WIESBADEN. Bereits 150.000 Menschen fordern im Rahmen einer Unterschriftenaktion im Netz die Entlassung von Thüringens AfD-Fraktionschef Björn Höcke aus dem Beamtenverhältnis. «Es geht um eine Person, die gerichtsfest als Faschist eingestuft ist», sagte der Initiator der Aktion, Ulf Berner aus Wilhelmshaven, am Donnerstag. Im Fall einer Rückkehr in den Schuldienst sei nicht davon auszugehen, dass Höcke seinen Lehrauftrag im Sinne der demokratischen Werte und des Grundgesetzes ausübe.
Höcke hatte früher als Oberstudienrat Sport und Geschichte im nordhessischen Bad Sooden-Allendorf unterrichtet. Derzeit ist er beurlaubt. Er sei damit in keinem aktiven Beamtenverhältnis und es gebe keine rechtliche Handhabe, um ihn zu entlassen, erklärte ein Ministeriumssprecher. Etwa 50 Demonstranten wollten heute die Unterschriften dem hessischen Kultusminister Alexander Lorz (CDU) in Wiesbaden übergeben. Das Ministerium lehnte eine persönliche Entgegennahme jedoch ab, wie der Sprecher berichtete. Der symbolische blaue Brief wurde an der Pforte des Ministeriums abgegeben.
Lorz hatte angekündigt, sollte der AfD-Politiker in den Schuldienst zurückkehren wollen, werde er im Rahmen seiner Möglichkeiten «alles dafür tun, dass Herr Höcke nicht mehr Unterricht an einer unserer Schulen erteilt».
Höcke kritisiert immer wieder die Erinnerungskultur in Schulen
Höcke hat immer wieder Kritik am Holocaust-Gedenken der Deutschen – und insbesondere der Schulen in Deutschland – geübt und eine “erinnnungspolitische Wende um 180 Grad” gefordert. In den Schulen werde die deutsche Geschichte “mies und lächerlich” gemacht. Das Holocaust-Mahnmal in Berlin nannte er ein “Denkmal der Schande”. Darüber hinaus verglich er die Bundesregierung mit dem Regime der DDR. In einer Rede 2018 rief er: “Unsere Eliten bestehen nur noch aus Vaterlandsverrätern und deshalb müssen sie so schnell wie möglich weg.”
Der Verfassungsschutz berichtet über Höcke und die von ihm angeführte AfD-Bewegung “Der Flügel”, es lägen “stark verdichtete Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei ihr um eine extremistische Bestrebung handelt. Das durch den ‘Flügel’ propagierte Politikkonzept ist primär auf die Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitgehende Rechtlosstellung von Ausländern, Migranten, insbesondere Muslimen, und politisch Andersdenkenden gerichtet. Es verletzt alle Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, die Menschenwürdegarantie sowie das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip. Die Relativierung des historischen Nationalsozialismus ist zudem prägend für die Aussagen der ‘Flügel’-Vertreter.”
Hintergrund der Unterschriftenaktion ist dem Initiatoren Berner zufolge eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Meiningen, wonach Höcke bei einer Demonstration in Eisenach als Faschist bezeichnet werden durfte.
Pistorius: „Dieser Mann darf nie wieder als Lehrer arbeiten“
Auf der Seite der Aktion auf einer Online-Plattform der Organisation Campact heißt es zur Begründung: „Mit dem Urteil des Verwaltungsgerichtes Meiningen kann Höcke nunmehr offiziell als ‘Faschist’ bezeichnet werden. Als ‘faschistisch’ bezeichnet man per Definition alle extrem nationalistischen, nach dem Führerprinzip organisierten antiliberalen und antimarxistischen Bewegungen, die im Kern die parlamentarischen Demokratien ablösen wollen. Damit steht Höcke im Gegensatz zu unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung und kann nicht Beamter dieses Landes sein.” Darüber hinaus betonen die Initiatoren: „Demokratie muss sich schützen und darf ihre Gegner nicht noch in hervorgehobenen Positionen halten.“
Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) hatte unlängst gefordert, Beamte, die sich offen zum völkischen „Flügel“ der AfD bekennen, aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen – und sich dabei ausdrücklich auch auf Höcke bezogen (News4teachers berichtete). „Dieser Mann darf nie wieder als Lehrer arbeiten“, sagte Pistorius. News4teachers / mit Material der dpa
Bei der Gegendemonstration zu einem AfD-Fest in Eisenach war der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke als Faschist betitelt worden. Das Verwaltungsgericht Meiningen stufte dies als rechtmäßig ein.
Hintergrund war ein sogenanntes Familienfest der AfD im September in Eisenach und eine Gegendemonstration, die im Vorfeld unter dem Titel “Protest gegen die rassistische AfD insbesondere gegen den Faschisten Höcke” angemeldet wurde. Die Stadt Eisenach stellte für den Gegenprotest die Auflage, dass die Bezeichnung Faschist während der Versammlung untersagt wird. Sie begründete dies unter anderem damit, dass die Bezeichnung als Beleidigung strafrechtlich relevant sei.
Dagegen wehrten sich die Gegendemonstranten gerichtlich und beriefen sich in dem Eilverfahren auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit. In der ausführlichen Begründung ihres Antrags zitieren sie Äußerungen Höckes und führen auch Einschätzungen von Sozialwissenschaftlern und Historikern an.
Das Gericht folgte der Argumentation der Gegendemonstranten, die ausreichend glaubhaft gemacht hätten, dass “ihr Werturteil nicht aus der Luft gegriffen ist, sondern auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage beruht”, wie es in dem Beschluss heißt. Das Verwaltungsgericht musste bei dieser Einzelfallentscheidung zwischen der “Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot” abwägen.
Laut Beschluss der Richter gehe es in dem Fall um eine “die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage hinsichtlich eines an prominenter Stelle agierenden Politikers”. Damit stehe die “Auseinandersetzung in der Sache” und nicht die “Diffamierung der Person im Vordergrund”. dpa