ROSTOCK. «Pferde und Ponys» statt «Indianer-Fest» – eine Kita in Rostock ändert nach Kritik das Motto ihres Sommerfestes und handelt sich einen rechten Shitstorm ein, angeführt (mal wieder) von der «Bild»-Zeitung. Warum ist es in Deutschland so schwierig, Respekt für vermeintlich fremde Menschengruppen zu zeigen? Ein Kommentar von News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek.
Man stelle sich vor, eine deutsche Kita würde ein «Juden-Fest» planen – mit Jungen und Mädchen, die sich mit angeklebten Locken, mit Perücken, Kippas aus Plastik und selbstgebastelten Gebetsmänteln fröhlich verkleiden. Undenkbar? Bei «Indianern» (immerhin auch Opfer eines Völkermords, dessen Spuren bis heute in amerikanischen Reservaten deutlich sichtbar sind) wirken Deutsche nicht so zimperlich: Noch immer scheinen Indianer-Kostüme, gespeist aus den realitätsfernen Bildern von Karl-May- und Yakari-Filmen, bei launigen Kinderpartys und im Karneval hoch im Kurs zu stehen. Und bei Humor hört bekanntlich der Spaß hierzulande auf.
So viel zum Hintergrund. Die aktuelle Geschichte: Die Umbenennung eines ursprünglich als «Indianer-Fest» geplanten Sommerfestes einer Kindertagesstätte in Rostock sorgt für gehörigen Ärger. Nach Kritik an dem Begriff «Indianer» aus der Elternschaft hatte sich die Kita-Leitung per E-Mail entschuldigt und wählte stattdessen das Motto «Pferde und Ponys». Eine Sprecherin des Trägers der Einrichtung bestätigte einen entsprechenden Bericht der «Ostsee-Zeitung».
Zur Begründung der Umbenennung heißt es in der E-Mail, aus der die «Ostsee-Zeitung» zitiert, der kritisierte Begriff spiegle «nicht die Vielfalt und die kulturelle Bedeutung der indigenen Völker Nordamerikas angemessen» wider. Künftig wolle man respektvollere Begriffe verwenden.
Das aber rief nun wiederum die Verteidiger deutschen Frohsinns – allen voran: die «Bild»-Zeitung – auf den Plan. «Wenn die Kinder könnten, würden sie diese Erwachsenen wahrscheinlich am liebsten an den Marterpfahl binden», befand das Boulevard-Blatt. „An einer Kita in Rostock wurde die Indianer-Party abgesagt – wegen des Wortes ‚Indianer‘. Die enttäuschten Kinder bekamen stattdessen das Motto ‚Pferde und Ponys‘ vorgesetzt.»
Eltern und Großeltern zeigten dann auch vor der Kita kein Verständnis für die Umbenennung und sprachen unter anderem von «Nonsens». Der Landeschef der CDU und Fraktionsvorsitzende im Schweriner Landtag, Daniel Peters, schrieb auf X: «Diese politische Überkorrektheit nervt die Menschen nur noch. Ich habe dafür kein Verständnis. Unsere Kinder sollen weiter “Cowboy und Indianer” spielen dürfen, so wie wir es früher getan haben.»
«Das ist pseudo-korrekter Irrsinn“, kommentiert auch die „Ostsee-Zeitung“. Ist es das? «Zunächst ist festzuhalten, dass es entgegen dem Geschrei von rechts kein “Indianer-Verbot” gibt», betont der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Schweriner Landtag, Michael Noetzel. Die Kinder könnten ihr Fest veranstalten, nur das Motto sei geändert worden.
“Am liebsten hätte ich meine Hautfarbe gleich mit geändert. Aber ich konnte mein Kostüm nicht ausziehen”
Und was Sensibilität im Umgang mit Ethnien angeht, macht es womöglich Sinn, mal mit Betroffenen zu sprechen – statt immer nur über deutsche Befindlichkeiten zu reden. Das Magazin «Vice» hat das (bereits 2019) getan. Und ein Statement von Tyrone White, einem in Deutschland lebenden Cheyenne River Sioux eingeholt. Befragt, wie er Indianer-Kostüme im Karneval und auf Kita-Festen so findet, antwortet er: «Ich fühle mich davon wirklich beleidigt.» Denn in den albernen und alle kulturellen Hintergründe missachtenden Verkleidungen spiegele sich der Rassismus, den die Angehörigen der rund 500 amerikanischen Völker bis heute tagtäglich erfahren.
White: «In der fünften Klasse, noch in den USA, bin ich für ein Jahr zu einer Schule mit überwiegend weißen Kindern gegangen. Damals trug ich meine Haare lang. Ich wurde von Schulkindern und deren Eltern gemobbt. Mir wurden rassistische Schimpfwörter zugeworfen, als ob es kein Morgen gäbe (“dummer Indianer”, “dreckiger Indianer” – es fällt weißen Leuten scheinbar schwer, kreative Schimpfwörter für jemanden wie mich zu finden …). Ich habe meine Eltern gebeten, mir die Haare abzuschneiden. Am liebsten hätte ich meine Hautfarbe gleich mit geändert. Aber ich konnte mein Kostüm nicht ausziehen. Ich musste mit der Diskriminierung leben. Als ich mit der High School fertig war und noch bevor ich zur Uni ging, habe ich mir dann meine Haare abgeschnitten. Gebracht hat es nichts, ich wurde immer noch als stupid fucking Indian bezeichnet.»
Gerne mal direkt gefragt: Würden Sie sich zu Karneval als Jude oder Jüdin verkleiden? News4teachers / mit Material der dpa
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