DÜSSELDORF. Von wegen Inklusion: Schüler, die in Heimen und Wohngruppen in Nordrhein-Westfalen leben, werden oft unzureichend beschult – weil sie vom Unterricht ausgeschlossen werden. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Diakonischen Werkes Rheinland-Westfalen-Lippe (Diakonie RWL) unter ihren rund 140 Einrichtungen. Danach besuchten im vergangenen Jahr 12 Prozent der stationär untergebrachten Kinder und Jugendlichen weniger als 15 Stunden wöchentlich die Schule. Landesweit hochgerechnet sind das mehr als 7.800 Schülerinnen und Schüler. Die Rede ist bitter von “Schulkindern zweiter Klasse”.
“Wenn Ende der Woche die Zeugnisse des Schulhalbjahres vergeben werden, müssen viele mit schlechten Noten rechnen”, sagte Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann, am Dienstag in Düsseldorf. “Damit wird diesen Kindern und Jugendlichen, die ohnehin benachteiligt sind, die Chance auf einen Schulabschluss, einen Beruf und soziale Teilhabe genommen.”
Schüler mit sonderpädgogischem Förderbedarf besonders betroffen
Der Wohlfahrtsverband geht von einer höheren Dunkelziffer aus. Besonders betroffen sind Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich „Emotionale und soziale Entwicklung“. Sie würden regelmäßig vom Unterricht „beurlaubt“, weil nicht nur die Lehrkräfte an Regel-, sondern zunehmend auch an Förderschulen mit ihnen überfordert seien. In den Heimen und Wohngruppen der Diakonie bemühten sich die Erzieherinnen und Erzieher, Ersatzangebote zur Bildung zu gestalten. Doch sie verfügten nicht über die Expertise, dies regelmäßig zu tun und das sei auch nicht ihre Aufgabe, erklärte Heine-Göttelmann.
“Schule exkludiert die auffälligsten Schülerinnen und Schüler”, kritisierte der Diakonie RWL-Vorstand. “Dabei finanzieren Jugendamt und Eingliederungshilfe zahlreiche Zusatzleistungen und Integrationshelfer, um die Beschulung dieser stark sozial und emotional geschädigten Kinder und Jugendlichen zu ermöglichen.”
Doch nicht selten mangelt es an einer guten Kooperation zwischen Schule und Jugendamt vor Ort, wie Tanja Buck, Referentin für Erzieherische Hilfen der Diakonie RWL, beobachtet. “Die Schulen sollten verpflichtet werden, in schwierigen Einzelfällen mit dem Jugendamt zusammenzuarbeiten”, sagt sie und plädiert für ein sogenanntes “Kooperationsgebot”.
Diakonie schreibt Brief an Schulministerin Gebauer
In einem Brief an NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hat die Diakonie RWL eine Gesamtkonzeption zur Kooperation zwischen Jugendhilfe und insbesondere Förderschulen angemahnt. Auch müssten Projekte für Schulmüde und Schulverweigerer schon für Kinder angeboten werden, die noch nicht die 8. Klasse besuchten, heißt es in dem Brief. Die FDP-Fraktion hatte die Problematik der unzureichenden Beschulung von stationär untergebrachten Schülerinnen und Schülern im Frühjahr 2016 selbst kritisiert und sich dabei auf eine frühere Umfrage der Diakonie RWL bezogen.
Die Diakonie RWL vertritt 140 Einrichtungen mit rund 10.000 Plätzen in Nordrhein-Westfalen. Die diakonischen Träger sind damit der größte Anbieter von Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen. News4teachers
Inklusion: Kinder mit sozialen Störungen sollen zeitweilig in Kleingruppen