DÜSSELDORF. „Wir haben remonstriert!“, so schreibt uns aktuell ein Lehrer aus Nordrhein-Westfalen – stellvertretend für Mitglieder seines Kollegiums. Wir dokumentieren Auszüge aus der insgesamt sieben Seiten umfassenden Begründung. Darin heißt es: „Nach wie vor erscheint selbst eine beschränkte Schulöffnung unverantwortlich, auch mit Blick auf eventuelle gesamtgesellschaftliche Folgeschäden. Ausgehend davon können Lehrer ihre Fürsorgepflicht gegenüber ihren Schülerinnen und Schülern nicht hinreichend wahrnehmen, selbst bei – gemessen an den örtlichen Möglichkeiten – bestmöglicher Umsetzung der offiziellen Hinweise und Vorgaben zu Hygienemaßnahmen und zum Infektionsschutz.“ Auch die Selbsttests an Schulen kommen ausführlich zur Sprache.
In unserer Remonstration argumentieren wir mit den seit dem Frühjahr 2020 bestehenden Problemen an Schulen (vulgo der Untätigkeit des Ministeriums), der aktuellen Gefährdungslage in Deutschland insgesamt und insbesondere an Schulen und inwiefern auch sonst aktuell die Fürsorgepflicht den Lehrern gegenüber verletzt und es den Lehrern unmöglich gemacht wird, ihre Fürsorgepflicht einzuhalten. In einem Addendum widmen wir uns auch der Infektionsprävalenz in NRW, der Testpraxis in den Gesundheitsämtern und der Falschbehauptung, steigende Inzidenzen bei Schülern seien jetzt durch vermehrtes Testen begründbar.
Ein Kern der Remonstration ist dabei das Folgende:
„Erweitert werden diese Bedenken, aus denen der Anspruch an jedwede Schulöffnung resultiert, allen an Schule Beteiligten maximale Prophylaxe zu bieten, außerdem durch folgende Erkenntnisse und Entwicklungen:
Das Infektionsrisiko an einem sechsstündigen Schultag in einer Klasse / einem Kurs mit halber Raumbelegung, unter den expl. Bedingungen, dass (a) ein Mindestabstand von 1,5 Metern rigide eingehalten wird, dass (b) alle Anwesenden konstant einen adäquaten MNS korrekt tragen und dass (c) regelmäßig ein optimaler Luftaustausch stattfindet, hat bei Anwesenheit eines einzigen Infizierten im Raum einen R-Wert von 2.9; d.h. dass sich statistisch an einem Tag pro Klasse / Kurs ca. drei Personen infizieren!
Diese Kalkulationen basieren aber auf der sog. Wildvariante des Virus, die neuen Mutationen sind jedoch deutlich infektiöser: B.1.1.7, die neue Dominante des Virus, hat demggü. einen um .4-.7 höheren R-Wert, folglich ist das Infektionsrisiko wesentlich höher.
Die Realisierung der Bedingungen (a) bis (c) in hinreichender Art und Weise ist im Schulalltag zudem utopisch. Mithin kann falsches Lüften die Infektionsgefahr drastisch erhöhen, adäquat platzierte Luftfilter mit entsprechender Leistung erscheinen absolut alternativlos:
Um das Infektionsrisiko der Wildvariante auf einen R-Wert von 1.0 zu reduzieren, sind gem. Hermann Rietschel Institut der TU Berlin bereits ca. 75 m3/h pro Person an virenfreier Zuluft notwendig, bei B.1.1.7 benötigt man hierzu jedoch schon 105 m3/h pro Person. Die benötigte Zuluft ist pro Stunde kumulativ, so dass bspw. binnen zwei Stunden bereits 150 m3/h pro Person (Wildvariante) resp. 210 m3/h pro Person (B.1.1.7) an Zuluft benötigt werden. Zwei Zeitstunden sind damit rechnerisch auch das zeitliche Limit, dass ein halber Kurs (max. 17 Schüler) – unter Maßgabe des Einhaltens von Mindestabständen und des Tragens eines adäquaten MNS – bei expl. Einsatz eines Hochleistungsluftfilters mit einer Zuluftleistung von ca. 3500 m3/h pro Person (Werte, die mit normalem Lüften nicht erreichbar sind), im selben Unterrichtsraum unterrichtet werden kann. Tatsächlich wäre aber eine Reduzierung auf R=0,5 mittels drastischer Erhöhung des Zuluftstroms notwendig, um eine Infektion hinreichend auszuschließen zu können, was in normalen Unterrichtsräumen (baulich und technisch) kaum möglich erscheint.
Gemeinhin zählt das Risiko für Lehrer, in Ausübung ihrer Dienstpflicht im Unterricht an insb. schülerseitig übertragenen Infektionskrankheiten (Influenza; Masern etc.) zu erkranken, als sog. allgemeines Lebensrisiko, das insofern ein legitimierbares Risiko darstellt, dass es lehrerseitig eigenverantwortlich mittels geeigneter Selbst-schutzmaßnahmen (MNS; Impfung etc.) minimiert resp. negiert werden kann.
Im Fall der COVID-19-Pandemie resultiert aber die anzunehmende extrem hohe Infektionsprävalenz in der Bevölkerung insg. (s. Addendum), zunehmend mit der infektiöseren B.1.1.7-Variante u.ä. Varianten des Virus, i.V.m. den skizzierten generellen Infektionsrisiken im Unterricht einerseits und den (bis mind. Sommer 2021) fehlenden Impfmöglichkeiten für die Lehrer weiterführender Schulen in NRW, das Schulpersonal und die (mangels Zulassungen für Kinder und Jugendliche in absehbarer Zeit generell nicht eingeplanten) Schüler, in einer eigenverantwortlich nicht hinreichend korrigierbaren faktischen und infolge ihres Ausmaßes mit der Fürsorgepflicht absolut unvereinbaren Schutzlosigkeit aller direkt und indirekt Betroffenen ggü. einer potenziellen Infektion; ein eklatanter Konflikt mit Art. 2 Abs. 2 GG (Recht auf körperliche Unversertheit) ist anzunehmen.“
Unter Punkt 6 („Rechtliche Bedenken ggü. Selbsttests in Schulen“) unserer 7-seitigen Remonstrationsschrift heißt es:
„Unbeschadet dieser skizzierten allg. Probleme werden aktuell Testungen von Schülern und Lehrern vor jedem Schulbesuch thematisiert, von deren Ausgang die Erlaubnis zum Präsenunterricht abhängig sein soll. Auf den ersten Blick begrüßenswert ist insofern, dass die Schulministerin am 1. April 2021 verkündete, nach den Osterferien zwei Mal pro Woche verpflichtende Selbsttests der Schüler ‚als zusätzliche Sicherheit‘ an Schulen einzuführen, diese trügen ‚dazu bei, das Dunkelfeld von symptomlos Erkrankten aufzuhellen und die weitere Ausbreitung der Pandemie zu verhindern. Sie sorgen dafür, dass der Schulbetrieb sicherer wird‘ – dies ist zwar korrekt, allerdings ist das Mehr an Sicherheit abermals in keiner Weise hinreichend und relativiert die sonstigen Bedenken dieser Remonstration nicht, wie im Folgenden erläutert wird. Vielmehr sind verpflichtende Tests der Art, wie sie in NRW geplant sind, Makulatur:
(1) Die üblichen Modelle des Wechselunterrichts, die eine (a) täglich oder (b) wöchentlich alternierende Beschulung von A- und B-Gruppen vorsehen, resultieren in Modell (a) in der Problematik, dass binnen je zwei Wochen eine der beiden Gruppen (diejenige mit drei Präsenztagen) an einem Tag nicht getestet wird, während in Modell (b) die Nichttestung für Schüler beider Gruppen binnen zwei Wochen gar drei Tage beträgt. Dies ist aus den skizzierten Gründen der Infektionsgefahr bereits an einem einzigen Präsenztag inakzeptabel.
(2) Bereits die laborbasierten Antigenschnelltests zur Anwendung durch geschultes Fachpersonal weisen bei asymptomatischen Infizierten – also dem Gros aller Infizierten – eine Sensitivität von lediglich 38,9 % auf, können also statistisch ca. 3/5 der asymptomatischen Infizierten ggf. nicht identifizieren! Bei Infizierten mit spezifischer Symptomatik liegt die Sensitivtität zwar bei 85,7 %, aber auch dieses Restrisiko erscheint für den Präsenz- u./o. Wechselunterricht aufgrund der diskutierten spezifischen Probleme und der Verweildauer am Ort Schule nicht legitimierbar. Mithin produzieren die den Schulen zur Verfügung gestellten Selbsttests zur Eigenanwendung durch Laien demggü. wesentlich mehr falschnegative Ergebnisse und bergen ein erhöhtes Risiko der Falschanwendung, so dass das RKI vor einer ‚Vermittlung einer Scheinsicherheit‘ warnt. Außerdem sollen diese Antigentests nur dann anschlagen, wenn die gemessene Viruskonzentration über einer bestimmten Nachweisgrenze liegt, ohne aber auszuschließen, dass eine Infektion resp. Infektiosität mglw. Bereits unter dieser Grenze besteht.
Mithin bestätigen die negativen Erfahrungen mit dem Präsenzunterricht unter Maßgabe verpflichtender Tests in Österreich (d.h. rapide steigende Fallzahlen unter schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen seit den dortigen Schulöffnungen am 8. Februar 2021), das offenbar als Vorbild der Testpflicht in NRW fungieren soll, die soeben skizzierten Probleme resp. bieten hinreichende Evidenz für die (bereits statistisch höchstwahrscheinliche) Nichtfunktionalität der Selbsttests als Infektionsschutzmaßnahme an Schulen.
(3) Letztlich ist zum Zeitpunkt der Verfassung dieser Remonstration die konkrete Ausgestaltung der Testpflicht in NRW noch offen. Selbst unter der notwendigen Maßgabe, es würden (aktuell nichtexistente) Antigentests in einer RT-PCR-Tests vergleichbaren Qualität eingesetzt, wären nur folgende Testszenarios möglich: (a) Selbsttests zu Hause, (b) Tests durch geschultes Fachpersonal vor oder in der Schule oder (c) Tests durch Lehrer oder sonstiges Schulpersonal bzw. Selbsttests unter deren Aufsicht in der Schule.
Zu (a): Eine Selbsttestung in den schülereigenen Haushalten ist nicht praktikabel, da dort die Einhaltung der entsprechenden Verpflichtung nicht gewährleistet werden kann oder die Testungen fehlerhaft durchgeführt werden könnten. Sollten Schüler verpflichtet werden, ihre negativen Tests von zuhause als Einlassbedingung in der Schule vorzeigen zu müssen, bestünde einerseits das Problem, dass das Testergebnis schon wenige Minuten nach dem Test verfälscht sein könnte, andererseits ließe sich nicht nachweisen, dass der Test auch vom entsprechenden Schüler selbst stammt. Der Infektionsschutz verlangt aber Sicherheit.
Zu (b): Bereits aus diesen Gründen bedürfte es also der unmittelbaren Testung durch geschultes Fachpersonal, das die Schülertests vor Unterrichtsbeginn durchführt. Bzgl. der Testlokalität wird im folgenden Punkt ausgeführt, warum Schulen selbst aber als Testorte ausscheiden müssen und auch spezielle Testorte in unmittelbarer Nachbarschaft keine Alternative darstellen.
Zu (c): Die diesbzgl. Anweisungen des Ministeriums, formuliert in den ‚Informationen zum Einsatz von Selbsttests für Schülerinnen und Schüler an weiterführenden Schulen‘ (s. Schulmail v. 15. März 2021), sehen bislang aber keine der beiden ersten Möglichkeiten vor, sondern eine über die thematisierten Verletzungungen der Fürsorgepflicht hinausgehende, das Maß des Zumutbaren zusätzlich überschreitende weitere Verletzung dieser Pflicht. Das Ministerium führt nämlich das Folgende aus:
‚Die Testungen finden in den Klassen oder Kursräumen […] zu Beginn des Unterrichtes mit den im Präsenzunterricht anwesenden […] Schülern statt. […] Das schulische Personal – insbesondere […] Lehrer – beaufsichtigen die Durchführung der Selbsttests. […] Die […] Schüler haben unmittelbar vor der Testung auf ihre Handhygiene zu achten. Während der Testung wird im Raum gelüftet. Bei der Testung ist sorgfältig auf den notwendigen Abstand zwischen […] Schülern zu achten. Die Maske darf nur während der Testung selbst abgenommen werden. […] Die Selbsttests führen die […] Schüler unter Aufsicht und Anleitung von Lehrkräften oder sonstigem schulischen Personal selbst durch. […] Die Lehrkräfte kontrollieren das Ergebnis der Testung. Wenn ein positives Testergebnis vorliegt, muss das Ergebnis auch unverzüglich dokumentiert werden. Danach sollte eine Handdesinfektion erfolgen. […] Ein positives Ergebnis eines Selbsttests ist noch kein positiver Befund einer Covid-19-Erkrankung, stellt allerdings einen begründeten Verdachtsfall dar. Die betroffene Person muss unverzüglich und in altersgerechter Weise unter Einhaltung der allgemeinen Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmen isoliert werden. Die Schulleitung informiert die Eltern bzw. Ausbildungsbetriebe oder sozialpädagogischen Einrichtungen und entscheidet, ob die Schülerin oder der Schüler nach Hause geschickt wird oder aus der Schule abgeholt werden muss. Eine Nutzung des ÖPNV für die Heimfahrt sollte unbedingt vermieden werden. Kann eine sofortige Abholung durch die Eltern nicht gewährleistet werden, muss ein vorübergehender geschützter Aufenthalt in der Schule sichergestellt werden. Für die Information an Eltern und Ausbildungsbetriebe werden wir noch kurzfristig ein Formular im Bildungsportal einstellen, auf das Sie zurückgreifen können. […] Da die Teilnahme an den Testungen auf freiwilliger Basis erfolgt, ergeben sich aus der Verweigerung eines Tests durch […] einen Schüler keine Konsequenzen. Ich bitte Sie mit Ihren Lehrkräften in geeigneter Weise darauf hinzuwirken, dass aus der möglichen Nicht-Teilnahme von […] Schüler [sic] keine gruppendynamischen Prozesse zu deren Nachteil entstehen. Entsprechendes gilt bei Anzeichen von Irritationen innerhalb der Elternschaft. […] Die Lehrkräfte oder Aufsichtspersonen wirken darauf hin, dass die Testergebnisse der Selbsttests in der Klasse oder im Kurs auch bei negativer Testung vertraulich behandelt werden (kein Präsentieren oder Herumzeigen von Testergebnissen).‘
Dem begegnen folgende evidente Probleme, die u.a. nicht mit der Fürsorgepflicht und anderen Rechten der Schüler, Lehrer und des sonstigen Schulpersonals in Einklang zu bringen sind, so dass einerseits Testungen von Schülern in der Schule durch Lehrer nicht legitimierbar sind:
(I) Bereits angesichts der exorbitanten Infektionsrisiken in Schulen im Präsenz- resp. Wechselunterricht per se erscheint es generell nicht vertretbar, Selbsttests zu Unterrichtsbeginn am Ort Schule durchzuführen, statt vor Unterrichtsbeginn individuell zuhause. Zu den bereits skizzierten Problemen der Aerosoldiffusion in Unterrichtsräumen gesellt sich die Problematik, dass das Ministerium die Abnahme der Masken ‚während der Testung selbst‘ vorschreibt, dies aber in direkter Konsequenz, bei Teilnahme infektiöser Personen (die ja erst ex post facto identifiziert werden können) am Testverfahren, das Infektionsrisiko für alle Anwesenden enorm steigert – die Lüftung des Raumes während der Testung relativiert diesen Risikozuwachs nicht.
Zudem ist nicht auszuschließen, dass Schüler ohne Maske, ggf. gereizt durch den Testvorgang selbst, in einer Art und Weise reagieren, die einen zusätzlich erhöhten Aerosolausstoß bedeuten (Sprechen, Husten, Niesen etc.).
Das Infektionsrisiko wird außerdem durch den Umstand potenziert, dass das Ministerium nicht nur die eindeutige Anweisung unterlässt, dass die Tests in exkl. für diese Tests genutzten Räumen stattzufinden haben, sondern stattdessen nahelegt, unmittelbar nach der Testung in denselben Räumen Unterricht stattfinden zu lassen, auch ungeachtet dessen, ob es positive Testungen gab oder nicht!
Es erscheint mithin absurd, dass im Rahmen der Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung der aktuellen COVID-19-Pandemie Personen, die mit COVID-19 infiziert und diesbzgl. ansteckungsverdächtig sind, i.d.R. quarantänisiert werden und folglich auch den Ort Schule unter keinen Umständen betreten dürfen, aber eine Testung in Schulen durchgeführt werden soll, um dann, bei einem Positivtest, die entsprechende Person wieder aus dem Schulgebäude zu entfernen, nachdem alle Beteiligten – und potenziell bereits Mitreisende im ÖPNV auf dem Weg zur Schule – einem Infektionsrisiko ausgesetzt worden sind, dass bei heimischer Testung so nicht existiert hätte.
(II) Das Ministerium erläutert, dass bei einem positiven Selbsttest einerseits die ‚betroffene Person […] unverzüglich und in altersgerechter Weise unter Einhaltung der allgemeinen Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmen isoliert werden‘ muss und die Erziehungsberechtigen sie ggf. abholen: ‚Kann eine sofortige Abholung durch die Eltern nicht gewährleistet werden, muss ein vorübergehender geschützter Aufenthalt in der Schule sichergestellt werden.‘ Dies erscheint auf mehreren Ebenen problematisch:
(a) Einerseits stellt dies Schulen vor regelmäßig unüberwindbare organisatorische Probleme, denn es Bedarf dazu nicht nur geeigneter, aber evtl. nicht vorhandener Räumlichkeiten, die eine weitere Diffusion des Virus verhinden, sondern natürlich andererseits auch des Personals, das die Aufsicht übernimmt. Aus den zuvor geschilderten Umständen ist allerdings ersehbar, dass es Lehrern und sonstigem Schulpersonal nicht zumutbar ist, Aufsichten in Räumlichkeiten mit dezidiert ansteckungsverdächtigen Schülern zu halten.
(b) Im nicht unwahrscheinlichen Fall, dass nicht nur ein Schüler, sondern mehrere derselben positive Testergebnisse haben könnten, wird es der verfügbare organisatorische Rahmen zudem bedingen, dass alle diese Schüler in einem einzigen Raum unterzubringen sein werden. Das Ministerium realisiert selbst, dass ein positiver Selbsttest auch ein falsch-positives Ergebnis darstellen kann. Entsprechend besteht die Wahrscheinlichkeit, infizierte mit nicht-infizierten Schülern in derselben Räumlichkeit zu halten, mit einem erheblichen Infektionsrisiko für letztere, das mit der Fürsorgepflicht nicht in Einklang zu bringen ist.
(III) Das Ministerium führt aus, ‚dass die Testergebnisse der Selbsttests in der Klasse oder im Kurs […] vertraulich behandelt werden.‘ Wie dies bei der für alle Beteiligten feststellbaren anschließenden Isolation bzw. deren Ausbleiben für die einzelnen Schüler, aus dem ein positives oder negatives Testergebniss zwangsläufig eindeutig ableitbar ist, durchführbar sein soll, erschließt sich nicht; die Handreichungen für den ‚pädagogisch sensiblen Umgang‘ mit dieser Situation erscheinen nicht praxistauglich. Hierbei ist außerdem einerseits ein gravierender Konflikt mit dem Datenschutz und ggf. dem allg. Persönlichkeitsrecht der Schüler feststellbar, mithin – durch die Schädigung des psychischen Wohls und der Gefährdung des physischen Wohls – eine (ggf. irreparable) Beschädigung des Vertrauensverhältnisses das die Schüler zum Ort / zur Institution Schule haben, die die Fürsorgepflicht konterkariert. Andererseits liegt die Problematik nahe, dass im Anschluss an eine positive Testung eines Schülers bei den Mitschülern oder deren Angehörigen auftauschende Infektionen diesem einen Schüler (als Folge der Testsituation) attribuiert werden, was ebenfalls die Fürsorgepflicht ad absurdum führt.
(IV) Die Aufsicht und Anleitung der Selbsttests in der Schule insb. den Lehrkräften aufzubürden und nicht durch medizinisches Fachpersonal in der erforderlichen Schutzausrüstung, die Lehrern nicht zur Verfügung gestellt wird, unter den dafür zwingend notwendigen hygienischen Rahmenbedingungen durchführen zu lassen, überschreitet die legitimierbare Verwendung der Lehrer, ja ist mithin eine Anordnung zur Durchführung einer nicht lediglich professionsfremden Aufgabe, sondern zu potenziell gesundheitsgefährdendem Verhalten im Widerspruch zu Art. 2 Abs. 2 GG.
(V) Letztlich erscheinen die Anordnungen zur Entsorgung des evtl. mit infektiösem Material kontaminierten Testabfalls nicht hinreichend, ja potenziell gesundheitsgefährdend.“
Kommentar des Verfassers: Auf eine Einbindung der Quellenangaben habe ich – für diesen Beitrag hier – jetzt verzichtet. Was mich wundert ist allerdings, dass diese Kritikpunkte, die wir in unserem Schreiben thematisieren, eigentlich. evident sein müssten: Wieso schaffen es die einschlägigen Gewerkschaften nicht, so etwas auf die Beine zu stellen und zu koordinieren? Warum kommt aus dieser Richtung nichts, keine gebündelte Aktion (auch im Sinne der angestellten Lehrer)? Warum wird man mit so einer Remonstration auf breiter Flur alleine gelassen, lässt so etwas zu Mückenstichen verkommen? Wobei: Wir diskutieren schon, ob wir nach der anzunehmenden Absage aus Düsseldorf dann auch den dann offenstehenden Rechtsweg nehmen…
Wir haben – auf vielfachen Wunsch hin – die komplette Begründung der Remonstration zum Herunterladen bereitgestellt (samt Quellennachweisen). Hier geht’s hin: https://www.news4teachers.de/2021/04/lehrer-remonstrieren-hier-laesst-sich-die-komplette-begruendung-herunterladen/
Unter der Remonstrationspflicht wird laut Beamtenbund (dbb) die Pflicht des Beamten verstanden, Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen unverzüglich bei dem unmittelbaren Vorgesetzten geltend zu machen.
“Grundsätzlich trägt der Beamte die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlung. Von dieser Verantwortung wird er freigestellt, wenn er seiner Remonstrationspflicht nachkommt und Bedenken zum Beispiel gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen geltend macht. Die Remonstrationspflicht besteht bereits dann, wenn der Beamte die Weisung als möglicherweise rechtswidrig ansieht”, so heißt es beim dbb.
Erkennbar strafbares Verhalten?
“Die Remonstration verläuft in drei Stufen. Zunächst muss der Beamte Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer amtlichen Weisung beim unmittelbaren Vorgesetzten erheben. Bleibt dieser bei seiner Anordnung, hat er sich an den nächst höheren Vorgesetzten zu wenden. Wird die Weisung auch von diesem bestätigt, muss der Beamte diese ausführen. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn die dienstliche Anordnung auf ein erkennbar strafbares oder ordnungswidriges Verhalten abzielt, die Menschenwürde verletzt oder sonst die Grenzen des Weisungsrechts überschreitet.”
Die Remonstrationspflicht habe eine Doppelfunktion – einerseits diene sie der behördeninternen Selbstkontrolle, andererseits diene sie zugleich der haftungs- und disziplinarrechtlichen Entlastung des Beamten bei rechtswidrigen Weisungen. News4teachers
Gesundheitsrisiko für Lehrer durch Schnelltests an Schulen? Landeslehrerrat: Remonstieren!
