STUTTGART. Die Lehrer (auch) in Baden-Württemberg sind unzufrieden mit den Bedingungen, unter denen sie in Corona-Zeiten unterrichten sollen. Der Landesregierung werfen sie grobe Versäumnisse vor. Die GEW fordert Investitionen in mobile Luftfilteranlagen für die Klassenräume. Die Pädagogen stehen mit ihrer Kritik nicht allein da: Wie eine Umfrage zeigt, halten auch die Bürger die Schulpolitik in der Corona-Krise für schwach.
Bei Lehrern und Erziehern in Baden-Württemberg regt sich heftiger Widerstand gegen die Bedingungen, unter denen Schulen und Kitas im November geöffnet bleiben sollen. Ein Sprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bezeichnete den Umgang der Landesregierung mit den Einrichtungen als verantwortungslos. «Die Verunsicherung und der Unmut unter den 130.000 Lehrkräften im Land wächst», sagte die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz laut einem Sprecher in Stuttgart.
Keine FFP-Schutzmasken, CO2-Messgeräte oder Raumluftfilter für die Schulen
Während es überall neue Schutzmaßnahmen gebe und erneut milliardenschwere Rettungspakete beschlossen würden, verweigere die Kultusministerin Lehrkräften weiter FFP2-Schutzmasken. Die Schulen warteten weiter auf CO2-Messgeräte und Raumluftfilter und die Landesregierung ignoriere seit Monaten die Vorschläge für eine bessere personelle Unterstützung zum Beispiel durch Lehramtsstudierende und Pädagogische Assistenzen, sagte Moritz demnach. «Wir haben erst wenige Wochen im Schuljahr hinter uns und den Lehrerinnen und Lehrern, allen voran den Schulleitungen geht die Luft aus und die Angst wird größer.»
Während von Bund und Ländern zur Kontaktreduzierung aufgerufen werde, sollten in den 4500 Schulen im Land ab morgen wieder viele Stunden bis zu 30 Kinder und Jugendliche mit ihren Lehrkräften in viel zu engen und oft nicht gut zu lüftenden Klassenzimmern sitzen, gab die Vorsitzende Moritz zu bedenken.
GEW fordert: Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für die Schulen beachten
Die GEW setze sich deshalb für Wechselunterricht ab der siebten Klasse ein, bei der eine Hälfte der Klasse zu Hause lerne. Dieses Modell würde auch vom Robert Koch-Institut für die Pandemiestufe 3 empfohlen (News4teachers berichtet ausführlich über die Empfehlungen des RKI für den Schulbetrieb – hier geht es hin). Doch an vielen Schulen fehlten Lehrkräfte. Gebe es mehr Lehrkräfte, sei ein solches Konzept auch besser umsetzbar, heißt es von der GEW. Als kurzfristige Maßnahme sollten zudem CO2-Ampeln gekauft werden, damit die vorgeschlagenen Lüftungskonzepte umgesetzt werden können. Zudem solle es weiter kostenlose Corona-Tests für Lehrkräfte geben.
Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Sandra Boser forderte einen Runden Tisch mit Eltern-, Lehrer- und Schülervertretungen, an dem gemeinsam die Möglichkeiten ausgelotet werden, wie die Ansteckungsgefahr in der Schule zusätzlich minimiert werden kann. «Das erhöht die Akzeptanz der Maßnahmen.» Um die Lehrkräfte zu unterstützen und zu entlasten, solle den Schulen der Einsatz von multiprofessionellen Teams ermöglicht werden – von Schulsozialarbeitern über Sozial- und Sonderpädagogen, Psychologen bis hin zu IT-Betreuern. «So können sich unsere Pädagogen aufs Unterrichten konzentrieren.» Diese Stellen müssten nach Angaben einer Fraktionssprecherin noch geschaffen werden. In Räumen, die für das Lüften nicht geeignet sind, könne der Einsatz von Raumluftfiltern sinnvoll sein. Die Grünen stellen gemeinsam mit der CDU die Landesregierung. Im März wird in Baden-Württemberg gewählt – und Eisenmann tritt als Spitzenkandidatin der Christdemokraten gegen Ministerpräsident Winfried Kretschmann an.
Eine Sprecherin des CDU-geführten Kultusministeriums sagte, ihrer Kenntnis nach gebe es in Baden-Württemberg keine Pläne der für die Ausstattung zuständigen Schulträger, Luftfilteranlagen für Schulen und Kitas flächendeckend anzuschaffen.
57 Prozent der Bürger lehnen die Schulpolitik in der Corona-Krise ab
Die meisten Baden-Württemberger sind zufrieden mit dem Corona-Management der Landesregierung, aber unzufrieden mit der Schulpolitik in der Krise. Das ergab eine am Donnerstag veröffentlichte Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag aller baden-württembergischen Tageszeitungen. Demnach bewerten 60 Prozent der Befragten die Arbeit der grün-schwarzen Landesregierung in der Krise mit gut oder sehr gut. 57 Prozent halten die Schulpolitik des Landes für nicht gut oder weniger gut, nur 3 Prozent für sehr gut. 69 Prozent aller Befragten und 68 Prozent der Eltern bezweifeln, dass Lehrer für den digitalen Unterricht ausreichend geschult und ausgebildet sind.
Die stark ansteigenden Corona-Zahlen sorgen danach für große Unruhe im Land, wie die „Stuttgarter Zeitung“ unter Berufung auf die Umfrage berichtet. Zwei Drittel der Eltern machen sich danach große oder sogar sehr große Sorgen, dass ihre Kinder kurzfristig nicht mehr zur Schule oder in die Betreuungseinrichtungen gehen können. Für die überwältigende Mehrheit der Eltern wie auch der gesamten Bevölkerung in Baden-Württemberg hat eine verlässliche Betreuung der Kinder eine außerordentlich große Bedeutung: 92 Prozent der Eltern ist es wichtig oder sehr wichtig, dass auch in Krisenzeiten ein verlässlicher Schulunterricht und eine verlässliche Betreuung von Kindern gewährleistet ist. Das Institut für Demoskopie Allensbach befragte zwischen dem 8. und 20. Oktober mehr als 1000 Menschen in Baden-Württemberg. News4teachers / mit Material der dpa
