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Lehrerverbände: Digitalisierung des Unterrichts? Ja, bitte – aber pädagogisch fundiert

FRANKFURT/MAIN. Die GEW hat mit Blick auf die nach wie vor lahmende Digitalisierung der Schulen die Bildungspolitiker von Bund und Ländern gemahnt, „endlich ihre Hausaufgaben zu machen“. Noch immer seien 90 Prozent der Lehrkräfte darauf angewiesen, ihre privaten Endgeräte für die Arbeit an der Schule zu nutzen, so hieß es mit Blick auf den heute veröffentlichten „Nationalen Bildungsbericht“, der sich in einem Schwerpunkt der Digitalisierung widmet. Der Philologenverband mahnt an, dass sich auch aus der Corona-Krise dringender Handlungsbedarf in Sachen Digitalsierung der Schulen ergibt.

90 Prozent der Lehrkräfte nutzen einen Privatrechner für die Arbeit – so ergab unlängst eine GEW-Umfrage (News4teachers berichtete). Foto: Shutterstock

Das Bildungsbericht 2020 kommt zum Thema „Bildung in der digitalisierten Welt“ zu folgenden Befunden:

„Offenbar verstärkt der Einsatz digitaler Medien das starke soziale Gefälle in den Schulen“, sagt Ilka Hoffmann, für Schule verantwortliches GEW-Vorstandsmitglied. „Eine Erkenntnis, die auch durch die Erfahrungen aus der Corona-Krise gestützt wird. Die Politik muss endlich gegensteuern. Sie muss den Raum für die Entwicklung pädagogischer Konzepte schaffen, für eine stabile digitale Infrastruktur sorgen, Systemadministratoren einstellen sowie Lehrkräfte und Schüler mit digitalen Endgeräten ausstatten. Sonst klafft die soziale Schere künftig noch weiter auseinander.“

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GEW: Digitalisierung ist kein Ersatz für pädagogische Konzepte

Weiter betont Hoffmann: „Die Fortbildungsangebote für Lehrkräfte zur Digitalisierung müssen ausgebaut und passgenauer werden, aber auch die Ausbildung müsse digitale Anforderungen stärker berücksichtigen. Ohne ausreichende Angebote und die Unterstützung bei der Konzeptentwicklung bleibt der Einsatz digitaler Medien im Unterricht allenfalls Stückwerk.“ Bisher seien die Schulen zu wenig bei der Entwicklung medienpädagogischer Konzepte unterstützt worden.

Die Schulexpertin stellt fest, dass die Situation der Lehrkräfte bei der Umsetzung der Digitalisierung nur unzureichend berücksichtigt werde: „Die Digitalisierung an den Schulen sollte dringend auch arbeitsrechtlich geerdet werden. Zurzeit wird die Quadratur des Kreises gefordert. Lehrkräfte sollen – bei unzureichender digitaler Infrastruktur – den Datenschutz beachten, gleichzeitig aber ins Online-Lernzeitalter vorstoßen. Sie sollen immer per E-Mail zu erreichen sein, sich aber nicht über die schleichende Ausweitung ihrer Arbeitszeit beklagen. Das passt nicht!“

Hoffmann kritisiert, dass die Digitalisierung, so wie sie aktuell vorangetrieben wird, die „Normierung von Lernanforderungen“ verstärke. Grund hierfür seien die Ideen von „Learning-Analytics“-Konzepten, mit denen viele Schulen arbeiten sollen. „Digitalisierung, kritisches Denken und Demokratie müssen jedoch in allen Bildungsbereichen Hand in Hand gehen“, fordert das GEW-Vorstandsmitglied. Es sei falsch, die Digitalisierung als Ersatz für pädagogische Konzepte zu sehen. Digitale Angebote seien nicht automatisch besser als analoge Lernangebote. Die Digitalisierung müsse pädagogisch begleitet und in ein didaktisches Gesamtkonzept eingebunden werden.

Philologen: Staat muss Schulen über die Ferien vernünftig ausstatten

„Der Philologenverband erwartet von Bund, Ländern und Kommunen, dass alle Schulen des Sekundarbereiches in den Sommerferien 2020 so instand gesetzt werden, dass danach alle Lehrkräfte mit allen ihren Schülerinnen und Schülern mit vom Dienstherrn und Schulträger zur Verfügung gestellten, digitalen Endgeräten rechtssicher, datenspeicherarm und datenschutzkonform auch über die digitale Plattform der Schule kommunizieren und lehrplanbezogen interagieren können“, so erklärt die Vorsitzende Susanne Lin-Klitzing. Ziel sollte der pädagogisch-didaktisch begründete digital unterstützte Präsenzunterricht sein, der bei Corona-Ausbrüchen zum phasenweisen Fernunterricht werden kann. Dieser müsse genauso wie der Regelfall Präsenzunterricht mit verbindlich zu erreichenden Kompetenzzielen, Leistungserhebungen und -bewertungen versehen sein.

Lin-Klitzing: „Der Bericht und die anhaltende Corona-Krisensituation sollten genutzt werden, um unser leistungsorientiertes Bildungssystem zukunftsorientiert zu stärken. Die technische Infrastruktur ist nur eine Voraussetzung dafür. Sie sei aber für die strategische Zielsetzung des didaktisch begründeten digital unterstützten Präsenzunterrichts grundlegend. „Denn Stricken ohne Wolle und ohne Stricknadeln wird auch in Zukunft noch nicht möglich sein!“ News4teachers

„Lehrerinnen und Lehrer eignen sich bestens als Sündenböcke“: Warum das Image der Schulen in der Corona-Krise so leidet – ein Interview

 

 

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