FRANKFURT/BERLIN. Bildungschancen benachteiligter Schüler verbessern, die Schulabbrecherquote verringern und das Erreichen größerer schulischer Erfolge: Gemessen an diesen Zielen hat das 2014 gestartete Bonus-Programm für Berliner Brennpunktschulen noch nicht viel erreicht, so der aktuelle Evaluationsbericht. Trotzdem zeigen sich die beteiligten Schulen zufrieden. Insgesamt raten die Forscher zu Geduld.
Seit 2014 stattet das Bonus-Programm Berliner Schulen mit einer hohen sozialen Belastung mit zusätzlichen Finanzmitteln aus. Ziel ist es, die Bildungschancen der dort unterrichteten Kinder zu verbessern. Jetzt liegt der zweite Bericht der begleitenden wissenschaftlichen Evaluation vor. Ergebnis: Die Schulen betrachten das Programm als wichtigen Baustein für ihre Weiterentwicklung. Zudem hätten sich Motivation, Innovationsbereitschaft und Sozialverhalten an den Einrichtungen verbessert. Keine signifikanten Fortschritte zeigen sich aber bislang bei den Lernleistungen, der Schulabbrecherquote und den Gymnasialempfehlungen.
Susanne Böse vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung, das die Evaluation vorgelegt hat, zieht folgende Bilanz: „Das Bonus-Programm erleichtert die Arbeit von Schulen in herausfordernder Lage an vielen Stellen. Es eröffnet neue Möglichkeiten, den jeweiligen Problemen zu begegnen. Zugleich hat sich der robuste Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg bislang nicht grundlegend verändert. Angesichts der kurzen Zeit seit Inkrafttreten des Programms war dies aber auch nicht unbedingt zu erwarten.“
Das Bonus-Programm des Landes Berlin ist 2014 mit insgesamt 220 Grundschulen und weiterführenden Schulen an den Start gegangen. Für das Programm wurden sie nach dem Anteil ihrer Schüler ausgewählt, deren Eltern von der Zuzahlung zu Lernmitteln befreit sind. Die jährliche Förderung kann pro Schule bis zu 100.000 Euro betragen. Die Summe enthält unter anderem einen erfolgsabhängigen Leistungsbonus, dem eine individuelle Zielvereinbarung zugrunde liegt.
Die Schulen sind aber weitestgehend frei darin, mit welchen Maßnahmen sie ihre gesteckten Ziele erreichen wollen. Sie setzten unter anderem auf zusätzliche Sozialarbeit, Fortbildungen oder Kooperationen mit außerschulischen Partnern. Insgesamt soll das Programm dazu führen, dass sich die Bildungschancen der Schüler verbessern.
Wie der Bericht zeigt, sehen sich die Schulen durch das Bonus-Programm für den Umgang mit den jeweiligen sozialen Problemlagen gestärkt. Fast 90 Prozent der Schulleitungen sind der Ansicht, dass das Programm „wirklich etwas bewirkt“. An den geförderten Schulen sei jetzt neben den Lehrkräften mehr pädagogisches Personal tätig, die Kollegien seien offener für Innovationen und die Schulen kooperierten verstärkt mit externen Anbietern. Außerdem, so die Einschätzung, hätten sich das Schulklima, die Außenwirkung der Schulen und das Sozialverhalten der Schüler verbessert. Insgesamt ist die Mehrheit der Schulleiter davon überzeugt, dass das Programm die Schulentwicklungsarbeit vorangebracht hat. Das zeige sich an konkretisierten Zielen, optimierten Strukturen und nun umgesetzten Maßnahmen.
Positiv bewerten die Befragten auch, dass durch das Programm zusätzliche Fördergelegenheiten entstanden sind und dass die Maßnahmen helfen, gezielter auf die Bedürfnisse der Schüler einzugehen. Allerdings konnten die Lehrkräfte im Zuge des Programms bislang kaum spürbare Verbesserungen bei den Lernergebnissen ausmachen. Auch die unentschuldigten Fehltage und die Schulabbrüche sind an den teilnehmenden Schulen im Vergleich zu den nicht teilnehmenden Schulen nicht signifikant zurückgegangen.
Nur bei den sozial besonders belasteten Schulen (mehr als 75 Prozent der Kinder von Zuzahlungen zu den Lernmitteln befreit) zeigt sich eine leicht positive Entwicklung. Unter anderem ist bei rund drei Vierteln von ihnen die Abbrecherquote um mindestens zehn Prozent gesunken, wenngleich dieser Effekt nicht zwingend eine Folge des Bonus-Programms darstellen müsse. Und was den Anteil der Empfehlungen für das Gymnasium angeht, können sich die am Bonus-Programm beteiligten Schulen in ihrer Entwicklung nicht von den weiteren Grundschulen abheben.
Auch wenn damit noch keine „harten“ Zahlen darauf schließen lassen, dass sich herkunftsbezogene Ungleichheiten beim Bildungserfolg verringern, rät Susanne Böse zu Geduld: „Aus zahlreichen Forschungsarbeiten ist bekannt, dass Reformmaßnahmen im Bildungswesen Zeit benötigen. Große und schnelle Fortschritte stellen eher die Ausnahme dar.“ Sie weist zudem darauf hin, dass die Ergebnisse auch vor dem Hintergrund betrachtet werden müssen, dass soziale Ungleichheiten ein vielschichtiges und langfristiges Problemfeld darstellen und sich allein durch Maßnahmen innerhalb des Bildungssystems nur zu einem Teil reduzieren lassen.
Der Bericht wertet das Bonus-Programm als wichtigen Impuls, um die Schulen in ihrer schwierigen Lage zu unterstützen. Jetzt gelte es, die begonnene Schulentwicklungsarbeit weiter zu intensivieren und zu professionalisieren, etwa durch eine stärkere Vernetzung der Schulen.