STUTTGART. „Sind Lernresistenz und Ignoranz Voraussetzungen für das Amt des Kultusministers?“, so fragt der Philologenverband Baden-Württemberg mit Blick auf den jüngsten Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK). „Nach anderthalb Jahren Corona hat die Kultusministerkonferenz noch immer nichts dazu gelernt: Die Schulen sind nach wie vor nicht auf steigende Coronazahlen im Herbst vorbereitet.“ Fünf Wochen vor Schulbeginn habe das baden-württembergische Kultusministerium zwar – endlich! – das Luftfilter-Förderprogramm veröffentlicht. Leider ist sein finanzieller Umfang viel zu gering – und die Begrenzung auf „schlecht belüftbare Räume“ viel zu eng.
Die jüngste Pressemitteilung der KMK (News4teachers berichtet) redet die Situation an den Schulen gnadenlos schön – meint jedenfalls der Philologenverband Baden-Württemberg. Die Schulen seien seit April überhaupt nicht sicherer geworden, wie behauptet werde. „Hätten die Kultusminister auch nur einen Funken Verantwortungsbewusstsein, müssten sie sich jetzt einen Ruck geben, in die Hände spucken und endlich wirklich anpacken: Mit einer klaren Maßgabe, dass an allen Schulen und Kindergärten in sämtlichen Räumen Luftfilter zu installieren sind, und zwar schnellstmöglich!“, erklärt Landesvorsitzender Ralf Scholl.
„Wann war einer der Kultusminister letztmalig in einem Klassenzimmer?”, fragt Philologen-Landeschef Scholl
Er legt den Finger direkt in die Wunde: „Aus der Stuttgarter Raumluftfilter-Studie geht hervor, dass in der Hälfte der untersuchten Räume kein vollständiger Luftaustausch durch fünf Minuten Komplett-Öffnen aller Fenster erreicht werden konnte. – Wie können die Kultusminister es angesichts dieses Ergebnisses wagen, bei den „Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen“ zu schreiben: „Um die Aerosolkonzentration in den Unterrichtsräumen zu mindern, wird in regelmäßigen Abständen während des Unterrichts und in den Pausen quergelüftet“, fragt Scholl. „Wann war einer der Kultusminister letztmalig in einem Klassenzimmer? – Schulräume haben in der Regel nur an einer Seite Fenster, an der anderen liegt der Flur, dessen Fenster sich zumeist nicht öffnen lassen. – Da ist ein Querlüften schon bauartbedingt unmöglich.“
Die Stadt Stuttgart hatte wissenschaftlich den Einsatz von Luftfiltern in Klassenräumen untersuchen lassen. Die Ergebnisse wurden allerdings anders kolportiert, wie News4teachers berichtete.
Besonders dick, so Scholl, habe in der KMK-Pressemitteilung der Hamburger Bildungssenator Ties Rabe (SPD) aufgetragen: „Darüber hinaus haben wir heute an den Schulen wesentlich ausgereiftere Sicherheitsmaßnahmen als noch im letzten Schuljahr, die überdies weit hinausgehen über alle anderen Schutzmaßnahmen im öffentlichen Leben. Der letzte Halbsatz klingt wie Hohn, denn wo werden zu Pandemiezeiten so viele Menschen aus so vielen Haushalten ohne Abstand über sechs bis acht Stunden täglich in kleine Räume gezwängt, in denen sie dann laut sprechen, rufen oder gar singen?“
Interessant sei die Argumentation der KMK für die Hochschulen: „Bei der Raumbelegung sind analog zum Schulbetrieb Ausnahmen vom Mindestabstand von 1,5 Metern nötig. Einen ersten Schritt kann die Anwendung der Sitzordnung im „Schachbrett“ darstellen, die regelmäßig immerhin die Nutzung der Hälfte der Raumkapazität zulässt.“ Bei Studenten, die problemlos geimpft werden können, rechnet man also mit halber Raumkapazität – bei Schulkindern, für die es keine Impfmöglichkeit bzw. Impfempfehlung, immer noch mit voller Klassenstärke.
„So kann man an den Schulen keinen dauerhaften Präsenzbetrieb in einer vierten Welle durchhalten“
„Dieses dämliche ‚Gesundbeten’ wird im Herbst bei steigender Inzidenz sehr schnell Quarantänemaßnahmen erzwingen. So kann man an den Schulen keinen dauerhaften Präsenzbetrieb in einer vierten Welle durchhalten“, erklärt der Philologen-Landeschef. „Selbstverständlich müssen die Schulen offen bleiben“, so Scholl, „aber dann muss man eben auch wirklich alles dafür tun, auch wenn das nun einmal Geld kostet. – Spätestens beim Geld endet aber die Bereitschaft der Kultusminister. Schöne Worte sind ja auch viel billiger. Bis das Kind dann im Brunnen liegt.“
Als einzig positiven Punkt begrüßt der Philologenverband, dass ebenfalls am 6. August, fünf Wochen vor Beginn des neuen Schuljahres, das Luftfilter-Förderprogramm vom Kultusministerium Baden-Württemberg fertiggestellt wurde, so dass die Kommunen jetzt endlich mit der Gerätebeschaffung von Raumluftfiltern beginnen können.
Scholl betont: „Allerdings ist der finanzielle Umfang dieses Programms absolut nicht ausreichend, um alle schlecht belüftbaren Räume, sprich: alle Räume, in denen mit 5 Minuten Lüften nur ein unvollständiger Luftaustausch erreicht wird, auch mit mobilen Raumluftfiltern auszurüsten. Die Definition von schlecht belüftbaren Räumen als nur solchen, bei denen die Fenster lediglich gekippt werden können, ist nach der Stuttgarter Raumlüfter-Studie viel zu eng gefasst, und eigentlich nur noch ein schlechter Witz.“ News4teachers