BERLIN. Vertreter von Lehrer- und Ärzteschaft haben die Corona-Vereinbarungen von Bund und Ländern als unzureichend kritisiert. «Was wir dort erleben als Showdown von Eitelkeiten hilft niemandem», beklagte der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, im SWR. Für das Gesundheitswesen sei es fünf vor zwölf. Montgomery wie auch Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, forderten mehr Flexibilität im Schulsystem, um den Herausforderungen der Krise begegnen zu können.
Montgomery forderte mehr Engagement von den Kultusministern ein. «Wo ist die Digitalisierung der Schulen, wo ist aber auch der gesplittete Unterricht und wo sind auch die Lehrer, die dann Schichtdienst machen?», sagte Montgomery am Dienstagabend im «heute journal» des ZDF. «Wir sind es im Krankenhaus zum Beispiel gewohnt, bei einem höheren Arbeitsanfall von Patienten, dass wir dann auch mal zwei Schichten machen, dass wir zusätzliche Arbeit leisten.» Seiner Ansicht nach sei es geboten, in den Schulen hinsichtlich der Arbeitsformen und der Digitalisierung innovativer zu werden. «Damit wir den Kindern nicht ihre Zukunft rauben. Denn momentan betrügen wir Generationen um ihre Zukunft, weil sie keine ausreichende Schulbildung bekommen.»
Meidinger: Freiwilliges Zusatzjahr könnte helfen, dauerhafte Lernrückstände zu vermeiden
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, bedauerte, dass mögliche Beschlüsse über striktere Hygieneregeln für Schulen auf kommende Woche vertagt wurden. «Das könnte sich noch bitter rächen», sagte er dem Nachrichtenportal «Watson». Er warnte, später könnten drastischere Maßnahmen nötig werden. Im Gespräch mit der «Passauer Neuen Presse» brachte er die Idee eines freiwilligen Zusatzjahres ins Spiel, das etwa für Schüler in Abschlussklassen oder mit besonderem Förderbedarf helfen könnte, dauerhafte Lernrückstände zu vermeiden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel räumte ein, dass die mit den Ministerpräsidenten getroffenen Entscheidungen zur Corona-Krise aus ihrer Sicht teils zu langsam fielen. «Ich werde weiter der ungeduldige Teil in dieser Sache sein», versicherte die CDU-Politikerin bei einer Konferenz der «Süddeutschen Zeitung». Merkel hatte sich von dem Treffen mit den Ministerpräsidenten am Montag weitere Verschärfungen erhofft. Übrig blieb indes vor allem ein Appell an die Bürger, ihre privaten Kontakte noch einmal deutlich zu reduzieren.
Merkel hatte am Montag mit den Ministerpräsidenten über weitere Corona-Maßnahmen beraten. In der ursprünglichen Fassung einer Beschlussvorlage des Bundes war noch von einer Ausweitung der Maskenpflicht an Schulen und einer Halbierung der Gruppengrößen die Rede gewesen. Am Ende vertagten Merkel und die Ministerpräsidenten jedoch die Entscheidung über derartige Maßnahmen bis kommende Woche.
Die Kanzlerin rechnet mit schwierigen Verhandlungen mit den Ministerpräsidenten der Länder über eine Corona-Strategie bis Weihnachten und Silvester. «Ich hoffe, dass wir nächste Woche zu weiteren Dingen kommen», sagte sie nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in einer virtuellen Sitzung der Unionsfraktion. Von Teilnehmern wurde sie mit den Worten zitiert: «Das werden sehr, sehr schwierige Entscheidungen werden.» Die nächsten Beratungen Merkels mit den Ministerpräsidenten sind für den 25. November geplant.
Die Gesundheitsämter schaffen es nicht mehr, die Kontaktpersonen nachzuverfolgen
Der Bundesverband der Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst drang auf verpflichtende Regelungen. «Den Gesundheitsämtern steht das Wasser bis zum Hals, wir schaffen es nicht mehr, die Kontaktpersonen nachzuverfolgen», sagte die Vorsitzende Ute Teichert im Interview mit WDR2. «Von daher wären einheitliche Beschlüsse für uns sehr hilfreich gewesen.»
Die Corona-Neuinfektionen lagen am Dienstag zum zweiten Mal in Folge unter dem Wert der Vorwoche. Die Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut (RKI) 14 419 neue Corona-Infektionen – knapp 1000 Fälle weniger als vor einer Woche. Am vergangenen Dienstag hatte die Zahl bei 15 332 gelegen – und damit erstmals seit September unter dem Wert vom Dienstag zuvor (15 352). News4teachers / mit Material der dpa