ihren Unterricht anpassen würden, anstatt trotz der Einsicht in die Ursachen weiter auf GS-Lehrer und Schüler zu schimpfen!“

Die Gymnasiallehrerin antwortet: „Diktate überprüfen die Rechtschreibfähigkeiten. Wir suchen uns diese Art der Leistungskontrolle nicht aus, sondern befolgen curriculare Vorgaben. Interessant hierbei ist, dass die Schüler, die Diktate aus der Grundschule kennen, wesentlich weniger Probleme beim Schreiben haben als diejenigen, bei denen die Rechtschreibung in der Grundschule eine untergeordnete Rolle gespielt hat.“

Eine Mutter reagiert: „Dafür habe ich den Eindruck, dass man am Gymnasium meiner Tochter davon ausgeht, dass der Rechtschreiberwerb mit Klasse 4 abgeschlossen ist und keiner weiteren Übung bedarf. Sie ist nun in Jahrgangsstufe 9 und hatte seit der GS, wenn es hochkommt, zehn Stunden Rechtschreibunterricht.“ News4teachers 

Debatte um Rechtschreibung: “Wenn Lehrkräfte die Texte ihrer Schüler nicht mehr entschlüsseln können, ist das ein echtes Problem”

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