Donnerstag: «Das ist ein denkbares Modell», sagt Bundesbildungsministerin Karin Prien zur Idee einer Obergrenze für Kinder mit Migrationshintergrund an Schulen (News4teachers berichtete).
Freitag: Prien plädiert dafür, das Konzept einer Obergrenze für Kinder mit Migrationshintergrund an Schulen genau abzuwägen. «Man kann alle möglichen Dinge ausprobieren, wenn sie funktionieren», sagt die CDU-Politikerin bei dem Besuch einer Kita in Bremen zusammen mit Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD). Nach ihrer Kenntnis sei das Modell bislang nicht wissenschaftlich evaluiert. «Da muss man wirklich schauen, funktioniert das oder funktioniert das nicht.»
Da Bildung und Kitas Ländersache sind, kann der Bund keine einheitlichen Regeln zum weiteren Vorgehen vorschreiben. Prien betont daher, sie wolle sich nicht anmaßen, anderen «kluge Vorschläge» zu machen. Klar sei, dass das Konzept nicht an allen Orten praktikabel sei. «Für Bremerhaven ist das sicherlich kein Modell», sagt Prien auf die Frage eines Reporters, der auf Stadtteile mit hohen Migrantenanteilen hinwies. In anderen Städten, wie etwa Hamburg, wo es Stadtteile mit unterschiedlichen Sozialstrukturen gebe, ließe sich dies aber besser steuern, sagt Prien.
«Wir wissen heute aus der Wissenschaft klar, dass ohne gute Deutschkenntnisse zu Anfang der Schullaufbahn die Bildungschancen deutlich schlechter sind»
«Das ist übrigens gar nicht so spektakulär», meint sie. Bereits in den Jahren nach 2015 als viele Flüchtlinge nach Deutschland kamen und 2022 als Ukrainer vor dem Krieg in die Bundesrepublik flüchteten, sei in Städten schon darauf geachtet worden, nicht alle Kinder einer Flüchtlingsunterkunft allein in einer Schule unterzubringen, sondern sie zu verteilen, sagte die Ministerin. Mit welchem Recht sie Kindern mit Migrationshintergrund, die oftmals deutsche Staatsbürger sind (eine völlig andere Gruppe als Flüchtlinge), die Schulwahl einschränken will, erklärt sie dabei nicht.
Hintergrund: Im Schnitt rund 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland haben einen Migrationshintergrund – in Städten zum Teil deutlich mehr. Etwa die Hälfte davon sind Deutsche.
Prien macht stattdessen deutlich, dass es aus ihrer Sicht ohnehin entscheidend sei, dass Kinder, wenn sie in die Schule kämen, Deutsch sprechen könnten. «Wir wissen heute aus der Wissenschaft klar, dass ohne gute Deutschkenntnisse zu Anfang der Schullaufbahn die Bildungschancen deutlich schlechter sind. Deshalb müssen wir dafür Sorge tragen, dass Kinder, die in Deutschland aufwachsen, mit der Einschulung auch Deutsch können.»
Die Idee, Migrantenquoten in Schulen einzuführen, stammt ursprünglich von der AfD. Die kritisierte dann auch Priens Vorstoß vom Donnerstag – als zu lasch. Der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD-Landesverband Brandenburg hatte eine Migrantengrenze von zehn Prozent in Schulklassen gefordert (ohne zu erklären, was mit den übrigen betroffenen Kindern geschehen soll). Prien sprach am Donnerstag von 30 bis 40 Prozent.
Auch der Koalitionspartner im Bund reagierte umgehend auf diese Einlassung – scharf ablehnend. Jasmina Holstert, Sprecherin für Bildung in der SPD-Fraktion, sagte gegenüber der Welt: «Die Einführung von Migrationsquoten, Obergrenzen oder ähnliche Modelle finde ich grundlegend falsch. Wir müssen dafür sorgen, dass Kinder ganz unabhängig von ihrem Hintergrund Unterstützung in Schulen bekommen.» Gute Bildung und Integration gelängen durch gezielte Förderung, nicht durch Ausgrenzung. «Dafür müssen wir die Kitas und Schulen stärken und nicht Kinder nach unsinnigen Kriterien aufteilen wollen.»
Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, erklärte: «Eine Obergrenze für Kinder mit Migrationsbiografie in Schulklassen erscheint zwar auf den ersten Blick als möglicher Lösungsansatz für Bildungsprobleme – praktisch ist sie jedoch kaum umsetzbar.»
In Ballungsräumen wie Berlin oder München liege der Anteil der Bevölkerung mit Migrationsbiografie bei rund 50 Prozent, in manchen Grundschulen sogar bei 80 oder 90 Prozent. «Eine künstliche Begrenzung würde bedeuten, dass Kinder zu ihren Schulen weite Strecken zurücklegen müssten – entgegen dem Prinzip wohnortnaher Beschulung. Zudem erschwert es die schulorganisatorische Praxis, wie etwa Kopplungen für den Religions- und Ethikunterricht oder den Sportunterricht nach Geschlechtern.»
Statt fixer Quoten müsse der Fokus auf frühzeitiger und gezielter Sprachförderung liegen. Kinder, die bereits im Vorschulalter Sprachdefizite zeigten, müssten möglichst früh durch verbindliche Tests identifiziert und gefördert werden. «Ziel ist es, dass Kinder beim Eintritt in die Schule über einen grundlegenden Wortschatz verfügen, um überhaupt sinnvoll am Unterricht teilnehmen zu können», befand Düll.
«Der beste Ansatz, um mit einem hohen Migrationsanteil in Schule umzugehen, ist es, die individuelle Förderung sicherzustellen»
Kritik an Priens Vorstoß kam auch vom VBE. «Nicht alles, was denkbar erscheint, ist eine Lösung», erklärte Bundesvorsitzender Gerhard Brand. «Einer realen Situation mit unrealistischen Vorstellungen zu begegnen, wird niemandem helfen. Es entspricht nicht unserem Menschenbild, die Kinder dafür verantwortlich zu machen, mehr Unterstützung zu benötigen.» Es brauche insbesondere bei der Politik ein Umdenken: von der Defizitorientierung zur Verantwortungsübernahme. «Der beste Ansatz, um mit einem hohen Migrationsanteil in Schule umzugehen, ist es, die individuelle Förderung sicherzustellen. Dies gelingt nur in angemessen kleinen Klassen, mit Unterstützung durch multiprofessionelle Teams und in einer lernförderlichen Umgebung.»
Diese Bedingungen aber gebe es in schon in Kitas nicht, wo die Sprachförderung beginnen müsse. Brand: «Aufgrund des Personalmangels in Bildungseinrichtungen ist die zusätzliche Förderung von Kindern oft nicht gegeben.» News4teachers / mit Material der dpa
