TÜBINGEN. Welche Schulfächer sind entscheidend für den späteren Erfolg im Leben? Eine Frage, die sich so pauschal nicht beantworten lässt. Eine internationale Studie belegt jetzt den Zusammenhang zwischen dem Lernverhalten in der Schule und dem beruflichen Erfolg über einen Zeitraum von 50 Jahren. Die immer mal wieder aufflammende Diskussion um Kopfnoten könnte damit einen neuen Schub erhalten.
Mit der aktuellen Diskussion um verzogene Schüler könnte auch eines der ältesten bildungspolitischen Nebenthemen wieder einmal auf der Tagesordnung auftauchen: Kopfnoten entfachen mit schöner Regelmäßigkeit Diskussionen unter Bildungspolitikern verschiedener Couleur, unabhängig davon, ob sie für ihre Einführung oder für ihre Abschaffung streiten.
Es gibt auch heute noch wohl kaum jemanden, der mit dem Begriff Kopfnoten nicht bestimmte Vorstellungen verknüpft. Für die einen bilden sie ein überkommenes, obrigkeitsstaatliches Instrument, mit dem sich die schulische Benotung in unzulässigem Maß auf die Persönlichkeit der Schüler ausdehnt. Für die anderen bilden Kopfnoten fast schon das einzige für Arbeitgeber aussagekräftige Kriterium im Zeugnis, mit Ausnahme vielleicht der Noten in Deutsch und Mathe.
Studie: Gute Kopfnoten gleichen schlechte Zensuren teilweise aus
Selten offen angesprochen spielt oft unterschwellig das Argument eine Rolle, dass die Bewertung des Arbeits- und Sozialverhaltens eine disziplinierende Wirkung auf Schüler habe. Das könnte zwar Lehrern die Arbeit erleichtern, doch bringt die Vergabe entsprechender Noten einen erheblichen Aufwand mit sich. Von einem „Bürokratiemonster“ sprach 2008 Philologenverbandsvorsitzender Peter Silbernagel, als nach dem Willen der damaligen nordrhein-westfälischen Landesregierung wieder Noten für Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Selbstständigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Konfliktverhalten und Kooperationsfähigkeit auf den Zeugnissen ausgewiesen werden sollten.
Kopfnoten, in NRW nach hitzigen Debatten 2010 wieder abgeschafft, gibt es derzeit in neun Bundesländern, in diversen verschiedenen Formen, und in unterschiedlichen Klassenstufen, von der Grundschule, bis zum Abitur. Versetzungsrelevant sind sie nirgendwo.
Dass diese Nachrangigkeit möglicherweise gerade die für das Leben relevanten Indikatoren in den Hintergrund stellt, darauf weist aktuell eine gemeinsame Studie der Universitäten Tübingen und Houston, sowie der University of Illinois hin. Sekundärtugenden“ wie Fleiß oder Verantwortungsgefühl haben offenbar einen erheblichen Einfluss auf das spätere Leben, und zwar unabhängig von der Intelligenz der Schüler sowie von Bildung oder Einkommen ihrer Eltern, fanden die Forscher heraus.
Verantwortungsvolle Teenager, die Interesse an schulischen Themen zeigen und ihre Aufgaben regelmäßig erledigen, haben nicht nur bessere Noten in der Schule, sondern sind auch erfolgreicher im Beruf und verdienen besser. ermittelten die Wissenschaftler anhand einer Langzeiterhebung des American Institutes for Research, bei der im Jahr 1960 knapp 347.000 Schüler der neunten bis zwölften Klasse nach ihren Einstellungen, ihrem Verhalten und ihren Lese- und Schreibfähigkeiten befragt wurden. Elf Jahre später wurden davon noch rund 82.000 Personen zu ihren Bildungs- und Berufsbiographien befragt. Nach 50 Jahren machten erneut noch fast 2.000 Personen Angaben zu ihrem Bildungsabschluss sowie ihrem jährlichen Einkommen und ihrem beruflichen Status.
Es zeigte sich, dass verantwortungsvolle Schüler, die Interesse an der Schule zeigten, ihre Schul- und Hausaufgaben erledigten und wenig Probleme mit Lesen und Schreiben hatten, sowohl nach elf als auch nach 50 Jahren noch einen höheren Bildungsabschluss und einen angeseheneren Job hatten. Außerdem war ihr Einkommen nach 50 Jahren höher als das Gleichaltriger, die kein großes Interesse für die Schule mitbrachten.
Ökonom fordert Bildungsrevolution zur Stärkung der sozialen Kompetenzen
Die Effekte der in der zugrunde liegenden Erhebung ebenso gemessenen Persönlichkeitsmerkmale wie etwa Gewissenhaftigkeit rechneten die Wissenschaftler ebenso in ihre Studie ein, wie die kognitiven Fähigkeiten sowie das Einkommen der Eltern und demographischen Merkmale wie Geschlecht oder Ethnie. Umso beeindruckter gibt sich Marion Spengler von der Universität Tübingen: Es habe sich gezeigt, „dass unser Verhalten einen Einfluss darauf hat, was aus uns wird und nicht nur, wie wir von der Natur oder unseren Eltern ausgestattet wurden“. Das bedeute noch nicht, dass adäquates Verhalten in der Schule zwangsläufig zu beruflichem Erfolg führte, wie Spengler betont. „Die Ergebnisse zeigen jedoch einen robusten Zusammenhang.“
Wieweit die Ergebnisse auf eine deutsche Stichprobe übertragbar wären, lies die Studie offen. Im Hinblick auf eine bessere Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt könnte ein stärkerer Fokus auf die schulangemessene Arbeits- und Sozialverhalten einen wichtigen Beitrag leisten. (zab, pm)
• Die Studie im Journal of Personality and Social Psychology (engl.)
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