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Am Limit wegen Lehrermangels: Grundschullehrer wollen keine ausführlichen Zeugnisse mehr schreiben – BLLV: Notmaßnahme

MÜNCHEN. Kurz vor der Vergabe der Zwischenzeugnisse wendet sich der Bayerische Lehrerverband an das Kultusministerium. Die Forderung: Zeugnisse an den Grundschulen zu verändern, um Lehrer zu entlasten. Angesichts der Personalnot in den Schulen gehe es derzeit allein darum, die Grundversorgung an Unterricht zu sichern. Ausführliche Berichtszeugnisse seien “derzeit nicht mehr leistbar“.

Die Belastung für Lehrer insbesondere an den Grundschulen hat drastisch zugenommen, nicht zuletzt aufgrund des Lehrermangels. Foto: Shutterstock

Das Zwischenzeugnis an Grundschulen von zwei auf eine Seite verkürzen – mit dieser Forderung hat sich der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) an das Kultusministerium gewandt. «Für die Kolleginnen und Kollegen geht das Verfassen der Zeugnisse mit einem großen Aufwand einher. Sie brauchen dafür viel Zeit – Zeit, die sie angesichts der derzeitigen personellen Situation nicht mehr haben», erklärte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann am Mittwoch in München. Die meisten Lehrer würden gerne weiterhin umfangreiche Feedbacks schreiben, um Eltern eine Rückmeldung zu geben. Allerdings sei das nicht mehr leistbar, da die sie «am Limit» arbeiteten.

Situation an den Schulen ist “krisenhaft”

Fleischmann bezeichnet die Situation an den Schulen als «krisenhaft» und die Stimmung an den Grundschulen als «alarmierend». Lehrkräfte bräuchten Signale der Entlastung. Doch die dafür benötigten Maßnahmen seien «pädagogisch freilich fragwürdig». Auswirkungen auf die Bildungsqualität seien demnach nicht auszuschließen. «Momentan geht es nur noch darum, die Grundversorgung an den Schulen irgendwie am Laufen zu halten. Die Bildungsqualität fährt so gegen die Wand. Das müssen die politisch Verantwortlichen tragen. Nicht wir Lehrerinnen und Lehrer!», sagte Fleischmann.

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Der BLLV forderte, neben Grundschulen auch die Zeugnisse an Mittelschulen auf eine Seite zu beschränken. Zudem sollen im Übertrittszeugnis nur die Noten in Deutsch, Mathematik sowie Heimat- und Sachunterricht aufgelistet werden. Darüber hinaus will der BLLV, dass das erste schriftliche Zeugnis erst am Ende des zweiten Schuljahres herausgegeben wird. Davor sollen ausschließlich Lernentwicklungsgespräche geführt werden.

„Um nicht falsch verstanden zu werden: Wir Lehrerinnen und Lehrer wollen den Schülerinnen und Schülern das Feedback geben, das ihnen hilft. Wir wollen den Eltern die Rückmeldung für ihr Kind geben, das sie brauchen. Aber ich sage es in aller Deutlichkeit: derzeit ist das nicht mehr leistbar“, erklärte Fleischmann. Die Forderung sei der Not geschuldet, einer Not, die die Lehrkräfte nicht verschuldet hätten. „Die meisten würden gerne weiterhin umfangreiche Feedbacks schreiben, zumal sie wissen, dass viele Eltern dies erwarten.“

Lernentwicklungsgespräche statt Zwischenzeugnissen

Die Möglichkeit von Lernentwicklungsgesprächen anstelle von Zwischenzeugnissen besteht bereits seit dem Schuljahr 2014/2015 für Jahrgangsstufen der ersten bis dritten Klasse. Die Entscheidung treffen die bayerischen Grundschulen in eigener Zuständigkeit. Laut Kultusministerium werden Lernentwicklungsgespräche von mehr als 90 Prozent der Grundschulen genutzt.

Bereits vergangenen Freitag hatte Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) die Verschlankung der Grundschulzeugnisse als Maßnahme zur Entlastung von Lehrkräften angekündigt (News4teachers berichtete). «Das ist ein von mir schon seit langem verfolgtes Anliegen und ich bin hierzu schon seit längerer Zeit im Gespräch mit Verbänden», sagte Piazolo (Freie Wähler) im Gespräch. «Wichtig ist, dass die Qualität der pädagogischen Rückmeldung verbessert wird und Lehrkräfte von Verwaltungsaufwand entlastet werden.»

In Bayerns Schulen gibt es nun Halbjahreszeugnisse

In Bayern werden die Zwischenzeugnisse am 14. Februar vergeben. Bei Fragen oder Verunsicherung wird am Freitag von 15.30 bis 17.30 Uhr für Kinder, Jugendliche und Eltern ein anonymer «Zeugnis-Chat» eingerichtet. Der Chat ist auf der virtuellen Beratungsstelle der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung unter www.bke-beratung.de abrufbar. Erfahrene Fachkräfte beraten dort kostenlos in Einzel- oder Gruppen- und Themenchats zum Thema Schulnoten.

Das Familienministerium verweist hilfesuchende Schüler oder Eltern zudem auf die «Nummer gegen Kummer» des Deutschen Kinderschutzbundes, die staatliche Schulberatung, Jugendämter und kommunale Erziehungsberatungsstellen. dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

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