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„Nur geimpfte Lehrer sollen unterrichten – alles andere ist unverantwortlich“

STUTTGART. Nach monatelangem Schul-Lockdown drücken seit Montag bundesweit wieder Hunderttausende Jungen und Mädchen die Schulbank. Ist das in Ordnung? Oder ist es ein Fehler? Die Meinungen gehen da auseinander. Sehr weit sogar – wie das Beispiel Baden-Württemberg zeigt. Allerdings lässt sich ein Faktum nicht bestreiten: Die infektionszahlen steigen seit den Schulöffnungen rasant.

Der Gesundheitsschutz für ungeimpfte Lehrkräfte reicht nicht aus – meint der VBE. Foto: Shutterstock

Seit einer Woche herrscht wieder Betrieb in den baden-württembergischen Klassenzimmern. «Gut so!», sagen die einen. «Warum nur?», fragen dagegen die Gewerkschaften. Denn die Öffnung der Schulen zu Wochenbeginn sei ein großer Fehler gewesen, kritisiert der Verband Bildung und Erziehung (VBE). Mittlerweile sei klar, dass auch Kinder in Kitas und Grundschulen infektiös sind und das Virus übertragen können.

«Fast alle Grundschulen melden uns zurück, dass die Klassen aufgrund fehlender räumlicher und personeller Möglichkeiten nicht geteilt werden können. Abstandhalten ist nicht möglich. Eine Maskenpflicht gab es nicht. Gleichzeitig gehen die Inzidenzen durch die Decke und viele Lehrkräfte haben noch immer keinen Impftermin erhalten», sagte der baden-württembergische VBE-Landesvorsitzende, Gerhard Brand. «Das wäre vermeidbar gewesen.»

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«Es hätten zunächst die Voraussetzungen für einen sicheren Unterricht erfüllt werden müssen»

Auch die Gewerkschaft Verdi verweist auf einen falschen Zeitpunkt für den Neustart. «Es hätten zunächst die Voraussetzungen für einen sicheren Unterricht erfüllt werden müssen», sagte die stellvertretende Landesbezirksleiterin, Hanna Binder. «Das wurde zu schnell umgesetzt und auch die Maskenpflicht an den Grundschulen kam viel zu spät.»

Nach wochenlangem Corona-Lockdown und Distanzunterricht waren Fünft- und Sechstklässler am Montag in den Präsenzunterricht zurückgekehrt. Zudem waren die Grundschulen vom Wechselunterricht in den Regelbetrieb übergegangen. Schüler von der siebten Klasse an bleiben – mit Ausnahme der Abschlussklassen – bis nach den Osterferien im Fernunterricht. Vom morgigen Montag an gilt zudem die Maskenpflicht auch an Grundschulen. An den weiterführenden Schulen in den fünften und sechsten Klassen und Abschlussklassen besteht schon eine Pflicht, die Mund-Nase-Bedeckung zu tragen. Bisher sind offiziell nur Alltagsmasken vorgeschrieben, in der Praxis werden zumeist fast nur noch medizinische Masken getragen.

Das Kultusministerium der scheidenden Ministern Susanne Eisenmann (CDU) – sie hat nach ihrer Wahlniederlage am vergangenen Wochenende den Rückzug aus der Politik angekündigt – widerspricht den Gewerkschaften vehement. «Es war richtig, den Kindern wieder mehr soziale Kontakte zu ermöglichen und ihnen mit dem Schulbesuch wieder eine feste Struktur zu geben», sagt ein Sprecher. Der Präsenzunterricht sei hinsichtlich des Lernfortschritts der Schüler und auch hinsichtlich des sozialen Miteinanders durch nichts zu ersetzen. Andere Bundesländer seien bei der Öffnung der Schulen bereits deutlicher weiter als Baden-Württemberg.

«Die Lehrer haben uns in einer Umfrage wissen lassen, dass sie Angst haben zu unterrichten»

Nach Überzeugung des VBE hat die Landesregierung hingegen ignoriert, dass die grassierende britische Mutation als deutlich gefährlichere und aggressivere Variante im Land unterwegs ist. «Da hätte man handeln müssen», sagte der Landesvorsitzende Brand. Tatsächlich registriert das Landesgesundheitsamt steigende Fallzahlen – vor allem unter Kindern und Jugendlichen (News4teachers berichtet ausführlich darüber). «Wenn wir Kitas und Schulen öffnen, müssen wir auch höhere Infektionszahlen in Kauf nehmen», heißt es dort.

Brand: «Die Lehrer haben uns in einer Umfrage wissen lassen, dass sie Angst haben zu unterrichten.» Es fehle an den Grundschulen zudem das Personal, um die Klassen zu teilen. «Die Impfstrategie des Landes hat sich als Katastrophe entpuppt. Fast alle Kollegen zeigen ein Unverständnis.» Die Umfrage sei wegen der nicht ausreichenden Zahl an Rückmeldungen zwar nicht repräsentativ, sie spiegele aber eine eindeutige Tendenz wider.

Uneins sind VBE und Ministerium auch in der Frage der Impfungen. Nach Überzeugung des Verbands sollten Lehrerinnen und Lehrer nur unterrichten dürfen, wenn sie ausreichend vor dem Coronavirus geschützt sind. «Ohne Impfungen keine Schulöffnung», sagte Brand. «Nur wer geimpft ist, sollte in der aktuellen Pandemie-Situation unterrichten, alles andere ist unverantwortlich.» Rechtlich ist das aber nach Angaben des Landes nicht durchzusetzen. «Die Impfung gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 ist in Deutschland freiwillig», sagte der Sprecher des Ministeriums. Arbeitgeber könnten sie nicht als Voraussetzung definieren und auch nicht anordnen.

In Baden-Württemberg können sich Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrkräfte impfen lassen – egal, an welcher Schulform sie unterrichten und ob sie bereits wieder in Präsenz an der Schule sind (in den übrigen Bundesländern werden von den Lehrern nur die an Grundschulen beschäftigten geimpft). Sie erhalten den Impfstoff von Astrazeneca, der in den vergangenen Tagen vorsorglich nicht gespritzt wurde.

Anders als die Gewerkschaften und viele Lehrkräfte sind die Kultusminister der Länder überzeugt, dass die Schulen in Deutschland so lange wie möglich offengehalten werden müssen. Dabei sollten Lehrkräfte im Präsenzunterricht zugleich Vorrang beim Impfen bekommen. Auf diese gemeinsame Position haben sich die Ministerinnen und Minister bei Beratungen in der Kultusministerkonferenz (KMK) verständigt, wie aus einem am Freitag veröffentlichten Beschluss hervorgeht. News4teachers / mit Material der dpa

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