DÜSSELDORF. Zwei Internet-Petitionen gegen die aktuellen Mathe-Abi-Klausuren in NRW bekommen starken Zulauf. Eine hatte am Donnerstagmorgen rund 4300 Unterstützer, die andere nach zwei Tagen knapp 2600. Die Schüler monieren zum Beispiel, die Aufgaben seien «unverschämt schwer» gewesen – und fordern eine angepasste Bewertung oder neue Klausuren. Schon im vergangenen Jahr hatte es bundesweit Ärger um das Mathe-Abitur gegeben – mit der Folge, dass in einzelnen Ländern bessere Noten vergeben wurden. Lehrerverbands-Präsident Meidinger sagte deshalb voraus, dass es künftig in jedem Jahr Streit geben werde.
Waren die Aufgaben in Mathematik, die nordrhein-westfälische Abiturienten in dieser Woche vorgelegt bekamen, zu schwer? Im Netz fällt die Antwort eindeutig aus: «Mathe Abi im Gk war einfach versuchter Mord», so schrieb eine Schülerin auf Instragram, stellvertretend für viele.
Jetzt wurden dazu im Netz zwei Unterschriftensammlungen gestartet, die Konsequenzen fordern. In der Petition einer Mülheimer Schülerin heißt es: «Die Aufgaben waren ungerecht gestellt und die Aufgabentypen wurden teils kaum, bis gar nicht im Unterricht besprochen. Im Vergleich zu den Abiturklausuren im Fach Mathematik zu den letzten Jahren, ist diese deutlich schwerer.» Zudem habe man durch Corona über ein Jahr lang keinen normalen Unterricht gehabt. «Wir sind sehr stark benachteiligt worden und sind ganzheitlich der Meinung, dass die vorherigen Abiturklausuren im Fach Mathematik um einiges einfacher waren.»
«Unser Jahrgang wurde nicht zielführend auf dieses Niveau der Matheklausuren vorbereitet»
Die zweite Petition betont: «Nicht nur die Komplexität der Aufgaben war zu hoch, sondern auch die Formulierung der Aufgabenstellung war oft uneindeutig und nicht nachzuvollziehen.» Weiter heißt es: «Viele aus diesem Abijahrgang haben ihre Freizeit für die Vorbereitung auf das Abitur geopfert, dieses Jahr wohl besonders in der pandemischen Situation. Alle Bemühungen scheinen umsonst gewesen zu sein, denn unser Jahrgang wurde nicht zielführend auf dieses Niveau der Matheklausuren vorbereitet.»
Das Schulministerium teilte der «WAZ» mit, «dass es verschiedene Eingaben zur schriftlichen Abiturprüfung im Fach Mathematik gibt». Diese würden bearbeitet. Die Lehrer hätten aber extra Aufgaben zur Auswahl bekommen, um sie dem tatsächlich erteilten Unterricht anzupassen.
Die Opposition im Düsseldorfer Landtag kritisierte am Donnerstag Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP). «Dass die Ministerin an dieser Stelle nicht die nötige Weitsicht hatte und die entsprechenden Vorkehrungen getroffen hat, um auf diese Situation der Schülerinnen und Schüler einzugehen, ist mehr als bedauerlich», so der SPD-Bildungsexperte Jochen Ott. «Sollten die Ergebnisse tatsächlich hinter den Erwartungen zurückbleiben, muss Ministerin Gebauer nachsteuern.»
«Von vergleichbar konzipierten und bewerteten Abiturprüfungen sind wir weiter entfernt denn je»
Schon im vergangenen Jahr hatte es bundesweit Beschwerden gegeben, dass die Aufgaben im Mathe-Abitur zu schwer seien. Die Folge: In einigen Bundesländern, darunter Hamburg, Sachsen und dem Saarland, wurden die Noten angehoben – aber eben nicht in allen. Diese Regelung war von Heinz-Peter Meidinger, dem Präsidenten des Deutschen Lehrerverbands, scharf kritisiert worden. Er betonte, dass er den Abiturienten, die jetzt begünstigt würden, zwar die besseren Noten gönne. Allerdings seien jetzt diejenigen Prüflinge benachteiligt, deren Landesregierungen dem Druck der Schülerproteste nicht nachgegeben hätten (News4teachers berichtete).
Meidinger fügte an: „Es ist zu befürchten, dass wir es zukünftig jedes Jahr wieder mit einer Flut von Online-Petitionen zum Schwierigkeitsgrad verschiedener Abiturprüfungen samt anschließend differierender Reaktionen betroffener Bundesländer zu tun bekommen werden. Von vergleichbar konzipierten und bewerteten Abiturprüfungen sind wir weiter entfernt denn je.“ News4teachers / mit Material der dpa
Seit 2017 entnehmen die Bundesländer Aufgaben für die schriftliche Mathematik-Abiturprüfung aus dem bundeseinheitlichen Pool.
Diese Pool-Aufgaben werden von Experten aller Bundesländer zusammen mit Wissenschaftlern des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) auf der Basis von Vorschlägen der Bundesländer entwickelt. Sie entsprechen den zwischen allen Bundesländern vereinbarten Bildungsstandards und dienen dazu, die Abiturprüfungen vergleichbarer zu machen. Jedes Land entscheidet selbst, wie viele Pool-Aufgaben und wie viele landesspezifische Aufgaben beziehungsweise Aufgabenteile in den landesspezifischen Abiturprüfungen eingesetzt werden.
Streit ums Mathe-Abitur: Auch Hamburg vergibt jetzt bessere Noten
