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Vor der Arbeit drücken? Was eine Lehrerin auf diesen Vorwurf entgegnet

DÜSSELDORF. News4teachers richtet sich als Bildungsmagazin an alle, die sich für Bildung engagieren. Das sind vor allem Lehrkräfte sowie Erzieherinnen und Erzieher. Aber natürlich auch Eltern. Weil die unterschiedlichen Perspektiven mitunter verschiedene Sichtweisen hervorbringen, geht es im Leserforum von News4teachers schon mal hoch her. Immer wieder kommen dabei auch gerne gepflegte Vorurteile zur Sprache – wie das von den Lehrkräften als „faulen Säcken“. Geht es Lehrerinnen und Lehrern bei der Debatte um angemessenen Gesundheitsschutz in Schulen in Wahrheit darum, sich vor dem Dienst zu drücken? Eine Lehrerin findet dazu deutliche Worte, die wir gerne hier noch einmal dokumentieren.

Lehrer haben vormittags recht und nachmittags frei? Von wegen. Illustration: Shutterstock

LeserIn “Weil” schreibt am 17. Januar 2021 um 17:17

“Klar, die Lehrer sind Beamte, bekommen immer Geld – egal, ob sie anwesend sind oder nicht. Warum sollen sie aus der Ferne unterrichten? Ist viel zu anstrengend. Lieber gar nicht. Ein Jahr Pause, warum nicht? Das passt in die Denkweise vieler Lehrer.”

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Lehrerin Erasco antwortet am 18. Januar 2021 um 07:43

“Woher haben sie eigentlich eine solch schlechte Meinung von Lehrern? Von Postkarten? Hier hab ich auch eine stehen: ‘Lehrer haben vormittags recht und nachmittags frei.’ Vielleicht gibt es ja demnächst eine mit: ‘Lehrer hatten ein Jahr Coronaferien’.

Die Wahrheit ist: Ich hatte weder im ersten Lockdown Urlaub bzw. ‘Coronaferien’ – noch jetzt. Wir bilden im zweiten Lockdown den Stundenplan online ab. Und das ist tatsächlich Mehrarbeit. Dass das nicht überall gelingt, liegt an Kultusministern, die nicht dafür gesorgt haben, dass alle Schulen über ein vernünftiges WLAN verfügen. Meine Schule bekommt erst 2022 einen Glasfaser-Anschluss. Schnelle Lösungen gibt es nur für die Wirtschaft, Bildung ist nicht wichtig – kennen wir seit 30 Jahren. Macht scheinbar nichts: Schüler haben ja einen leichten Covid-19-Verlauf. Pech für diejenigen, bei denen es anders läuft.

“Mein eigener Unterricht ist allerdings schlechter geworden – ich bin nicht bilokal”

Zum Thema Schulschließungen/Schulöffnungen: Die Schulen sind nicht geschlossen, es gibt eine Notbetreuung. Darüber hinaus wird Distanzunterricht gegeben, ob online oder wie auch immer er umgesetzt wird, je nach den gegebenen Möglichkeiten halt. In manchen Grundschulen findet Wechselunterricht statt, wenn weit mehr als 50 Prozent der Kinder zur Schule geschickt werden. Da dies mit dem normalen Personal nicht zu machen ist, werden Lehrer von anderen Grundschulen, die eigentlich eigene Schüler*innen zu betreuen haben, abgezogen.

Bei meiner Tochter hat trotzdem schon im letzten Lockdown alles toll funktioniert in der Grundschule – Top-Lehrerin. Jetzt sind meine beiden Kinder auf dem Gymnasium. Und auch hier gilt: Die Beschulung im Distanzunterricht ist super – mit Videokonferenzen und allem, was nötig ist. Ich kann meinen Kindern, obwohl ich Lehrerin bin, nicht helfen, weil ich selbst gleichzeitig Unterricht erteile. Klappt aber trotzdem.

Mein eigener Unterricht ist allerdings schlechter geworden, weil meine Kultusministerin unbedingt die Abschlussklassen in Präsenz sehen wollte. Ich bin nicht bilokal. Ich habe zwischen einzelnen Stunden 5 Minuten Pause, wenn überhaupt. Da kein ausreichendes WLAN in der Schule existiert, müsste ich in dieser Zeit nach Hause fliegen, um online unterrichten zu können. Meine Fahrzeit beträgt, wenn nichts dazwischen kommt, 25 Minuten. Nachmittags bin ich dann jederzeit für meine Schüler erreichbar.

“Auch wir Lehrkräfte wollen geöffnete Schulen – aber nur mit einem Hygieneplan, der den Standards des RKI genügt”

Es wäre schön, wenn die Kultusminister mal Einblick in die Organisationsstruktur der Schulen nehmen würden – und zwar bevor sie den Mund öffnen. Und ja, das wünsche ich mir auch von dem einen oder anderen, der hier schreibt. Gerne lade ich Sie ein, an meinem ‘gut bezahlten Corona-Urlaub’ teilzuhaben. Die Wahrheit ist: Ich stehe kurz vor einem Burnout.

Auch wir Lehrkräfte wollen geöffnete Schulen – aber nur mit einem Hygieneplan, der den Standards des RKI genügt. Unser Hygieneplan in der Schule sieht aber so aus: kein Abstand, volle Gruppengröße, das Virus weglüften bei Minusgraden. Das ergibt einen molligen Arbeitsplatz. Arbeiten mit FFP2-Masken? Auch dafür gibt es eigentlich Tragevorschriften und Pausezeiten, die für Lehrer aber nicht gelten. Und wenn kein Wind weht, kann man das Virus auch nicht weglüften, weil dann keine Luft durchzieht.

Stattdessen werden diejenigen, die vermutlich ein Hygienekonzept hatten, gerade in den Ruin getrieben. An den Restaurants und Geschäften kann die zweite Welle aber nicht gelegen haben. Sonst hätte man spätestens Anfang Dezember einen Erfolg sehen müssen. Entweder sind es die Schulen – oder weil sich privat keiner an Regeln hält. Ich tue das schon. Es will mich derzeit aber auch niemand wirklich treffen, weil man Angst vor Ansteckung hat. Lehrer haben halt viele soziale Kontakte.”

Leserposts

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Für die Veröffentlichung gelten ein paar Regeln, die sich im Grundsatz nicht von denen unterscheiden, die im normalen menschlichen Miteinander gelten – hier sind sie nachzulesen. Besonders interessante Posts  – wie den oben stehenden – veröffentlichen wir dann gerne auch als Gastbeitrag im redaktionellen Teil von News4teachers. Jeder und jede, der oder die sich für die Bildung engagiert, ist herzlich eingeladen, sich (auch anoynm) an den Debatten zu beteiligen. Jeder Beitrag auf News4teachers ist frei zur Diskussion. Natürlich auch dieser.

Brandbrief einer Lehrkraft: Liebe Kultusminister, können Sie meinen Schülern erklären, warum Noten wichtiger sind als die Gesundheit?

 

 

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