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Verwaltungsgericht zwingt Gymnasium, Klassen mit 36 Schülern einzurichten

BERLIN. Berlin erlebt zum Schuljahresbeginn eine außergewöhnliche und umstrittene Entscheidung: Das Verwaltungsgericht hat das Pankower Schulamt angewiesen, am Heinrich-Schliemann-Gymnasium siebte Klassen mit jeweils 36 Kindern einzurichten – obwohl die vom Land vorgesehene Obergrenze bei 32 liegt. Eine derartige Überbelegung habe es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben, berichtet der Tagesspiegel. Die Unruhe in der Hauptstadt um das neue Übergangsverfahren dürfte durch die Entscheidung kaum abklingen.

Wie viele gehen noch rein? (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Hintergrund der aktuellen Entscheidung ist das Aufnahmeverfahren des humanistischen Heinrich-Schliemann-Gymnasiums. Nach Angaben des Schulrechtlers Olaf Werner, der Eltern vertritt, beanstandeten die Richter insbesondere die Gewichtung der Naturwissenschaftsnote bei der Auswahl der Bewerber. Diese habe keinen Bezug zum Schulprofil, weshalb die Platzvergabe als „fehlerhaft“ eingestuft wurde.

„Die Notengewichtung muss einen Bezug zum Schulprofil haben“, erläuterte Werner gegenüber dem Tagesspiegel. Da dies hier nicht gegeben sei, habe das Gericht die Bildung von übergroßen Klassen zugelassen, um betroffenen Kindern doch noch den Zugang zur Schule zu ermöglichen. Unklar ist bislang, ob die Senatsbildungsverwaltung die abweichende Gewichtung genehmigt hatte.

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Das Ergebnis: Auch Bewerber mit bestem Notendurchschnitt (1,0) erhielten in diesem Jahr nicht automatisch einen Platz. Die Nachfrage war schlicht zu hoch – ein altbekanntes Problem im kinderreichen Bezirk Pankow, wo allein rechnerisch rund 25.000 Schulplätze fehlen.

„36 Kinder in einem Raum widersprechen dem Anspruch auf individuelles Lernen fundamental“

Beim Bezirkselternausschuss Pankow stößt das Urteil auf massiven Protest. Auf Facebook hieß es: „Das Urteil des Verwaltungsgerichts mag juristisch korrekt sein – pädagogisch ist es ein Skandal.“ Die Höchstgrenzen von 32 Schülern pro Klasse seien ja nicht willkürlich festgesetzt worden. Sie dienten dazu, pädagogisch tragfähige Bedingungen zu sichern. Mit drei Dutzend Kindern in einem Raum werde dieses Ziel konterkariert.

Vorsitzender Matthias Nebur kritisierte: „36 Kinder in einem Raum widersprechen dem Anspruch auf individuelles Lernen fundamental.“ Statt Unterstützung beim Übergang in die Oberschule erlebten Kinder und Lehrkräfte nun Enge, Lärm und fehlende Ruhe. Lehrkräfte würden in eine Situation gedrängt, die die Standards des Landes Berlin unterlaufe. Die Elternvertreter warnen vor den Folgen: Eine so überbelegte Klasse sei kein guter Start in die Oberschulzeit, sondern ein „Rückschritt für Bildungsgerechtigkeit“.

Die Entscheidung fällt in ein Jahr, in dem die Zahl der Schulplatzklagen in Berlin stark zugenommen hat: Das Schulamt Pankow meldet 50 Prozent mehr Verfahren als im Vorjahr. Besonders betroffen sind neben Gymnasien auch nachgefragte Integrierte Sekundarschulen.

Hintergrund: Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch hatte die Zugänge zum Gymnasium erschwert – Kinder ohne entsprechende Empfehlung müssen seit diesem Schuljahr einen Probetag absolvieren, praktisch einen Test. Dabei waren zuletzt nur 2,6 Prozent der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler erfolgreich. Für die CDU-Politikerin kein Problem: Die geringe Quote mache deutlich, dass die Lehrkräfte an den Grundschulen die richtige Förderprognose abgegeben hätten, sagte Günther-Wünsch im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses.

Kritik, die Hürden beim Probetag seien zu hoch gewesen, wies die Bildungssenatorin zurück: «Die Aufgaben sind durch eine zwölfköpfige Expertengruppe erarbeitet worden», sagte sie. Darunter seien auch fünf Grundschul- und fünf Gymnasiallehrkräfte gewesen. Die Aufgaben hätten sich außerdem am Rahmenlehrplan der Klasse 6 orientiert. Unter anderem die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berlin hatte allerdings bemängelt, die neue Regelung verstärke die Auslese beim Übergang aufs Gymnasium (News4teachers berichtete).

Zahlreiche Eltern klagten. Das Berliner Verwaltungsgericht entschied allerdings in mehreren Eilverfahren, dass der Probeunterricht zur Eignungsfeststellung ab dem Schuljahr 2025/2026 nicht zu beanstanden seid. News4teachers

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