BERLIN. Angesichts der aktuellen Prognose der KMK, nach der jährlich 32.000 Junglehrer in Deutschland neu eingestellt werden müssen – von den Universitäten aber nicht genug abgehen –, fordern die Lehrergewerkschaften GEW und VBE ein entschiedenes Vorgehen gehen den Nachwuchsmangel. Die GEW begrüßte zwar, dass bei den Kultusministern „mehr Realismus eingezogen“, sei. Jetzt gehe es aber darum, die „Fehlsteuerung endlich zu korrigieren“. Der VBE schlägt in die gleiche Kerbe.
Die GEW legte ein 10-Punkte-Programm gegen den Lehrermangel vor. Dass Sofortmaßnahmen notwendig sind, belege nun auch die lange erwartete Lehrkräftebedarfsprognose der Kultusministerkonferenz (News4teachers berichtete). „In diesem Schuljahr fehlen mehrere tausend Lehrkräfte, zudem sind tausende Stellen mit Quer- und Seiteneinsteigern besetzt. Bei der KMK ist offensichtlich endlich mehr Realismus eingezogen. Nun müssen den Worten Taten folgen. Denn wenn nicht die Notbremse gezogen wird, steuert Deutschland auf einen Bildungsnotstand zu“, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe. Sie mahnte an, die jahrelange Fehlsteuerung in der Lehrkräfte-Ausbildung zu korrigieren.
Während zu viele Gymnasiallehrkräfte ausgebildet worden seien, gebe es an Grund-, Berufs-, Förder- und Sonderschulen sowie insbesondere in den östlichen Bundesländern einen gravierenden Lehrkräftemangel. „Zudem müssen sich alle Bundesländer endlich dazu durchringen, Lehrkräfte an Grundschulen genauso zu bezahlen wie an Gymnasien. Sonst wird die Fehlentwicklung auch in den nächsten Jahren fortgeschrieben“, unterstrich Tepe. „Das ginge zu Lasten der Lehrkräfte und eines guten Unterrichts – und träfe damit die Schülerinnen und Schüler.“
Das 10-Punkte-Programm der GEW zeige kurz-, mittel- und langfristige Lösungsansätze auf, um mehr Lehrkräfte zu gewinnen, betonte die Vorsitzende: „Die GEW hält die Einstellung von Quer- und Seiteneinsteigern für dringend notwendig. Ohne diese Maßnahme sind die großen Lücken in den Klassenzimmern einfach nicht zu schließen. Entscheidend ist, dass diese Kolleginnen und Kollegen bestmöglich (nach)qualifiziert werden, da sie in der Regel keine pädagogischen Kompetenzen mitbringen“, so Tepe.
Ausbildungskapazitäten erhöhen
„Der Beruf muss attraktiver werden, damit sich wieder mehr junge Menschen entscheiden, Lehrer oder Lehrerin zu werden. Dafür brauchen wir dringend bessere Arbeitsbedingungen an den Schulen. Dazu gehören Entlastungen vor allem aber eine Bezahlung aller voll ausgebildeten Lehrkräfte nach A13 (Beamtinnen und Beamte) und E13 (Angestellte). Das ist insbesondere für Lehrkräfte an Grundschulen – hier ist der Mangel am gravierendsten – wichtig: Sie werden in fast allen Bundesländern schlechter bezahlt als Lehrkräfte an anderen Schulformen.“ Tepe stellte klar, dass die Länder gefordert seien, die Ausbildungskapazitäten an den Hochschulen und im Vorbereitungsdienst zügig zu erhöhen – und zwar deutlich. Sie machte KMK und Ländern das Angebot, gemeinsam Wege aus der Misere zu entwickeln und umzusetzen. „Wir sind gesprächsbereit und unterstützen die Länder in dieser Notlage. Die Belastungen durch die Mangelsituation dürfen nicht länger auf dem Rücken der Lehrerinnen und Lehrer ausgetragen werden“, hob Tepe hervor.
Sie machte aber auch noch einmal deutlich, dass die aktuelle dramatische Situation im Wesentlichen hausgemacht sei. „Die Länder haben es in den vergangenen Jahren versäumt, ausreichend Lehrkräfte auszubilden, obwohl die Pensionierungszahlen und die steigende Geburtenrate teils lange bekannt sind“, unterstrich Tepe.
Der Bundesvorsitzende des VBE, Udo Beckmann, kommentierte die Zahlen wie folgt: „Positiv ist, dass nun auch dem letzten Kultusministerium offenbar wird, dass es einen immensen Bedarf an originär ausgebildeten Lehrkräften gibt. Wir sind allerdings äußerst skeptisch, ob die heute vorgelegten Zahlen den tatsächlichen Bedingungen gerecht werden. Andere Prognosen zeigen (trotz der Modellannahme der Beibehaltung des Status quo) deutlich höhere Bedarfe, zumal der genannte Lehrkräftemehrbedarf schon aufgrund steigender Geburtenzahlen und hoher Pensionierungszahlen zu erklären ist. Wir fragen uns aber, wann genau die Kultusministerien damit beginnen, die Bedarfe für die an Schule gestellten Herausforderungen einzurechnen. Eine den Status quo als Basis nehmende Modellrechnung verkennt die Realität an den Schulen. Die Lehrkräfte arbeiten am Limit, weil jetzt schon Stellen nicht besetzt werden können, Seiteneinsteigende unterstützt werden müssen und die Lehrkräfte immer mehr Aufgaben übernehmen müssen. Inklusion, Integration, Digitalisierung und Ausbau des Ganztags stellen hohe Anforderungen an Schule, die mit dem momentanen Personalschlüssel nicht bewältigbar sind.“
Beckmann forderte deshalb, dass endlich auch Modellrechnungen erstellt werden müssten, die Verbesserungen der Lehr- und Lernsituationen einbeziehen. „Die Lehrkräfte brauchen eine klare Perspektive, dass sich die momentane Situation wieder entspannen wird. Dafür braucht es dringend kleinere Lerngruppen, insbesondere, wenn Kinder mit Beeinträchtigungen oder geflüchtete Kinder inkludiert werden sollen. Da der Lehrermarkt leergefegt ist, müssen Lehrkräfte durch die Unterstützung multiprofesioneller Teams entlastet werden. Seiteneinsteigende, die den akuten Lehrermangel lindern sollen, müssen mindestens halbjährig vorqualifiziert und anschließend angemessen weiterqualifiziert werden.“ News4teachers
Hier geht’s zum 10-Punkte-Programm der GEW.
Auch auf der Facebook-Seite von News4teachers wird das Thema diskutiert.
Lehrermangel weitet sich aus – KMK-Chef fordert: Bundesweit mehr ausbilden!
