BERLIN. Bundessozialministerin Bas kündigt eine große Rentenreform an – und macht keinen Hehl daraus, dass sie Beamtinnen und Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen will. Ökonomisch macht das keinen Sinn, wie der Sachverständigenrat Wirtschaft vorrechnet. Politisch aber durchaus: Beamten vermeintliche Privilegien zu streichen, gilt als überaus populär. Dies bestätigt eine aktuelle Umfrage.
Bundesarbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas hat – unmittelbar nachdem der Bundestag das Rentenniveau über 2025 hinaus bei 48 Prozent („Haltelinie“) festgelegt hat –, eine grundlegende Reform des Rentensystems angekündigt. In der ARD sagte sie: „Es wird nicht reichen, nur an zwei Schräubchen zu drehen, sondern wir brauchen ein ganz neues System.“
Als Orientierung nannte sie Reformen in Schweden, den Niederlanden, Dänemark und Österreich. „Das muss eine mutige Reform sein, und ich glaube, das können auch nur die Volksparteien schaffen.“ Noch im Dezember soll eine Rentenkommission eingesetzt werden, die sämtliche Fragen beraten soll. Bas erklärte dazu: „Da geht es um das Renteneintrittsalter, da geht es um die Verbreiterung, wer soll einzahlen. Da geht es um Einkünfte.“
„In die Rentenversicherung sollten auch Beamte, Abgeordnete und Selbstständige einzahlen”
Bereits im Mai hatte die SPD-Chefin deutlich gemacht, dass aus ihrer Sicht auch Beamte einbezogen werden müssten. Damals sagte sie: „Wir müssen mehr Leute an der Finanzierung der Rentenversicherung beteiligen. In die Rentenversicherung sollten auch Beamte, Abgeordnete und Selbstständige einzahlen. Wir müssen die Einnahmen verbessern.„ Der Schritt würde die Mehrheit der Lehrkräfte betreffen; rund zwei Drittel der etwa eine Million Lehrerinnen und Lehrer an allgemeinbildenden Schulen sind verbeamtet.
Die Forderung trifft auf ein gesellschaftliches Klima, in dem Beamte als bevorzugt wahrgenommen werden. Eine Allensbach-Umfrage für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ beschreibt eine breite Zustimmung für Eingriffe in den Beamtenstatus. 79 Prozent der Bevölkerung halten Beamte für privilegiert, und selbst unter Beamten stimmen dem 52 Prozent zu. Besonders häufig werden die Altersversorgung, der Kündigungsschutz, die sichere Besoldung und die Befreiung von Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträgen als Vorteile genannt.
Laut Allensbach sind 87 Prozent der Bevölkerung überzeugt, dass Beamte bei der Altersversorgung bessergestellt sind; 81 Prozent sehen die Sicherheit der Bezüge als besonderen Vorteil; 73 Prozent nennen die Befreiung von Sozialbeiträgen. Dass es sich dabei nicht nur um eine Außenwahrnehmung handelt, zeigt ein weiterer Befund der Studie: Die Befreiung von der Rentenversicherung wird auch von Beamten selbst als Vorteil eingestuft, wenngleich sie die Nachteile ihres Status – etwa starre Hierarchien oder Einschränkungen bei der Ortswahl – stärker betonen als die übrige Bevölkerung.
Die gesellschaftliche Akzeptanz für Einschnitte ist hoch. Allensbach-Geschäftsführerin Renate Köcher berichtet: „86 Prozent der Bevölkerung votieren dafür, auch Beamte zu Zahlungen in die Rentenkasse zu verpflichten, 80 Prozent zu Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung.“ Eine große Mehrheit spreche sich dafür aus, die Besserstellung von Beamten zu überprüfen. Gleichzeitig werde deutlich, dass viele nicht Verbeamtete das Beamtenverhältnis grundsätzlich als überholt betrachten. Nur 28 Prozent halten es für zeitgemäß, 43 Prozent für veraltet.
Bei Lehrkräften sieht zudem eine große Mehrheit keine Notwendigkeit für eine Verbeamtung: Fast zwei Drittel (64 Prozent) sprechen sich dagegen aus, Lehrer zu verbeamten.
Dieses Stimmungsbild bedeutet allerdings noch lange nicht, dass die Einbeziehung von Beamten in die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) auch ökonomisch sinnvoll wäre. Der Sachverständigenrat Wirtschaft, die sogenannten „Wirtschaftsweisen“, kam bereits 2023 in seinem Jahresgutachten zu einer anderen Einschätzung. Dort heißt es: „Eine Ausweitung des Versichertenkreises der GRV auf zukünftige Beamtinnen und Beamte sowie Selbständige löst die Finanzierungsprobleme der GRV nicht.“
Zwar steige kurzfristig die Zahl der Beitragszahlenden und die Rentenversicherung werde entlastet, doch: „Bei Renteneintritt der zusätzlichen Beitragszahlenden verschwindet der entlastende Effekt und die Finanzierungsprobleme werden langfristig verschärft, da die Rentenbezugsdauer von Beamtinnen und Beamten überdurchschnittlich lang ist.“ Der Sachverständigenrat verweist auf die Belastung der öffentlichen Haushalte: „Außerdem geraten im Übergang die Haushalte von Ländern und Kommunen unter großen Druck.“
„Man würde hier eine Gruppe eingliedern, die das Rentensystem stärker belastet, als vermutlich entlastet“
Im Interview mit der Zeit erläutert die Vorsitzende des Gremiums, Prof. Monika Schnitzer, nochmal vor wenigen Wochen, warum ein solcher Schritt nicht zu einer Stabilisierung der Rentenkasse führen würde. Was brächte es, wenn Beamte in das Umlagesystem überführt würden? Schnitzer: „Österreich hat das gerade erfolgreich getan. Viele erhoffen sich dadurch eine Stabilisierung des Rentensystems. Dafür bringt es tatsächlich nichts.“
Sie erläutert: „Wenn alle die gleichen Beiträge zahlen müssen, ist der Bruttolohn wichtig, wenn sich Menschen für einen Beruf entscheiden. Der Bruttolohn von Beamten ist aufgrund der fehlenden zu zahlenden Rentenbeiträge aber bisher etwas niedriger als in vergleichbaren Berufen im öffentlichen Dienst und in der freien Wirtschaft. Der Staat müsste also erst einmal die Beamtengehälter anheben, was Kosten verursacht. Das könnte er dann gleich als Beitragszuschuss rüberschieben, da ist also nichts gewonnen.“ Außerdem verweist sie auf die längere Lebenserwartung im Beamtenbereich: „Das heißt, man würde hier eine Gruppe eingliedern, die das Rentensystem stärker belastet, als vermutlich entlastet.“
Allerdings betont sie, dass die Politik schon darauf achten müsse, die Beamten nicht tatsächlich zu bevorzugen – wie schon (bei der nur verzögerten Anhebung des Ruhestandseintrittsalters) geschehen: „Was auf jeden Fall wichtig ist: Alle Reformen, die man den Rentnerinnen und Rentnern im gesetzlichen Rentenversicherungssystem zumutet, sollte man gleichermaßen auch den Beamten zumuten“ – auch mögliche „Dämpfungen“ der Bezüge. Aus ihrer Sicht sollte die Beamtenversorgung so gestaltet werden, „damit man das alles parallel fahren kann“. News4teachers
