MAINZ. Versuchen Schulbehörden, Skandale um sexuelle Übergriffe von Lehrern durch Versetzungen “auszusitzen” – statt Missbrauchs-Täter konsequent aus dem Schuldienst zu entfernen? Die rheinland-pfälzische FDP-Bildungsexpertin Lerch, selbst eine frühere Schulleiterin, hat das im Frauenausschuss des Parlaments erklärt und damit viel Aufregung verursacht. Die Landesregierung widerspricht vehement. Lerchs eigene Partei fordert von ihr eine Konkretisierung der Vorwürfe.
Das rheinland-pfälzische Bildungsministerium hat Aussagen der FDP-Bildungspolitikerin Helga Lerch zum Umgang mit Lehrern nach sexuellen Übergriffen gegen Schüler vehement widersprochen. Auch die Schulaufsicht ADD betonte, bei jedem Verdachtsfall werde umgehend gehandelt. Die oppositionelle CDU-Fraktion beantragte eine Sondersitzung des Bildungsausschusses. Zuvor hatte die «Rhein-Zeitung» darüber berichtet.
“Beamtenrecht bietet wenig Spielraum, Lehrer aus dem Schuldienst zu entfernen”
Die frühere Schulleiterin Lerch, mittlerweile bildungspolitische Sprecherin der Fraktion der mitregierenden FDP, hatte am Donnerstag im Landtagsausschuss für Gleichstellung und Frauenförderung gesagt, dass die Schulaufsicht nach ihrer Erfahrung lange zögere, Kollegen nach Vorfällen aus dem Schuldienst zu entfernen. Oft komme es zu Versetzungen an andere Schulen, später kehrten Lehrer wieder an eine Schule in der Region zurück, in der die Betroffenen wohnten. Das Beamtenrecht biete wenig Spielraum, Lehrer aus dem Schuldienst zu entfernen. Sie würde sich wünschen, dass genauer hingeschaut werde.
Das Bildungsministerium in Mainz und die Schulaufsicht ADD in Trier gaben am Freitag deutliche Widerworte. Die Ausführungen Lerchs träfen nicht zu, teilte das Ministerium mit. «Wir weisen sie entschieden zurück.» Die ADD verfolge jeden Fall eines sexuellen Missbrauchs durch Lehrkräfte mit aller Konsequenz. Auch bei einem bloßen Verdacht von Grenzüberschreitungen würden alle rechtlichen Möglichkeiten genutzt. Dies meine, den Lehrer unverzüglich aus der Schule zu nehmen und ihn bei der Staatsanwaltschaft anzuzeigen. Alle beamtenrechtlichen und disziplinarrechtlichen Möglichkeiten würden ausgeschöpft.
“Bei Verdachtsfällen wird stets ein Disziplinarverfahren eingeleitet”
ADD-Präsident Thomas Linnertz sagte, bei Verdachtsfällen werde stets ein Disziplinarverfahren eingeleitet und die Lehrkraft in aller Regel vom Dienst freigestellt. Auch nach der vorläufigen Entfernung aus der Schule würden alle rechtsstaatlichen Mittel genutzt, um die betreffende Lehrkraft je nach Schwere des Delikts entweder aus dem Landesdienst endgültig zu entfernen oder fern von Kindern und Jugendlichen einzusetzen. «Eine endgültige Entfernung aus dem Dienst kann allerdings nicht nur aufgrund einer reinen Verdachtslage erfolgen», betonte Linnertz.
Lerchs FDP-Fraktion teilte mit, sexueller Missbrauch sei eine schwerwiegende Straftat und müsse aufgeklärt werden. Fraktionschefin Cornelia Willius-Senzer sagte, von Lerch werde erwartet, den zuständigen Stellen die notwendigen Informationen zukommen zu lassen, damit die von ihr beschriebenen Fällen nachgehen könnten. Lerch solle auch erläutern, was sie als Schulleiterin damals unternommen habe, nachdem sie von den Fällen erfahren habe. SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer hielt es «für absolut richtig», dass die FDP ihre Abgeordnete – auch mit Blick auf die betroffenen Schutzbefohlenen – aufgefordert habe, ihre Aussagen transparent zu machen.
CDU: Der Bericht der Ex-Schulleiterin sei “zum Teil verstörend”
Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Martin Brandl, sagte, Lerch sei eine «Insiderin», ihre Vorwürfe gegenüber den Schulbehörden seien «gravierend, zutiefst erschreckend und zum Teil verstörend». Die Landesregierung solle im Bildungsausschuss sämtliche bekannten Fälle benennen und die Verfahrensweisen offenlegen. Der bildungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Joachim Paul, warf der Koalition vor, Druck auf Lerch, die an viel Erfahrung als Schulleiterin verfüge, auszuüben. So sollten «unbequeme Debatten» unterdrückt werden. dpa
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