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Nach dem IQB-Desaster: Eisenmann nimmt auch Sek-I-Lehrer in die Pflicht, sich um Rechtschreibung zu kümmern – in allen Fächern!

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STUTTGART. Bei der Rechtschreibung sind Kinder und Jugendliche in Deutschland alles andere als Musterschüler. Die jüngste IQB-Studie bescheinigt ihnen schlechte Noten. Erreichten 2011 bei der Orthografie noch 65 Prozent der Viertklässler den Regelstandard, waren es 2016 nur noch 55 Prozent. Im Zuge einer Qualitätsoffensive will Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) dem richtigen Schreiben jetzt einen höheren Stellenwert geben. Ein Leitfaden für Lehrer soll die Rechtschreibkompetenz der Schüler stärken. Nicht jeder hält das für sinnvoll.

Frisch angespitzt: Die Rechtschreibung soll wieder in den Mittelpunkt der Didaktik rücken. Foto: Rosmarie Voegtli / flickr / CC BY 2.0

«Das Bekenntnis zur Rechtschreibung ist mir wichtig, deshalb wird es noch vor den Sommerferien eine Handreichung dazu für die Lehrer der ersten bis zehnten Klasse geben», sagt sie. Besonders schmerzlich ist für den einstigen Klassenprimus Baden-Württemberg, dass rund ein Fünftel der Schüler nicht einmal den Mindeststandard bei der Orthografie erreicht. Damit liegt das Land laut IQB allerdings im Bundesschnitt.

Der sogenannte Rechtschreibrahmen des Ministeriums soll vor allem Lehrer, die nicht das Fach Deutsch studiert haben, bei der Vermittlung unter anderem von Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung sowie Zeichensetzung unterstützen. Die mit dem Rat für deutsche Rechtschreibung und dem Mercator-Institut der Universität Köln erarbeiteten verbindlichen Vorgaben werden als 60-seitige Broschüre in einer Auflage von 100.000 Exemplaren veröffentlicht. Die Regeln werden darin didaktisch aufbereitet und mit Beispielen verdeutlicht.

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Unabhängig von dem geplanten Leitfaden ist der Umgang mit Fehlern geregelt. Gute Rechtschreibung gehört zu den Anforderungen in allen Fächern. Welches Gewicht Fehler bei der Leistungsbeurteilung haben, liegt im Ermessen des Lehrers. Dabei kann er etwa das Alter des Schülers und die zur Verfügung stehende Zeit berücksichtigen. Im schlimmsten Fall können auch Punkte abgezogen werden.

Eisenmann sieht ihre Initiative in größerem Kontext: «Wir brauchen ein Gegengewicht zur Verkürzung der Sprache in den neuen Medien und zum gesamtgesellschaftlich schwindenden Sprachvermögen.» Auf die IQB-Ergebnisse müsse man reagieren. Andere Bundesländer wie Bayern seien da schon weiter. Nur 12,5 Prozent der Viertklässler unterschreiten dort den Mindeststandard bei der Orthografie.

Ein besorgniserregendes Phänomen

Bei den Lehrerverbänden fällt das Echo unterschiedlich aus. Die GEW spricht von falschen Prioritäten. «Jeder Lehrer beherrscht die Rechtschreibung», sagt GEW-Geschäftsführer Matthias Schneider. Aber es fehle an Didaktik-Fortbildungen. Diese seien überbucht – zugleich seien 2017 die Mittel für Weiterbildung um 500.000 Euro gekürzt worden.

Der Philologenverband glaubt hingegen, dass die Handreichung zu einer Verbesserung der Rechtschreibkenntnisse der Schüler beitragen könnte. Und die tue Not. «Denn die zum Teil massiven Defizite verschwinden ja nicht mit dem Ende der Grundschulzeit, sondern zeigen sich in den Eingangsklassen der weiterführenden Schulen inklusive des Gymnasiums als besorgniserregendes Phänomen», sagt Landeschef Bernd Saur.

Für den Sprachwissenschaftler Dirk Betzel von der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg hat eine Handreichung eher geringe Bedeutung. «So ein Papier kann eine nette Ergänzung sein.» Zentral für die Rechtschreibung seien aber der Lehrer und seine Kompetenz. «Sinnvoll ist daher vor allem, wenn man den Lehrern mehr Fortbildungsangebote macht, bei denen anhand von Texten aus dem Unterricht konkrete Möglichkeiten der Förderung erarbeitet und diskutiert werden.»

Als einen Grund für schwindende Rechtschreibkompetenz sieht Betzel, dass schon Anfang der ersten Klasse mehr Zeit für das Verfassen von Texten genutzt wird als früher – und weniger für Orthografie. Das könnten Kinder aus bildungsnahen Familien kompensieren, indem sie sich durch Vergleiche, Analogien und Schlussfolgerungen die Rechtschreibung weitgehend selbst erschlössen. «Die soziale Herkunft spielt eine größere Rolle bei der Rechtschreibkompetenz als das Merkmal Migrationshintergrund.» Sein Rezept lautet daher: stärker an den individuellen Leistungen orientierter Rechtschreibunterricht. dpa

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