BERLIN. Wie lässt sich der ausufernde Lehrermangel schnell beheben? Drei renommierte Experten – der ehemalige Bildungsminister Brodkorb, der Bildungsforscher Zierer und die Sozialpädagogik-Professorin Koch – haben sich zusammengetan, um mit einem gemeinsamen Vorschlag an die Öffentlichkeit zu treten. Sie möchten die Lehrerausbildung reformieren, und zwar so, dass Studenten als Lernhelfer schnell und kontinuierlich an die Schulen kommen. Und sie möchten die Lehrerausbildung attraktiver machen – mit einer Verbeamtung schon vom ersten Semester an.
Eine signifikante Anzahl der Lehramtsstudenten möchte nach dem Abschluss gar nicht an einer Schule beziehungsweise im Bildungsbereich arbeiten. „Über 30 Prozent von ihnen wollen nach dem Studium nicht an einer Schule arbeiten, sondern streben eine anderweitige Karriere an“, erklärt Eckhard Köhn, Geschäftsführer von Studitemps. Dies ist Ergebnis einer Studie, die der Personaldienstleister unlängst gemeinsam mit der Universität Maastricht vorgelegt hat (News4teachers berichtete). In Zeiten des Lehrermangels, in denen in den Schulen mit jedem Studienabsolventen gerechnet wird, ist das eine äußerst schlechte Nachricht.
“Der Lehrermangel an Deutschlands Schulen hätte sich erledigt”
„Würden alle diejenigen, die ein Lehramtsstudium beginnen, tatsächlich einmal in den Klassenzimmern landen, gäbe es ein riesiges Gedränge – und der Lehrermangel an Deutschlands Schulen hätte sich erledigt. Ein wenig realistisches Szenario, denn zwischen Hörsaal und Lehrerzimmer gehen jede Menge Lehrer in spe verloren“, schreiben nun drei renommierte Experten in einem gemeinsamen Gastbeitrag für die „Zeit“: Mathias Brodkorb, ehemaliger Bildungsminister von Mecklenburg Vorpommern, ist Aufsichtsratsvorsitzender der Universitätsmedizinen Rostock und Greifswald, Katja Koch ist Professorin für Sonderpädagogik an der Universität Rostock und Klaus Zierer ist Professor für Schulpädagogik an der Universität Augsburg. Sie fragen: Warum brechen so viele angehende Lehrer ihr Studium ab?
Ihre Antwort: „Dafür gibt zwei besonders gewichtige Gründe: 1. Weil Erwartung und Studienrealität nur wenig übereinstimmen. Ambitionierte junge Leute ziehen aus, um Lehrer zu werden, stattdessen landen sie an Universitäten, die sie zu Wissenschaftlern machen wollen. Folgerichtig sind 2. die Abläufe des Studiums nur wenig auf die Bedürfnisse der angehenden Lehrkräfte ausgerichtet. Aus beidem ergibt sich dann ein Studium, das an Praxisferne kaum zu überbieten und zudem ein organisatorisches Desaster ist. Wer es dennoch durchsteht, erleidet häufig einen Praxisschock. Wenn er nämlich nach fünf bis sechs Jahren Studium erstmalig länger als für ein kurzes Praktikum vor einer Klasse steht. Immerhin nach einer unfreiwilligen Auszeit gut erholt, da der Anschluss von Universität zum Referendariat häufig nicht nahtlos klappt.“
Eine grundsätzliche Reform sei deshalb dringend notwendig. „Wir schlagen vor, zusätzlich zu den bestehenden Systemen staatliche Lehrerbildungsakademien zu gründen. Da wir praktisches Können für Lehrer für ebenso wichtig halten wie theoretisches Wissen, wäre das Lehrerbildungsstudium an diesen Akademien dual organisiert. Theorie und Praxis hätten gleiche Anteile, die ineinander verschränkt wären. Damit würde die künstliche und unproduktive Trennung zwischen erster und zweiter Phase der Lehrerbildung aufgehoben“, so meinen Brodkorb, Zierer und Koch.
“Warum sollen Lehrer schlechter behandelt werden als Steuerbeamte?”
Weiter fordern die Fachleute: „Das Personal müsste ebenso aus hochkarätigen Wissenschaftlern wie aus erfahrenen Lehrern bestehen. Die Besoldungsstufen W3 und A14 sowie eine geringere Lehrverpflichtung gleichen die höhere Anzahl von Studienwochen aus.“
Doch nicht nur für die Lehrerausbilder sollen finanzielle Anreize gesetzt werden – auch die Studierenden sollen bezahlt werden. Mehr noch: Gefordert wird eine Verbeamtung bereits zu Beginn des Studiums. „Eine Verbeamtung der Lehrer von morgen vom ersten Tag des Studiums an sichert die besten Studienbewerber. Warum sollten sie schlechter behandelt werden als Polizisten und Steuerbeamte?“, so fragen Brodkorb, Zierer und Koch. „Das klingt nach einer teuren Angelegenheit? Irrtum. Die Besoldung der Lehramtsstudenten gibt es für lau. Setzt man sie nämlich in jedem Jahr durchschnittlich mit zehn Stunden im Unterricht ein, finanziert sich die Besoldung im Rahmen bestehender Stellenpläne und Personalkostenbudgets von selbst.“
Weiterer Vorteil, so betonen die drei Experten: „Ab dem ersten Jahr wird in diesem System der Lehrermangel reduziert. Und mit jedem Jahr würden mehr angehende Lehrer als Lernhelfer hinzukommen.“ Klingt verlockend. News4teachers
Hier geht es zum vollständigen Gastbeitrag der Experten in der “Zeit”.
Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.
