HAMBURG. Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) hat den Corona-Lockdown als eine große Belastung für die Schüler bezeichnet. «Es werden tiefe Spuren hinterlassen bei den Kindern und Jugendlichen, nicht nur im Bereich der kognitiven Bildung, sondern auch im Bereich der sozialen Bildung, auch der Persönlichkeitsentwicklung», sagte der Senator. Die meisten der betroffenen Schüler hätten bereits im vergangenen Frühjahr 13 Wochen Unterrichtsausfall hinnehmen müssen.
Beim sogenannten Distanzunterricht werde das Lernen trotz aller Bemühungen nicht die übliche Qualität haben. «Ich habe von Anfang an gesagt, dass dieses System von den Schulen und den Lehrern sehr, sehr viel verlangt», erklärte Rabe im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur und fügte hinzu: «Das gilt insbesondere, wenn man wirklich den Anspruch hätte, dass zu Hause eins zu eins Unterricht wie in der Schule stattfinden sollte und zugleich ein großer Teil der Schüler in der Schule betreut wird. Beides gleichzeitig passt kaum zusammen.»
Rabe selbst hat allerdings entschieden, in Hamburg lediglich die Schulbesuchspflicht aufzuheben – und weiterhin eine Art Präsenzunterricht anzubieten. Die meisten anderen Bundesländer sind nahezu komplett in den Fernunterricht gegangen. Die GEW kritisiert, dass keine zusätzlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt wurden. Auch müsse der Unterrichtsstoff vollständig abgearbeitet werden. Völlig offen ist, was mit der von den Lehrern geforderten „pädagogisch angemessenen Betreuung“ für Kinder, die in die Schule geschickt werden, gemeint sei.
Rabe unter Druck: Hat er eine Studie vertuscht, die belegt, dass Schulen keineswegs sicher sind?
Seit kurz vor Weihnachten hat Hamburg die Präsenzpflicht an den Schulen aufgehoben. Nach Möglichkeit sollen die Kinder und Jugendlichen zu Hause digital unterrichtet werden. Sie können bei Bedarf aber auch weiter in die Schule kommen. «Wir schicken kein Kind weg», betonte Rabe. Die Entscheidung der Eltern werde akzeptiert. «Wir akzeptieren das deshalb, weil wir sicher sind, dass die allermeisten Eltern sehr umsichtig mit der Corona-Krise umgehen und sich bemühen, die Kinder zu Hause zu lassen.»
Quer durch alle Schulformen kämen zurzeit rund zehn Prozent der Schüler zum Präsenzunterricht. An den Grundschulen liege der Anteil bei 20 Prozent. Wenn eine Schule mit den Anmeldungen zum Präsenzunterricht überfordert sei, versuche die Behörde, im Gespräch mit der Schulleitung eine Lösung zu finden.
Rabe steht massiv in der Kritik, weil er eine wissenschaftliche Studie zu einem sogenannten Superspreader-Event in einer Hamburger Schule vertuscht haben soll und stattdessen Daten der Schulbehörde präsentierte, die angeblich belegen, dass Schulen sicher seien. (News4teachers berichtet ausführlich über die Affäre – hier geht es zum aktuellsten Beitrag dazu.)
Rabe macht Druck, dass Grundschulen möglichst schnell wieder in den Präsenzunterricht gehen
Und er versucht weiter, die Rolle von Schulen in der Corona-Krise kleinzureden. Nach Ansicht von Wissenschaftlern spielten gerade Grundschüler eine untergeordnete Rolle in der Pandemie – behauptet der Bildungssenator. Darum wünscht sich Rabe besonders für Grundschulen eine frühzeitige Rückkehr zum vollen Präsenzunterricht. Er erwartet, dass die öffentliche Diskussion in den nächsten Wochen wieder verstärkt in diese Richtung gehen wird.
Mittlerweile sind in Deutschland 19 Erzieher/Lehrer im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion gestorben. Das geht aus Daten des Robert-Koch-Instituts hervor. Aktuell berichtet News4teachers über den Fall einer 44-jährigen Erzieherin, die nach einem Corona-Ausbruch in ihrer Kita an Covid-19 verstarb. Eine Datenerhebung der AOK weist Erzieher als die Berufsgruppe mit den meisten Corona-Diagnosen aus – noch vor Beschäftigten im Gesundheitsbereich (News4teachers berichtet auch darüber groß – hier nachzulesen).
Statt einem ständigen Hin und Her hätte die GEW lieber mal einen umstzbaren Plan, wie die Schulen in Hamburg die anstehenden Herausforderungen meistern können. Die Gewerkschaft fordert Rabe auf “endlich die Bedingungen für gelingenden Fernunterricht zu schaffen. Hierzu gehören insbesondere Ressourcen für IT-Wartung und Administration, ein stabileres WLAN, genügend Bandbreite, sowie eine Entschlackung der Lehrpläne. Ebenso nötig ist es, den Wechselunterricht vorzubereiten, der bei sinkenden Inzidenzzahlen greifen kann, ohne wieder direkt in den Präsenzunterricht ohne die nötigen Abstandsregelungen zurück zu kehren.” News4teachers / mit Material der dpa
Rabe vs. Wissenschaft: Wie der Hamburger Bildungssenator die Debatte verzerrt
