POTSDAM. Am Montag öffnen nach Grundschulen auch die anderen Schulen in vielen Ländern. Das soll mit Corona-Schnelltests unter Schülern und Lehrern flankiert werden. Doch die Bedenken nehmen zu. Beispiel Brandenburg – dort hat der Landeslehrerrat einen Brief an Bildungsministerin Ernst (SPD) geschrieben. «Besorgte Lehrkräfte an über 900 Schulen sollen Testkits an Schülerinnen und Schülern besorgter Eltern ohne Ausbildung, Fortbildung oder Einweisung ausprobieren. Von einer erfolgreichen Kooperation ist hier nichts zu erkennen», so heißt es darin. «Die Sorge einer nicht zu kompensierenden Überforderung aller an Schule Beteiligter, insbesondere aber der Schulleitungen ist real.»
Wenige Tage vor dem möglichst flächendeckenden Start der Corona-Schnelltests in Brandenburger Schulen wächst die Kritik an der Strategie. Der Landeslehrerrat hat Bedenken wegen der Handhabung der Tests, warnt aber auch vor einem Gesundheitsrisiko. Am Montag öffnen Gesamtschulen, Oberschulen und Gymnasien für den Wechselunterricht zwischen der Schule und zuhause. Die Grundschulen sind hierfür schon seit 22. Februar geöffnet. Die ersten 300.000 Selbsttests für die Lehrkräfte und die Schülerinnen und Schüler sollen ab Montag möglichst in allen Schulen starten, um die Öffnung zu begleiten.
«Als pädagogisch ausgebildetes Personal sehen wir uns nicht in der Lage, alle Schülerinnen und Schüler zu medizinischen Maßnahmen anzuleiten», schrieb der Landeslehrerrat an Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) in einem Brief. «Eine Testung in der Schule setzt voraus, dass die Schülerinnen und Schüler gemeinsam ohne Maske in einem Raum sitzen, der bei derzeitigen Temperaturen nicht über den gesamten Testzeitraum stoßgelüftet werden kann.» Medizinisches Personal, das Tests durchführe, trage dabei stets Schutzkleidung – die es in Schulen aber nicht gebe. «Die Gefahr für die Lehrkräfte wird noch weiter erhöht, indem die Selbsttests (wahrscheinlich gegen Unterschrift) abgeholt und allen Schülerinnen und Schülern ausgehändigt werden müssen, obwohl wir ansonsten sehr genau auf das Tausch- und Ausleihverbot achten.»
„Lehrerinnen und Lehrer sind weder Mediziner noch medizinisches Personal oder Apotheker”
Der Landeslehrerrat befürchtet Chaos durch die Tests: «Es ist davon auszugehen, dass an den ersten zwei Schultagen jeder Woche regelmäßig die ersten zwei Unterrichtsstunden aufgrund Testdurchführung ausfallen und somit immer die gleichen Unterrichtsfächer betroffen sein werden. Es ist weiterhin damit zu rechnen, dass bei Auftreten eines positiven Ergebnisses kein ordentlicher Schulbetrieb mehr durchgeführt werden kann, da die Schülerinnen und Schüler nicht nur betroffen reagieren, sondern die Lehrkräfte versuchen müssen, Stigmatisierungen zu vermeiden. Außerdem muss jede Schule zusätzliches Personal vorhalten, das in einem solchen Fall die Schülerinnen und Schüler separiert, die Eltern informiert und die zu isolierenden Schülerinnen und Schüler beaufsichtigt, bis deren Eltern eintreffen. Dieses Personalsteht nicht für den regulären Unterricht oder die Notbetreuung zur Verfügung.»
Der Landesrat, der die Interessen der Lehrkräfte vertritt, fordert auf seiner Homepage die Kollegien auf, eine Remonstration zu erwägen. „Lehrerinnen und Lehrer sind i. d. R weder Mediziner noch medizinisches Personal oder Apotheker, die zum Herstellen eines Medizinproduktes für den Endverbraucher befugt sind. Als Beamtinnen und Beamte müssen wir bei unserer/unserem Vorgesetzen remonstrieren, d.h.: Nach den Vorschriften des Beamtenrechts muss der Beamte seine dienstlichen Handlungen auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen“, so heißt es.
„Liebe Lehrkräfte, bitte informiert auch eure KollegInnen, damit auch sie keine unrechtmäßige Handlung begehen“
Und weiter: „Hat er Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer Weisung, so muss er seinem unmittelbaren Vorgesetzten gegenüber remonstrieren, d. h. gegen die Ausführung der Weisung Einwände erheben. Bestätigt der unmittelbare Vorgesetzte die Anweisung und sind die Bedenken des Beamten nicht ausgeräumt, so muss sich der Beamte an den nächsthöheren Vorgesetzten wenden. Der Beamte hat hier keinen Ermessensspielraum. Bestätigt auch der nächsthöhere Vorgesetzte (der Vorgesetzte des Vorgesetzten des remonstrierenden Beamten) die Anordnung, so muss der Beamte sie ausführen.“ Diese Gehorsamspflicht treffe den Beamten allerdings dann nicht, wenn er durch die Befolgung der Weisung eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begehen würde. „Liebe Lehrkräfte, bitte informiert auch eure KollegInnen, damit auch sie keine unrechtmäßige Handlung begehen.“ Die Remonstration gilt als schärfste Protestform im Beamtenrecht.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Elternrat in Brandenburg befürchten, dass die bisher vorgesehenen Testmöglichkeiten nicht reichen. Bildungsministerin Ernst hatte die Bedenken am Donnerstag zurückgewiesen. Sie sagte, bis zu den Sommerferien sollten 2,6 Millionen Schnelltests zur Verfügung stehen – wenn mehr nötig sei, werde mehr gekauft. Sie verwies auch auf Erfahrungen, die Schulen mit positiven Corona-Tests gemacht haben. Die Linksfraktion im Landtag forderte Schulkrankenschwestern, die Schüler und Lehrer durch die Pandemie begleiten. News4teachers / mit Material der dpa