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Bürger verlieren Vertrauen in Staat, immerhin: Bildung stabil (“wegen der Lehrkräfte”)

BERLIN. Der Staat verliert rasant an Rückhalt – das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger sinkt das fünfte Jahr in Folge. Doch ein Bereich sticht heraus: die Bildung. Zwar erhalten Schulen schlechtere Noten, doch deutlich weniger Menschen als noch 2019, immerhin, halten den Staat bei dieser Aufgabe für überfordert. Für den VBE-Vorsitzenden Gerhard Brand ist das ein Beleg dafür, dass Lehrkräfte trotz aller Widrigkeiten in der Gesellschaft weiter hohes Ansehen genießen.

Irgendwo dazwischen. Illustration: Shutterstock

Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat sinkt seit Jahren. Doch die aktuelle Bürgerbefragung des dbb beamtenbund und tarifunion, durchgeführt vom Meinungsforschungsinstitut forsa, zeigt auch: In der Bildungspolitik hat sich das Bild (ein bisschen) zum Positiven gewandelt. 2019 sagten noch ein Viertel der Befragten, der Staat sei mit der Aufgabe „Bildung“ überfordert. In der aktuellen Befragung sind es nur noch 15 Prozent.

Für den Bundesvorsitzenden des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Brand, ist das der entscheidende Hinweis: „Es freut uns, dass sich das Bild von Schule ändert. Gleichzeitig ist das kein Verdienst von auferlegten Reformen, sondern von den Lehrkräften, die tagtäglich ihr Bestes geben.“ Brand betont, dass die Gesellschaft sehr wohl zwischen der oft kritisierten Bildungspolitik und der Arbeit der Lehrkräfte vor Ort unterscheidet. „Nicht umsonst zeigt die Umfrage auch, dass die Gesellschaft ein hohes Ansehen von Menschen hat, die Kinder bilden und erziehen. Das zeigt: Es kommt auf die persönliche Beziehung, das Arbeiten vor Ort an – und nicht darauf, was sich im Elfenbeinturm ausgedacht wird.“

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Gleichzeitig enthält die Befragung auch Warnsignale für das Bildungssystem. So ist die Bewertung der Schulen insgesamt schlechter geworden: Während sie 2020 noch die Durchschnittsnote 2,9 erhielten, liegt die Bewertung aktuell bei 3,2. Kindergärten rutschten von 2,2 auf 2,5 ab.

Auch beim gesellschaftlichen Ansehen pädagogischer Berufe gibt es Verschiebungen. 77 Prozent der Befragten sprechen Erzieherinnen und Erziehern hohes Ansehen zu, bei Lehrkräften sind es 65 Prozent – ein leichter Rückgang im Vergleich zu 2020. Besonders stark betroffen sind die Studienräte: Nur noch 38 Prozent verbinden mit ihnen hohes Ansehen, vor fünf Jahren waren es 45 Prozent. Zum Vergleich: Journalistinnen und Journalisten erreichen nur noch 29 Prozent (2020: 41), Politikerinnen und Politiker stürzen von 24 auf 11 Prozent ab.

Ein weiteres alarmierendes Ergebnis betrifft den Umgang mit Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. 30 Prozent der Befragten haben bereits selbst miterlebt, dass Beamtinnen oder Angestellte behindert, belästigt oder sogar angegriffen wurden. Besonders betroffen sind Einsatzkräfte, Busfahrer – aber auch Lehrkräfte. Von denen, die solche Übergriffe beobachtet haben, gaben 30 Prozent an, dass es Lehrkräfte traf, 15 Prozent Erzieherinnen und Erzieher.

„Wenn die Politik jetzt nicht einschreitet, ist das unterlassene Hilfeleistung“

Brand stellt klar: „Mindestens jede 10. Person hat selbst gesehen, wie jemand aus dem Bildungsbereich attackiert wurde. Das Märchen vom Einzelfall hat lange ausgedient.“ Bereits im Januar hatte der Verband eigene Erhebungen vorgelegt, die ähnliche Ergebnisse zeigten (News4teachers berichtete). Die neuen Zahlen aus der dbb-Bürgerbefragung bestätigen nun, wie strukturell das Problem ist: „Wenn die Politik jetzt nicht einschreitet, ist das unterlassene Hilfeleistung.“

Auch dbb-Bundesvorsitzender Volker Geyer sieht die Situation kritisch: „Dass die offensichtlich vorhandenen Probleme bislang eher ausgesessen wurden, hat nicht zuletzt auch Konsequenzen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und das Prestige ihrer Berufe.“ Die Hälfte aller Beschäftigten wünscht sich mehr Rückhalt durch den Arbeitgeber oder Dienstherrn. Geyer fordert: „Der Staat darf seine Beschäftigten nicht alleine lassen. Das bedeutet: Umfassende Prävention, lückenlose Dokumentation, volle Unterstützung für Betroffene und konsequentes Verfolgen von Täterinnen und Tätern.“

Die Bürgerinnen und Bürger haben zudem klare Vorstellungen davon, wie der Staat wieder Vertrauen zurückgewinnen könnte: weniger Vorschriften, schnellere Bearbeitung von Anliegen und deutlich mehr digitale Dienstleistungen. Die Hoffnung richtet sich dabei auch auf das neu geschaffene Digitalministerium. „Wenn es gelingt, Digitalisierung und KI-Einsatz in der Verwaltung endlich flächendeckend voranzubringen, spart das nicht nur Kosten und entlastet die Kolleginnen und Kollegen. Es erfüllt auch die klare Forderung der Bürgerinnen und Bürger nach einem digitalen öffentlichen Dienst mit schnellen und bürgernahen Serviceleistungen“, erklärte Geyer. Gerade Schulen, die vielerorts noch mit überholten Verwaltungsprozessen und Papierakten arbeiten, könnten hiervon direkt profitieren.

Ein weiterer zentraler Befund: 65 Prozent der Befragten halten es für (sehr) wichtig, gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen. VBE-Chef Brand sieht darin einen klaren Auftrag an die Politik: „Wir sehen immer wieder, wie abhängig die Ausstattung der Schule und die Zusammensetzung der Schülerschaft von ihrer Umgebung sind. Politik ist in der Pflicht, durch eine angemessene finanzielle Ausstattung und durch die individuellen Entscheidungen über Personalzuweisung gleichwertige Lernumgebungen bereitzustellen, die ein Fortkommen für jedes Kind sichern.“

Hinzu kommt eine wachsende Skepsis gegenüber der Politik insgesamt: 70 Prozent der Befragten glauben nicht daran, dass die neue Bundesregierung die Performance des Staates verbessern wird. Volker Geyer warnte vor einem „harten Aufprall“, sollte die Regierung erneut die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger enttäuschen. Für Schulen und Lehrkräfte bedeutet das: Sie stehen im Zentrum einer doppelten Herausforderung – als Stabilisatoren einer zunehmend verunsicherten Gesellschaft und zugleich als Leidtragende einer Politik, die wenig Anstrengungen unternimmt, nachhaltige Lösungen für die Bildung zu liefern. News4teachers 

Hier geht es zu den vollständigen Umfragen. 

Beamtenbund-Umfrage: Ansehen von Lehrkräften steigt – Vertrauen in die Bildungspolitik schwindet

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