MAINZ. Die rheinland-pfälzische Landtagsabgeordnete Helga Lerch (FDP) – selbst ehemalige Schulleiterin – warf unlängst den Schulbehörden vor, mitunter nur halbherzig gegen Lehrer vorzugehen, denen Missbrauch von Schülern vorgeworfen wird. Ist da etwas dran? Auf Antrag der CDU tagte dazu extra der Bildungsausschuss des Landtages in Mainz. Ergebnis: Unklar – die Akten geben kaum noch Informationen her. Der Präsident der Schulaufsicht im Land beteuerte jedoch: «Es wird nichts unter der Decke gehalten oder vertuscht.»
Was war geschehen? Die frühere Schulleiterin Lerch, mittlerweile bildungspolitische Sprecherin der Fraktion der mitregierenden FDP, hatte im Landtagsausschuss für Gleichstellung und Frauenförderung erklärt, dass die Schulaufsicht nach ihrer Erfahrung lange zögere, Kollegen nach Vorfällen aus dem Schuldienst zu entfernen (News4teachers berichtete). Oft komme es zu Versetzungen an andere Schulen, später kehrten Lehrer wieder an eine Schule in der Region zurück, in der die Betroffenen wohnten. Das Beamtenrecht biete wenig Spielraum, Lehrer aus dem Schuldienst zu entfernen. Sie würde sich wünschen, dass genauer hingeschaut werde.
Aktuell wird gegen 14 Lehrer ermittelt
Das sorgte für einen gehörigen Wirbel – der wiederum nun in einem Auftritt von Thomas Linnertz, Präsident der Schulaufsicht ADD, in einer Sondersitzung des Landtags-Bildungsausschusses in Mainz mündete. Linntertz listete auf: Wegen sexuellen Übergriffe an rheinland-pfälzischen Schulen wird derzeit in 14 Fällen disziplinarrechtlich ermittelt. Mindestens 34 weitere solcher Verfahren seien seit 2008 abgeschlossen worden. Sie hätten dazu geführt, dass 20 Beschuldigte aus dem Schuldienst entfernt worden seien. Nicht in allen 34 disziplinarrechtlichen Verfahren hätten die Ermittlungen jedoch zu einer Anklage der Staatsanwaltschaft geführt.
Ob es in den vergangenen rund zehn Jahren mehr als die 34 Fälle gegeben habe, lasse sich nicht genau beantworten, weil aus rechtlichen Gründen bereits einige aus den Akten gelöscht werden mussten. Insgesamt gebe es mehr als 48.000 Lehrer und anderes Personal an den Schulen. Die Zahl der Verfahren sei also vergleichsweise gering. Über Verdachtsfälle gebe es keine Statistik. «Aber es ist keine Masse», betonte Linnertz. Die Schulen und Schulleitungen seien sehr sensibilisiert. «Es wird nichts unter der Decke gehalten oder vertuscht.» Alle Fälle würden zur Anzeige gebracht und sofort Maßnahmen ergriffen.
Hubig: Schulen müssen ein sicherer Raum sein
Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) erklärte, sie habe sich nach den Äußerungen mit Lerch getroffen und diese habe zwei Fälle aus den Jahren 2012 und 2014 genannt, die in den 34 Verfahren enthalten seien. In beiden Fällen sei die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden und es habe disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen die Lehrer gegeben. «Es geht nicht um aktuelle Fälle», betonte Hubig. Lerch nannte im vertraulichen Teil der Ausschusssitzung – unter Ausschluss der Öffentlichkeit – Einzelheiten zu den beiden Fällen. Dazu hatte sie nicht zuletzt ihre eigene Fraktion zuvor aufgefordert.
Ministerin Hubig hatte zuvor betont: «Sexueller Missbrauch ist ein Verbrechen an der Seele des Kindes.» Die Schulen müssten ein sicherer Raum sein. Auch Verdachtsfälle seien keine Bagatelle, sondern ernst zu nehmen, es gebe dafür keine Toleranz. Die Schulen hätten für sexuelle Übergriffe Notfallpläne. «Jede Schule weiß genau, wie sie sich verhalten muss.»
Schule muss für Trennung von potenziellem Täter und Opfer sorgen
In jedem Fall, in dem ein Lehrer über den Verdacht von sexuellem Missbrauch informiert werde, müsse er die Schulleitung verständigen und diese dies dokumentieren und an die Schulaufsicht weitergeben. In jedem Fall müsse die Schule sofort für eine Trennung von potenziellem Täter und Opfer sorgen. Die Information von Polizei und Staatsanwaltschaft dienten dem Schutz der Kinder und Jugendlichen, aber auch zu Unrecht Beschuldigten. Über die Entlassung aus dem Dienst müssten Gerichte entscheiden. Beamten- und Disziplinarrecht seien bundesweit verfassungsrechtlich verankert und ermöglichten auch die vorläufige Dienstenthebung bis zum Abschluss eines Verfahrens. An den Schulen gebe es auch zahlreiche Präventionsmaßnahmen, eine Handreichung für Verdachtsfälle werde seit längerem erarbeitet und solle bis zum Sommer fertig sein. News4teachers / mit Material der dpa
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