BERLIN. Morgen tagt – mal wieder – der Bund-Länder-Gipfel und die Kultusministerkonferenz hat – mal wieder – beschlossen, dass sie die Schulen gerne möglichst weit öffnen möchte. Von Stufenplänen oder flankierenden Maßnahmen wie flächendeckenden Schnelltests für Lehrer und Schüler ist, wenn überhaupt, nur am Rande die Rede. Ein länderübergreifendes Konzept in der Schulpolitik ist tatsächlich immer noch nicht zu erkennen: Während Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann keine Möglichkeit für weitere Öffnungsschritte sieht, mag sich NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer jetzt nicht mal mehr an einen selbst gesetzten Grenzwert halten.
Same procedure: Wie vor jedem Bund-Länder-Gipfel macht die Kultusministerkonferenz auch jetzt, kurz vor der Videokonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten, wieder Druck, die Schulen schnell und weit zu öffnen. Die Kultusminister sprächen sich „für weitere Schritte zur sukzessiven Öffnung von Schulen“ aus, heißt es in einem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom Montagabend, der dem Redaktionssetzwerk Deutschland (RND) vorliegt. „Sofern es die Infektionslage weiterhin zulässt, soll der in den jüngeren Jahrgängen und den Abschlussklassen begonnene Wechsel- oder Präsenzunterricht im März 2021 auf weitere Jahrgänge ausgeweitet und intensiviert werden“, führen die Kultusminister in ihrem Beschluss aus. „Hiervon abweichende Regelungen können regional getroffen werden.“
«Bei höherer Inzidenz brauchen wir mehr Anteile von Wechselunterricht, bei niedrigeren mehr Präsenzanteile»
Was das konkret bedeutet, macht Berlin anschaulich: Die Bildungsverwaltung verkündet am Tag vor dem Gipfel, dass von Dienstag nächster Woche an (9. März) auch die 4. bis 6. Klassen wieder zurück in den Präsenzunterricht dürfen – trotz steigender Inzidenzwerte in der Bundeshauptstadt. Nordrhein-Westfalens Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) ist in die gleiche Richtung unterwegs. Sie will weitere Schüler noch im März zurück in die Schulen holen – unabhängig von der Wocheninzidenz.
Auch für die Schüler der weiterführenden Schulen gelte, dass man sie «so schnell wie möglich zumindest anteilig wieder in den Präsenzunterricht zurückholen» müsse, sagt Gebauer dem «Kölner Stadt-Anzeiger». Das werde derzeit wohl nur im Wechselmodell möglich sein. Auf die Frage, ob sie dazu schon von Mitte März an ein Wechselmodell in Kraft setzen wolle, auch wenn die Inzidenz – Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche – auf über 50 bleibe, antwortet die FDP-Politikerin: «Das ist in meinen Augen der sinnvollste Weg – sonst verlieren wir die Kinder.»
Bisher hatte Gebauer gesagt, erst bei einer Inzidenz von unter 50 könne es weitere Öffnungen des Schulbetriebs geben. Erst wenn diese Zielmarke stabil erreicht sei, werde die Landesregierung über eine Erweiterung des Präsenzunterrichts entscheiden. Am 22. Februar hatte für Grund- und Förderschüler der Primarstufe ein Wechselmodell aus Distanz- und Präsenzunterricht begonnen. Die Abschlussjahrgänge, die seitdem ebenfalls zu den ersten Schulrückkehrern gehören, dürfen sogar in voller Klassen- oder Kursstärke unterrichtet werden.
Der Zeitung sagt Gebauer jetzt: «Bei höherer Inzidenz brauchen wir mehr Anteile von Wechselunterricht, bei niedrigeren mehr Präsenzanteile.» Mittlerweile bekomme sie Hilferufe von Eltern, die Situation verschärfe sich in allen Familien. «Wenn wir es nun durch regelmäßige Testungen zulassen, dass wieder mehr Kinder mit mehr Präsenzunterricht in die Schulen können, kehrt ein wenig Normalität in die Gesellschaft insgesamt zurück.»
Die Lehrergewerkschaft VBE spricht von einem «Kurswechsel». „Noch vor wenigen Tagen war der Inzidenzwert 50 das Maß aller Dinge, die Schulöffnungen betreffend. Doch das Infektionsgeschehen hat sich nicht so verhalten, wie zum damaligen Zeitpunkt erhofft oder gewünscht. Es bleibt leider die Konstante in dieser Pandemie, dass auf politische Aussagen aufgrund der dynamischen Situation wenig Verlass ist“, so heißt es.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sieht hingegen kurz vor der Bund-Länder-Konferenz zum Corona-Lockdown keine schnellen Öffnungsschritte – auch bei den Schulen nicht. Auf die Frage, was denn außer Baumärkten rasch geöffnet werden könne, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Stuttgart: «Erstmal nix.» Die Zahl der Infektionen auf 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sei weiterhin der entscheidende Wert bei der Frage, wie stark man lockern könne – und die 7-Tage-Inzidenz steige wieder.
«Schnelltests und Selbsttests für Schüler und Lehrer sind ein großer organisatorischer Aufwand»
Zwar könne man mit massenhaften Schnell- und Selbsttests demnächst Öffnungen angehen, doch das gehe nicht von heute auf morgen. «Das ist ein großer organisatorischer Aufwand.» Die Test-Infrastruktur müsse schon da sein, «damit man die Teststrategie mit der Öffnungsstrategie verbinden kann», erklärt der Grünen-Politiker. (Der Bund-Länder-Gipfel soll sich damit beschäftigen, ob Selbsttests für Lehrkräfte und Schüler – wie in Österreich – bundesweit eingesetzt werden sollen, wie News4teachers bereits berichtete.)
Kretschmann zeigt sich aus diesem Grund auch skeptisch, dass die weiterführenden Schulen – wie von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) vorgeschlagen – schon am kommenden Montag schrittweise wieder öffnen können. Um Schülerinnen und Schüler zweimal in der Woche testen zu können, müssten die Test-Kapazitäten an den Schulen deutlich ausgebaut werden. «Ich kann mir nur ganz schlecht vorstellen, dass das bis zum 8. März auf die Beine gestellt werden kann.» Es sei klar, dass das Gesundheitsministerium die Tests besorgen müsse. Für die Umsetzung sei aber die Kultusministerin zuständig. «Wenn sie es hinbekommt in den jetzt verbleibenden Tagen, dann okay», sagt Kretschmann.
Auch die Kultusminister setzen auf mehr Tests im Schulbetrieb – beschäftigen sich aber vor allem mit der Finanzierung, konkret: mit der Forderung, der Bund müsse Corona-Tests bezahlen. Wörtlich heißt es in dem Beschluss: „An erster Stelle stehen künftig dabei durch den Bund zu finanzierende flächendeckende Testmöglichkeiten für das an Schulen tätige Personal sowie perspektivisch auch für Schülerinnen und Schüler.“ News4teachers / mit Material der dpa
