BERLIN. 20 der größten Elternverbände in Deutschland hatten in einem gemeinsamen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gefordert, dass in Schulen die AHA-Regeln eingehalten werden – eine Antwort blieb aus. Jetzt haben die Elternverbände eine Petition gestartet, um den Druck auf die Politik zu erhöhen. Das macht offenbar Eindruck: Die KMK kündigt, erstmals seit Beginn der Corona-Krise, Gespräche mit Eltern- und Lehrervertretern an. Allerdings besteht kaum Hoffnung, dass ernsthaft über die Forderungen der Eltern verhandelt wird.
Nach dem Bund-Länder-Gipfel und dem Beschluss, die Kitas und Schulen trotz drastisch steigender Infektionszahlen offenhalten zu wollen, plant die Kultusministerkonferenz (KMK) erstmals in der Corona-Pandemie Gespräche mit Eltern und Lehrern. „Das Präsidium der Kultusministerkonferenz wird zeitnah mit den Lehrer- und Elternverbänden über die Situation in der Corona-Pandemie diskutieren“, so heißt es in einer Mitteilung,
Worüber die Kultusminister sprechen wollen? Offenbar geht es lediglich darum, längst gefasste Beschlüsse zu präsentieren. Von Ergebnisoffenheit kann auf Seiten der KMK jedenfalls keine Rede sein: „Die Ministerinnen und Minister, die Senatorinnen und Senatoren begrüßen den Beschluss, dass Schulen und Kitas weiter offenbleiben“, so ist nämlich ebenfalls in der Mitteilung zu lesen. Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin und amtierende KMK-Präsidentin Stefanie Hubig (SPD) sagte, es müsse vor Ort angepasst auf das Infektionsgeschehen reagiert werden, um das Recht auf Bildung mit dem bestmöglichen Gesundheitsschutz für Lehrkräfte und die Schülerinnen und Schüler zu vereinbaren.
Elternverbände fordern, dass die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für Schulen eingehalten werden
Schon das aber steht den Forderungen, die die großen Elternverbände in Deutschland nun gemeinsam in einer Petition erheben, entgegen. Sie verlangen nämlich – statt des willkürlichen Vorgehens der Landesregierungen – eine länderübergreifende Entscheidungsgrundlage für den Infektionsschutz an Schulen. Konkret: „Wir fordern einen einheitlichen, verbindlichen Stufenplan mit abgestuften Hygienemaßnahmen vor Ort. Die ‚Präventionsmaßnahmen in Schulen während der COVID-19-Pandemie. Empfehlungen des Robert Koch-Instituts für Schulen‘ vom 12.10.20 müssen unverzüglich und vollumfänglich in allen Schulen und im ÖPNV / Schülerbeförderungsverkehr umgesetzt werden.“
Die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) werden in keinem Bundesland umgesetzt. Das RKI empfiehlt ab einem Inzidenzwert von 50 Neuinfektionen innerhalb einer Woche auf 100.000 Einwohner für alle Schulen des betroffenen Gebiets eine generelle Maskenpflicht im Unterricht (also auch in Grundschulen) sowie eine Verkleinerung der Lerngruppen, damit die Abstandsregel in den Klassenräumen eingehalten werden kann (News4teachers berichtet ausführlich über die Empfehlungen des RKI für den Schulbetrieb).
Aktuell (Stand: 2. November) gibt es in Deutschland 357 Städte und Landkreise, die über einem Inzidenzwert von 50 liegen und damit als Risikogebiete gelten. Ganz Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Sachsen sowie Berlin, Bremen und Hamburg sind Corona-Hotspots. In 27 Regionen liegt die 7-Tages-Inzidenz laut RKI sogar über der 200er-Marke. Trotzdem wird lediglich vereinzelt in kleineren Lerngruppen unterrichtet – die nordrhein-westfälische Stadt Solingen beispielsweise will in ihren Schulen so verfahren. Das Schulministerium NRW prüft Schritte dagegen.
“Wir fordern die schnellstmögliche Verkleinerung der Lerngruppen”
In der Petition der Elternverbände heißt es nun: „Wir fordern die schnellstmögliche Verkleinerung der Lerngruppen, so dass das Einhalten der AHA-Regeln durch die Lernenden an den Arbeitsplätzen möglich ist. Wir fordern die Möglichkeit des Hybridunterrichts im Schichtbetrieb – mit Sicherung der Betreuung für berufstätige Eltern. Durch die Pandemie entstehende Wissenslücken müssen durch gezielte Fördermaßnahmen geschlossen werden. Die Teilhabe/ Einbeziehung der Minderheiten muss dabei berücksichtigt werden.“ Gefordert wird in diesem Zusammenhang auch, den digitalen Unterricht auszuweiten, „wo immer dies möglich ist“. „Für die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrenden im digitalen Bereich sind ausreichende finanzielle Mittel kontinuierlich bereitzustellen.“ Ebenso müsse der Bund für alle notwendigen Endgeräte bei Schüler*innen und Lehrkräften aufkommen.
Auch an die Arbeitsbelastung für Lehrkräfte wird gedacht. „Kurzfristig müssen Lehrkräfte durch die parallele Vorbereitung von Präsenz- u. Distanzunterricht erhebliche Mehrarbeit leisten. Diese Arbeit ist unabdingbar und muss z. B. in Arbeitszeitkonten reflektiert werden. Lehrkräfte sollten freiwillig ihr Stundendeputat erhöhen dürfen, alle Möglichkeiten der sofortigen Personalaufstockung sollten sofort umgesetzt werden.“
Eltern fordern die Anschaffung von mobilen Luftfiltern in Klassenräumen – flächendeckend
Weiter heißt es in der Petition: „Wir fordern das Aufstellen von mobilen Raumluftfilteranlagen mit Hepafilter der Stufe H14 in Klassenräumen, Mensen und Sporthallen, dazu Plexiglastrennscheiben, die Prof. Kähler empfiehlt. Sofern die Maskenpflicht in Klassenräumen eingeführt wird, muss der Bund für die Bereitstellung von sicheren, schadstofffreien Masken für alle aufkommen. Dies darf nur eine kurzfristige Übergangslösung sein, bis Raumluftfilteranlagen aufgestellt sind. Es müssen Pausen vom Maskentragen an der frischen Luft erfolgen. Die Teilhabe/ Einbeziehung der Minderheiten muss berücksichtigt werden durch weitere besondere Schutzmaßnahmen.“
Hintergrund: Prof. Christian Kähler vom Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik der Universität der Bundeswehr München hatte den Einsatz von mobilen Raumluftfiltern gegen möglicherweise Corona-belastete Aerosole getestet – und war zu dem Ergebnis gekommen: „Gemäß unserer wissenschaftlichen Analysen bieten Raumluftreiniger, die eine Luftwechselzahl von mindestens 6 pro Stunde schaffen, einen Filter der Klasse H14 nutzen und hinreichend leise sind, so dass sie nicht abgeschaltet werden, ein viel höheres Maß an Sicherheit vor einer indirekten Infektion, als die freie Lüftung.“ Zum Schutz vor direkten Infektionen raten die Forscher, zusätzlich Plexiglasscheiben zwischen den Schülern aufzustellen.
„Wir befinden uns in einem lange währenden Krisenmodus, der allen am System Schule Beteiligten kontinuierlich viel abverlangt“, so begründen die Elternverbände ihre Petition. Und: „Schnelles Handeln ist erforderlich, um die körperliche und psychische Unversehrtheit von Schüler*innen, ihren Familien, Lehrkräften, weiteren pädagogischen Fachkräften etc. in der Pandemie sicherzustellen und Bildungsgerechtigkeit für alle zu ermöglichen.“ News4teachers / mit Material der dpa
Hier geht es zur gemeinsamen Petition der Elternverbände.
Getragen wird die Petition, die auf der Grundlage eines gemeinsamen Briefes an Bundeskanzlerin Angela Merkel erfolgt ist, von:
Stephan Wassmuth (Vorsitzender) Bundeselternrat, Lohfelden
Petra Müller (BER-Mitglied) Landeselternbeirat Rheinland Pfalz
Andrea Lausberg-Reichardt (BER-Mitglied) LEK NRW
Stefanie Krüger-Peters (BER-Mitglied) LEK NRW
Reiner Schladweiler Landeselternsprecher RLP Regionalelternsprecher Regionalelternbeirat Trier
Stjepan Bonic Stellvertretender Landeselternsprecher RLP
Uwe Geisler (Sprecher) ARGE-SEB Mainz
Erol Celik (Vorsitzender) Elternnetzwerk NRW Integration miteinander e.V.
Dr. Aysun Aydemir (Vorsitzende) Föderation Türkischer Elternvereine e.V. (FÖTEV NRW)
Michael Mittelstaedt (Vorsitzender) Landeselternbeirat Baden-Württemberg (LEB BW)
Bernd Kochanek (Vorsitzender) Gemeinsam Leben, Gemeinsam Lernen e.V. (GLGL e.V) Roland Schiefelbein (Vorstand) Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule– Verband für Schulen des gemeinsamen Lernens e.V. (GGG NRW e.V.)
Stefan Kreis (Vorsitzender) GesamtLandesElternVertretung Saarland (GLEV)
Romy Suhr (Vorsitzende) die Inklusiven e.V Andrea Honecker (Vorsitzende) Katholische Elternschaft Deutschlands (KED) im Erzbistum Köln e.V.
Anke Staar (Vorsitzende) Landeselternkonferenz NRW (LEK NRW)
Tanja Speckenbach (Vorsitzende) Landeselternschaft der Förderschulen mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung e.V.
Jutta Löchner (Vorsitzende) Landeselternschaft der Gymnasien e.V.
Eva Thoms (Vorsitzende) Mittendrin e.V.
Klaus Amoneit (Vorsitzender) Progressiver Eltern- und Erzieherverband NRW e.V.
Cindy-Patricia Heine (Vorsitzende) Landeselternbeirat Niedersachsen
Dr. Irene Schütze, Mainz
Prof. Dr. Markus Scholz, Leipzig