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Bremer Bildungssenatorin unterläuft den Gipfelbeschluss – sie empfiehlt Eltern, ihre Kinder in die Schule zu schicken

BREMEN. Die Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin haben sich am Dienstag darauf verständigt, den Schul- und Kitabetrieb drastisch herunterzufahren. «Aufgrund der hohen Infektionszahlen blieb aber keine andere Lösung, als Präsenzpflicht auch für die Schulen für die nächste Zeit aufzuheben», so bekräftigte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer gestern in Berlin. Der harte Beschluss sei «absolut notwendig» gewesen – angesichts des Infektionsgeschehens. Die Bremer Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) ermuntert Familien derweil, die Vorgabe zu unterlaufen. „Ich kann allen Eltern nur empfehlen, ihre Kinder in die Schule zu schicken“, sagt sie. Bremen hat, anders als die meisten anderen Bundesländer, den Präsenzunterricht nicht ausgesetzt.

Schickt ihre eigenen Kinder zur Schule: Bremens Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD). Foto: Pressestelle der Senatorin für Kinder und Bildung

„Wir müssen einerseits gucken, dass wir dem Infektionsschutz gerecht werden und nicht Kitas und Schulen zu Orten werden, wo die Infektion unkontrolliert weitergegeben wird. Und gleichzeitig muss ich dafür sorgen, dass die weitere Zukunft der Kindern und Jugendlichen nicht gefährdet wird durch eine zu große Beschneidung von Bildungszeit und Bildung“, so erklärte Bogedan in einem Interview mit Radio Bremen. „Sowohl in den Kitas als auch in Schulen findet ja eine vollumfängliche Bildung statt, das heißt, es gibt Bewegungsangebote, man kommt mit anderen Kindern in Kontakt. Das alles fördert ja ein gesundes Wohlergehen. Es geht nicht nur um die Frage der nackten Wissensvermittlung, sondern es geht um das gesamte Wohlbefinden.“

“Wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass Kindern grundsätzlich ein gutes Aufwachsen ermöglicht wird”

Weiter sagt sie: „Wir haben dramatische Berichte über die Zunahme von Depression bei Kindern, wir haben dramatische Berichte über Zunahme von Fettleibigkeit, wir haben dramatische Berichte über Suchterkrankungen und wir haben auch leichte Tendenzen, was Gewalt gegen Kinder betrifft. Wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass Kindern grundsätzlich ein gutes Aufwachsen ermöglicht wird. Und deshalb, glaube ich, ist es wichtig, dass wir ihnen den Zugang und die Teilhabe zu Bildung in Kitas und Schulen ermöglichen.“ Und die Regelung für Bremen sei vor dem Hintergrund ein guter Kompromiss.

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Was gilt in Bremen?  Die Anwesenheitspflicht in der Schule bleibt – entsprechend dem Ergebnis des Bund-Länder-Gipfels – bis zum 31. Januar ausgesetzt. „Schülerinnen und Schülern der Klassen 1 bis 6 wird eine Teilnahme am Präsenzunterricht ermöglicht und empfohlen, der Klassen 7 bis 9 ein Distanz- und Präsenzunterrichtsangebot. Für die Abschlussklassen gibt es Unterricht im Wechselmodell“, so heißt es auf der Seite der Bildungsbehörde.

Ein Sonderweg? „Im Moment ist es so, dass es tatsächlich 16 Sonderwege gibt. Die Regelung, die gestern getroffen worden ist, führt zu unterschiedlichen Regelungen in allen 16 Bundesländern. Man muss sagen, dass das vielleicht auch gerechtfertigt ist. Die Lagen in den Bundesländern sind so absolut unterschiedlich. Auch die Ausgangslagen, was das Infektionsgeschehen betrifft. Wir haben im Süden Deutschlands Landkreise mit Inzidenzwerten über 600. Da sind wir mit unseren knapp unter 100 doch sehr, sehr weit von entfernt. Und auch das erlaubt ein unterschiedliches Vorgehen und macht es auch plausibel“, antwortet Bogedan.

Warum hält Bremen die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für den Schulbetrieb nicht ein?

Auch in anderen Bundesländern, etwa Hessen, läuft der Präsenzunterricht weiter. Andere, etwa Baden-Württemberg, haben angekündigt, bereits Mitte des Monats wieder Unterricht in den Schulen anbieten zu wollen. Warum allerdings Bremen die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts nicht befolgt, ab einem Inzidenzwert von 50 die Abstandsregel und generelle Maskenpflicht im Unterricht einzuführen, obwohl diese Empfehlungen doch gerade ein an das Infektionsgeschehen angepasstes Handeln erlauben, dazu sagt Bogedan  nichts. Der Inzidenzwert in Bremen liegt aktuell bei 75,2.

Stattdessen: Sie übernehme „sehr gerne“ die Verantwortung für ihre Politik weit offener Schulen. Wörtlich: „Ich kann allen Eltern nur empfehlen, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Ich sage das ganz offen. Ich bin so fest davon überzeugt, dass wir so viel dafür tun, Schulen und Kitas zu – so weit es geht – sicheren Orten zu machen. Die Alternative, wo es nur sicherer ist, ist es, wenn die Kinder zu Hause eingesperrt sind. Und das ist nur sicherer vor dem Hintergrund des Infektionsschutzes. Die Folgen, wenn Kinder keine sozialen Kontakte mehr pflegen können, wenn sie sich nicht bewegen können, sind dramatisch.“

Karliczek: Schulen sind vielleicht keine Treiber der Pandemie – sie sind aber Teil des Infektionsgeschehens

Weiter betont sie: „Ich bin für diese Haltung vielfach verprügelt worden. Es ist keine Haltung, die ich mir irgendwie leicht mache, sondern das ist eine wohlüberlegte und eine, die sich sehr intensiv auch mit der Daten und Fakten auseinandersetzt. Ich will aber auch die Ängste der Eltern ernst nehmen. Denn auch das erreicht mich natürlich vielfach, dass es einfach viele Eltern gibt, die in großer Sorge sind. Es ist ein Kompromiss, der die Sorgen ernst nimmt und trotzdem ein gutes Bildungsangebot aufrechterhält.“ Sie selbst schicke ihre beiden Kinder zur Schule – auch dann, wenn sie allein im Unterricht säßen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder hatten am Dienstag vereinbart, die in den Ländern seit Mitte Dezember geltenden Corona-Regeln an Schulen und Kitas bis Ende Januar fortzuschreiben – also möglichst keinen Präsenzunterricht und Kitabetreuung nur, wenn es sein muss. Für Abschlussklassen sind Ausnahmen möglich. Man müsse in der derzeitigen Lage alles daransetzen, Kontaktmöglichkeiten zu reduzieren, zudem müssten Infektionsketten wieder nachvollziehbar sein, sagte Demmer. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) bezeichnete die Maßnahmen ebenfalls als notwendig. Schulen seien vielleicht keine Treiber der Pandemie, sie seien aber Teil des Infektionsgeschehens, sagte sie am Mittwoch. News4teachers / mit Material der dpa

Kommentar: Wir werden viel verzeihen müssen? Die Liste wird immer länger…

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