MÜNCHEN. „Die Schulen flächendeckend zu öffnen ohne geeignete und praktikable Test- und Impfstrategie war und ist ein großer Fehler“, sagt Jürgen Böhm, Bundesvorsitzender des Deutschen Realschullehrerverbands (VDR) – und verweist auf die Warnungen von Wissenschaftlern und Epidemiologen zu den massiv zunehmenden Infektionszahlen unter Jugendlichen seit der Schulöffnungen und besonders seit Auftreten von Mutationen. Böhm kritisiert auch die KMK, weil die künftig auf Inzidenzwerte als Entscheidungsgrundlage verzichten will.
Die Schulen seien vielerorts im Bundesgebiet als “Versuchslabore” und auf Biegen und Brechen geöffnet worden, so Böhm, ohne entsprechend kontrollierte Teststrategien oder Impfangebote. Manche Bundesländer verböten ihren Schulen und den Kommunen gar, die Schulen bei Inzidenzwerten von über 200 zu schließen und Distanzunterricht anzubieten (gemeint ist Nordrhein-Westfalen – News4teachers berichtete). Auch die Kultusministerkonferenz (KMK) stelle eine Schulöffnung zum Beginn der dritten Welle über die Sicherheit der Beteiligten. “Wer Tests nicht kontrolliert und keine Konsequenzen daraus ableitet, der braucht auch keine Tests anbieten! Hier versagt gerade die staatliche Kontrolle auf ganzer Linie und nicht nur in den Schulen”, so Böhm.
Dieser Zustand sei schier unglaublich. Lange Zeit wurde schlichtweg ignoriert, dass sich auch Kinder und Jugendliche mit dem Virus anstecken können oder es zumindest weiterverbreiten. An die Angehörigen und die Familien wurde bei aller Ignoranz nicht gedacht. Manche Lehrkräfte kämen sich dabei wie Versuchskaninchen vor, die in einer Testphase verschiedene Szenarien ausprobieren sollten.
„Was wir brauchen sind endlich und verbindlich vernünftige Teststrategien, bei denen die Gesundheit sowohl der Lehrkräfte als auch der Schüler maximal geschützt wird. Dazu gehört es nicht, die Schüler in vollen Bussen bis zum Klassenzimmer zu karren, um sie dort zu testen und dann mit einem positiven Testergebnis wieder nach Hause zu schicken!“, meint der Bundesvorsitzende.
Am besten wäre es, die Kinder würden zu Hause unter Aufsicht der eigenen Eltern getestet und kämen so gar nicht erst in Kontakt mit weiteren Mitschülern. Alternativ müssten externe Expertenteams diese Testungen an den Schulen übernehmen. Allein die Entsorgung der gebrauchten und womöglich positiven Tests sei ein Problem (auch darüber berichtet News4teachers aktuell). „Lehrkräfte sind schließlich kein medizinisches Personal und Klassenzimmer keine Testzentren!“, beharrt Böhm. „Wir können uns nur wiederholen: Was wir jetzt brauchen sind klare, praktikable, sichere und kontrollierbare Teststrategien, schnelle und unbürokratische Impfangebote für alle Lehrkräfte und die Umsetzung der Hygienemaßregeln. Und dazu gehört die Einhaltung der Inzidenzwerte!“, schließt Böhm.
Hintergrund: Die Kultusministerkonferenz hatte am Donnerstag beschlossen, dem Inzidenzwert künftig weniger Beachtung schenken zu wollen. Durch die geplanten Schnelltests an Schulen, so heißt es zur Begründung, würden ja auch mehr Infektionen bekannt. News4teachers
Kultusminister verabschieden sich vom Inzidenzwert – weil Schüler jetzt getestet werden