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Lehrerverband schlägt Alarm: Schulen laufen nur noch im Notbetrieb

MÜNCHEN. Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) sieht den Unterricht an den Schulen in Gefahr und schlägt Alarm: «Wir haben noch nie so einen Notbetrieb erlebt, wie jetzt», sagte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann am Mittwoch in München. Zwei Krisen prallten momentan aufeinander: ein dramatischer Lehrermangel und die Corona-Krise, die für Schulleiter und Lehrer mit sehr großen Herausforderungen und enorm vielen Zusatzaufgaben verbunden sei.

„Die Behauptung des bayerischen Kultusministers, es sei an den Schulen im Großen und Ganzen alles in Ordnung und man hätte besser in das Schuljahr gestartet als erwartet, ist falsch“, erklärte die BLLV-Chefin. Die Schulen würden angehalten, Regelbetrieb zu halten, ohne nur annähernd das nötige Personal und die nötige Ausstattung dafür zu bekommen. Regelbetrieb sei nicht möglich, da es überall an Lehrerinnen und Lehrern fehle. Corona verschärfe diese Notsituation gravierend.

“Viele Lehrerinnen und Lehrer können schlichtweg nicht mehr”

Fleischmann: „Die Grenze des Machbaren ist längst überschritten. Die Lehrerinnen und Lehrer nehmen ihre Verantwortung für Kinder und Gesellschaft sehr ernst, aber viele von ihnen können schlichtweg nicht mehr. Und immer wieder gibt es neue Erwartungen und Anweisungen, die nicht mehr umzusetzen sind. Ein Irrsinn, der deutlich macht, dass an allen Ecken und Enden Personal fehlt.“

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Fleischmann forderte deshalb einen Lehrergipfel. Hier müsse es Ergebnisse geben, wie Lehrer sofort entlastet und der Lehrermangel in Zukunft vermieden werden könne. «Schulverwaltung und Politik wollen weiter irgendwie diesen Schein wahren, und anstatt das Problem ehrlich zu benennen und anzugehen, eiern sie rum», warf sie unter anderem Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) vor. Das Problem des Lehrermangels sei jahrelang kaschiert worden, auch weil die Schulen vieles aufgefangen hätten. Das sei wegen Corona nicht mehr möglich, da etwa Klassen nicht mehr zusammengelegt werden könnten, wenn ein Lehrer krank werde.

“Wir haben im Augenblick keinen Regelbetrieb an den Schulen”

Tomi Neckov, Leiter einer Mittelschule in Schweinfurt, beklagte unter anderem den bürokratischen Aufwand, der sich durch Corona verschärft habe. «Deshalb erwarte ich im Moment von der Staatsregierung einfach nur Ehrlichkeit und das Eingeständnis, dass wir keinen Regelbetrieb im Augenblick an den Schulen haben», sagte er. Das würde den Druck gegenüber den Eltern herausnehmen. «Die denken, dass sie einen Anspruch haben auf normalen Unterricht, der eben nicht stattfinden kann im Augenblick.» Für die Grippewelle sieht er seine Schule nicht gerüstet. «Wenn die Saison beginnt und die Lehrkräfte noch zusätzlich ausfallen, dann weiß ich nicht, wie ich den Betrieb noch aufrecht erhalten kann.» News4teachers / mit Material der dpa

Die Alarmzeichen

An welchen Faktoren der BLLV den Notbetrieb in den Schulen festmacht:

Ruft zum Protest auf: BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. Foto: BLLV
  • Im Krankheitsfall von Lehrkräften weist das zuständige Schulamt keine Vertretungen mehr zu – und das Kollegium einer Schule kann nicht unbegrenzt Überstunden leisten. „Bislang konnten die Kinder einer Klasse vertretungsweise auf mehrere andere Klassen aufgeteilt werden. Das ist nun nicht mehr möglich.“ Die Folge: hoher Unterrichtsausfall
  • „Stunden müssen fachfremd unterrichtet werden, weil nicht ausreichend Lehrkräfte mit der Lehrbefähigung für den jeweiligen Fachbereich vorhanden sind.“
  • „Teamlehrkräfte, Studierende und Pensionisten erteilen Unterricht, weil zu wenige Lehrerinnen und Lehrer da sind.“
  • „Ganztag findet oftmals nicht mehr statt bzw. nur noch offener Ganztag.“
  • „Die Brückenangebote, die von der Politik Ende letzten Schuljahres versprochen wurden, sind nicht möglich. Die Kinder können nicht aufgefangen werden.“
  • „An vielen Schulen müssen die Lehrkräfte aufgrund der räumlichen Voraussetzungen in jeder Pause Aufsicht führen. Eine kurze Erholungsphase am Vormittag ist somit unmöglich. Auch die Frühaufsichten mussten deutlich verstärkt werden.“
  • „Am Nachmittag müssen neben der normalen Unterrichtsvorbereitung Schüler, die sich in Quarantäne befinden, adäquat mit Lernstoff versorgt, der Distanzunterricht vorbereitet und Fortbildungen besucht werden.“
  • „Schulleitungen müssen immer mehr Regelungen umsetzen, ohne entsprechende Zeitressourcen zu bekommen. Schulleitungen sollen auch am Wochenende für die Gesundheitsämter erreichbar sein. Dafür erhalten sie keine Arbeitszeit gutgeschrieben, sie leisten es zusätzlich.“
  • „Auch die Verwaltungsangestellten berichten von einem erheblichen Mehraufwand bei den Telefonaten mit den Eltern. Trotz schriftlich kommunizierter Vorgehensweisen bei Krankheitssymptomen der Kinder werden täglich vielfache Fragen von verunsicherten Eltern in den Sekretariaten zur korrekten Handhabung gestellt.“
  • „Identische oder analoge Vorgänge werden sogar innerhalb eines Gesundheitsamtes unterschiedlich bewertet. Dies führt bei Schulen und Eltern zu Verunsicherung und Verärgerung.“

Gut ins Schuljahr gestartet? Von wegen! „An den Schulen herrscht Notbetrieb, Lehrer sind völlig überlastet“ – sagt der BLLV

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