MAINZ. Nach der (ruhenden) Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“ durch den Verfassungsschutz verschärft Rheinland-Pfalz als erstes Bundesland seine Regeln für den öffentlichen Dienst: Künftig wird die Mitgliedschaft in der Partei dort als Hindernis für die Einstellung gewertet – betroffen sind vor allem Lehrkräfte. Die AfD wehrt sich lautstark. Aber auch andere Bundesländer prüfen Konsequenzen.
„Wer sich in den Dienst dieses Staates stellt, muss jederzeit loyal zur Verfassung stehen, ohne Wenn und Aber“ – mit dieser klaren Ansage hat Rheinland-Pfalz’ Innenminister Michael Ebling (SPD) eine verschärfte Verwaltungsvorschrift zur Verfassungstreue vorgestellt. Bewerberinnen und Bewerber für den öffentlichen Dienst im Land – dazu zählen vor allem Lehrkräfte, aber auch Polizistinnen und Polizisten – müssen künftig schriftlich versichern, keiner extremistischen Organisation anzugehören. Das Land zählt die AfD nun explizit dazu. Das berichtete die tagesschau.
Die Neuregelung gilt sowohl für Beamte als auch für Angestellte im öffentlichen Dienst. Wer die entsprechende Erklärung nicht abgibt oder Zweifel an seiner Verfassungstreue nicht ausräumen kann, wird nicht eingestellt, so Ebling. Für bereits Beschäftigte könne eine Mitgliedschaft in einer gelisteten Organisation ein disziplinarrechtlich relevantes Dienstvergehen darstellen – im Extremfall droht die Entfernung aus dem Dienst. Grundlage ist eine Liste extremistischer Organisationen, auf der künftig auch die AfD aufgeführt wird.
Die AfD reagierte empört. Der stellvertretende Landesvorsitzende Sebastian Münzenmaier warf Ebling vor, zu „antidemokratischen Mitteln“ zu greifen und Parteimitglieder pauschal unter Generalverdacht zu stellen. „Ministerpräsident Schweitzer muss seinen wildgewordenen Minister umgehend zurückpfeifen“, forderte er. Auch der rheinland-pfälzische Fraktionschef Jan Bollinger sprach von „systematischer Schikane“ und kündigte politischen wie juristischen Widerstand an: „Die AfD-Fraktion wird politisch und juristisch Widerstand leisten und die freiheitlich-demokratische Grundordnung gegen ihre Feinde verteidigen.“
Wie umgehen mit Lehrern mit AfD-Parteibuch? „Eine Gretchenfrage“
Wie mit AfD-Mitgliedern im Staatsdienst umzugehen ist, sorgt seit der Hochstufung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (die aufgrund einer Klage der Partei zunächst formal auf „ruhend“ gestellt wurde, also nicht mehr aktiv kommuniziert wird) bundesweit für Diskussionen. Auch im Bildungsbereich wird intensiv debattiert – insbesondere mit Blick auf Lehrerinnen und Lehrer.
Vor allem eines sieht der Verfassungsschutz laut „Spiegel“ als problematisch an: den „ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff“, der in der AfD vorherrsche. Dieser sei nicht mit Artikel 1, Absatz 1 des Grundgesetzes vereinbar – der Menschenwürde.
Demnach unterscheiden Funktionäre der Partei zwischen „echten“ Deutschen und „Passdeutschen“. Letztere würden aufgrund ihres Migrationshintergrunds von der AfD als Staatsbürger zweiter Klasse angesehen. Eben auch in der Bildung: So drängen Parteivertreter immer wieder darauf, Kinder mit Migrationshintergrund – ebenso wie Kinder mit Behinderungen – aus Regelschulen zu verweisen. „Weil immer wenn Sie zwei Flüssigkeiten zusammenschütten, dann erhalten Sie irgendwo eine Mischung“, so begründete das der bayerische Landesvorsitzende Martin Böhm.
„Kann jemand, der der AfD angehört, noch Lehrer sein für unsere Kinder?“ Diese Frage stellte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bereits Anfang Mai. Für Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), ist das „die Gretchenfrage“. Klar sei: „Lehrkräfte sollen junge Menschen zu Demokraten auf dem Boden des Grundgesetzes erziehen“, sagte sie dem BR. Wenn Zweifel an der Verfassungstreue bestünden, müsse man den Einzelfall „sehr klar“ prüfen.
Michael Schwägerl, Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbands, betonte gegenüber dem Sender, dass Demokratieerziehung kein Lippenbekenntnis bleiben dürfe. Lehrkräfte müssten sich nachdrücklich für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einsetzen. Der Verband fordere daher Bund und Länder auf, zu prüfen, welche rechtsstaatlichen Maßnahmen gegen extremistische Parteimitgliedschaften im Schuldienst möglich seien. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands (DLV), Stefan Düll, äußerte sich gegenüber dem BR noch deutlicher: „Die Unvereinbarkeit von rechtsextremistischer AfD-Mitgliedschaft und Verfassungstreue liegt auf der Hand.“ Extremistinnen und Extremisten hätten im Schuldienst nichts zu suchen.
„Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen“
Auch in anderen Bundesländern ist die Debatte entbrannt. Die Innenminister von Hessen und Bayern haben angekündigt, die Konsequenzen für AfD-Mitglieder im Staatsdienst zu prüfen (News4teachers berichtete). Herrmann sagte: „Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen.“ Jeder Fall sei „einer zu viel“.
Der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter forderte gegenüber dem Handelsblatt ein entschlossenes Vorgehen: „Eine Mitgliedschaft in der AfD ist [mit der Hochstufung durch den Verfassungsschutz] nicht vereinbar.“ Er sprach sich im Zweifel für Entlassungen aus. Auch der frühere CDU-Staatssekretär Marco Wanderwitz erklärte in der Zeit, Beamte müssten nun abwägen, ob ihre Parteimitgliedschaft ihre Karriere gefährde. Er erwarte eine Austrittswelle.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte eine einheitliche Regelung in allen Bundesländern. „Beamte unterliegen nicht nur der Neutralitäts-, sondern auch der Verfassungstreuepflicht“, so GdP-Sprecher Benjamin Jendro. Die Mitgliedschaft in einer als rechtsextrem eingestuften Partei widerspreche diesem Auftrag.
Vollständig geklärt ist die Rechtslage nicht. Der Kölner Arbeitsrechtler Jens Usebach weist auf anwalt.de darauf hin: Die bloße Parteimitgliedschaft sei durch das Grundgesetz geschützt – solange kein Parteiverbot vorliegt. Aber: Die Einstufung als „gesichert rechtsextrem“ bringe eine „Beweiserleichterung“. Wenn Beamte aktiv für die Partei werben oder organisatorisch tätig seien, könne das ein Dienstvergehen darstellen – insbesondere im Bildungsbereich, wo Neutralität und Verfassungstreue zentral seien. News4teachers